An diesem Abend war es sogar noch kälter als an den Abenden zuvor. Ich fror mir meinen Hintern ab, während ich vor dem Kamin saß und versuchte, ein Feuer zu entfachen. Sam war noch draußen. Keine Ahnung, wie er es schaffte, bei inzwischen wahrscheinlich minus fünfundzwanzig Grad an der freien Luft zu arbeiten. Ich wusste auch nicht, was er machte, aber ich wollte, dass er es warm hatte, wenn er hereinkam. Also musste dieses blöde Feuer jetzt endlich aufflammen.
Irgendwann funktionierte es tatsächlich und eine erste kleine Kaminflamme entfachte winzig und flackernd über dem Holz. Ich lächelte mein Feuerchen an, fast hätte ich sogar gequiekt, schaffte es aber, mich zusammenzureißen. Zufrieden stand ich auf, klopfte mir die Oberschenkel ab und tapste in die Küche, wo eine Kartoffelsuppe auf dem Herd köchelte.
Bis Sam endlich kam, hatte ich schon den Tisch gedeckt und das Feuer war zu einer beeindruckenden Größe herangewachsen. Die ganze Hütte war dadurch kuschelig und warm und ich liebte es, weil ich nur in Sams Hemd und Kuschelsocken herumrennen konnte und dabei nicht fror.
»Was ist denn hier los?«, fragte Sam relativ unhöflich, während er sich die Stiefel von den Füßen streifte und seinen bunten Poncho an den Nagel hing. Vielleicht würde ich mich nie daran gewöhnen, dass er immer seine Mütze aufließ. Oder das Bandana. Sogar im Haus. Auch beim Essen. Niemals hätten meine Eltern mir das erlaubt – Gott bewahre. Einer der Gründe, warum es mich bei Sam zum Lächeln brachte. Und zwar unverblümt, was er auch merkte, während er neugierig in den Topf spitzte, der auf dem Herd stand.
Sein Blick ließ meine Wangen glühen und mein Herz kribbeln. Und er ließ auch meine Knie ein bisschen wackeln, was dazu führte, dass ich mich an der Kücheninsel festhalten musste.
»Du hast Kartoffelsuppe gekocht?«
»Ja«, sagte ich leise. Er sah so verwirrt aus. Vielleicht war es doch nicht ganz richtig gewesen, für ihn zu kochen. Es sollte nur eine Entschuldigung sein, aber vielleicht gefiel ihm das ja nicht. Es war seine Küche. Hier durfte ich vielleicht nicht einfach so hantieren, wie es mir passte. »Und ich hab auch Brot gebacken«, platzte es nervös aus mir heraus, immer noch gestresst wegen seines Blickes. »Zur Wiedergutmachung.«
»Was denn wiedergutmachen?« Er schlüpfte in die Ofenhandschuhe und umfasste die Topfhenkel, um die Suppe zum Tisch zu bringen. »Wir essen ja sogar am Tisch.« Bei diesem Satz stahl sich doch tatsächlich ein kleines Lächeln auf seine Lippen, sodass ich mich unweigerlich fragte, wie lange es wohl her war, dass Sam mit jemandem zusammen an einem Tisch gegessen hatte. Sofort verkrampfte sich mein Herz – wahrscheinlich war es ewig her.
Ich holte noch das Brot aus dem Ofen, das jetzt wohl fertig war, und brachte es zusammen mit einem scharfen Messer und einem Brett zum Tisch. Sam saß bereits da und hatte sich einige Kellen Suppe aufgetan, die er jetzt heftig angrinste.
»Hier ... falls du Brot dazu willst.«
Verdutzt starrte er mein Brot an, dann mich. »Danke«, murmelte er beinahe fassungslos, wobei ich fand, dass er mehr als nur ein bisschen verwirrt wirkte. Würde ich Sam nicht besser kennen, und würde ich nicht wissen, dass er mich tief in sich drin nicht wirklich gut leiden konnte, dann würde ich fast glauben, er wäre gerührt.
Ich legte ihm eine Scheibe Brot hin und widmete mich dann lieber meinem eigenen Essen, damit diese Situation nicht noch komischer werden konnte.
»Ahm ... wieso ... wieso hast du gekocht? Und ... gebacken?«
»Weil ich mich mies gefühlt habe wegen des Jeeps und weil ich so zickig war«, platzte es auf einmal aus mir heraus. Damit war es erledigt. Ich würde einfach nie wieder um irgendetwas herumdrucksen, ich hatte gelernt, dass es besser war, die Karten einfach auf den Tisch zu legen. Ich fühlte mich bescheuert wegen seines Autos, auch weil es wegen mir jetzt eine Schramme hatte, und ich fand eben, dass das geklärt werden musste. »Und weil ich nicht will, dass du bereust, mir erlaubt zu haben, hierzubleiben.«
»Wenn du ab jetzt jeden Abend kochst, werde ich das nie bereuen, das schwör ich dir.« Er grinste wieder und mir sank das Herz. Beschämt nickte ich.
»Okay, das ... das kann ich machen.«
Er runzelte die Stirn, ziemlich tief. Ich wandte den Blick ab, puhlte an meinem Brot herum. Das war einfach alles viel zu demütigend.
»Joanie?«
»Mhm?«
»Das war ein Scherz.«
Mir wurde heiß, Hitze schoss in meine Wangen und wahrscheinlich wurden sie auch rot. Um seinem Blick auszuweichen, griff ich nach der Kelle und schöpfte mir ebenfalls Suppe in meinen Teller.
»Vergiss die Sache mit dem Jeep.«
»Es war peinlich«, murrte ich und löffelte zur Ablenkung meine Suppe. Sam schmunzelte nur vor sich hin. Es war einfach unmöglich erniedrigend gewesen. Und dann auch noch mit einem Hupen vom Café abgeholt zu werden, war für mich der Überfluss aller Peinlichkeit gewesen. »Eigentlich bin ich nicht so unfähig.«
»Davon gehe ich aus.«
Ich seufzte. Wahrscheinlich hielt er mich für völlig unterbelichtet, dabei war ich eigentlich echt nicht komplett bescheuert, wenn es ums Autofahren ging.
Schweigen legte sich über uns, es hüllte uns ein. Nur das gleichmäßige Geräusch von Löffeln auf Porzellan und hie und da das Brechen der Brotkruste war zu hören. Es war kein unangenehmes Schweigen, eher eines, wie es eben war, wenn zwei Menschen nebeneinandersaßen und gemütlich zu Abend aßen. Dass es Sam schmeckte, war offensichtlich. Er aß mehrere Teller Suppe und vom Brot war am Ende auch nur noch ein kleines Stück übrig. Ich hatte gedacht, dass Brian vielleicht auch mit uns essen würde, war jetzt aber froh, dass ich mich geirrt hatte. Es wäre gar nicht genug da gewesen, aber ich fand es auch seltsam gemütlich, nur mit Sam zu essen.
Er half mir beim Abwasch, ebenfalls schweigend. Erst als ich mich nach dem Zähneputzen in meinen Schuppen verabschieden wollte, räusperte Sam sich so auffällig, dass ich mich noch mal zu ihm umdrehte. Er schmunzelte schelmisch und irgendwas an diesem Blick, diesem Glitzern in seinen Augen, diesem Schalk ... irgendetwas daran gefiel mir.
»Es war der Allradantrieb.«
Ich verharrte in meinen Gedanken und legte langsam meinen Schal an. »Was?«
»Du hattest den Allradantrieb aus.« Ich schluckte irritiert. »Beim Jeep. Deshalb hatte er einfach zu wenig Grip auf dem Eis.«
»Oh ...«
Wieder schlich sich ein kleines Grinsen auf Sams Gesicht, das ich sogar fast erwiderte. Aber stattdessen drehte ich mich weg, fasste nach meiner Jacke und öffnete die Haustür. »Gute Nacht, Sam.«
»Gute Nacht, Prinzessin.«
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You See My Heart
RomanceJoana Fraser braucht eine Auszeit. Von ihren Freunden, ihrer Familie, ihrem Leben, das sie schlichtweg nicht mehr erträgt. Sie flieht also, und sie landet im Outback Kanadas, mitten im Wald, in einer Kleinstadt namens Chester's Creek, wo sie bald ih...