Dear Santa ...

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Weihnachten kam, weil es eben unvermeidlich war

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Weihnachten kam, weil es eben unvermeidlich war. Brian hatte Sam nicht überreden können, mit ihm nach Québec zu fahren, und ich wusste nicht, ob ich deshalb traurig oder glücklich sein sollte. Ich hatte selbst Heimweh, da war es entweder gut oder schrecklich jemanden bei sich zu haben, der sein Zuhause hasste. Je nachdem, was man gerade brauchte. Ich hatte meinen Eltern immer noch nicht gesagt, wo ich überhaupt war, und mit jedem Tag, der verging, bohrte sich deshalb ein schlechtes Gewissen in mein Herz.

Vielleicht war es aber auch das Gefühl, dass es ihnen egal sein könnte, das mir die Luft zum Atmen nahm.

Laurie war die Einzige, die dieses Jahr Weihnachtsgrüße von mir erhalten hatte. Meinem Bruder hatte ich nur ein kurzes Update geschickt, dass es mir gutging, das konnte er jetzt an unsere Eltern weiterleiten – oder auch nicht. War mir egal. So irgendwie.

Sam, der seit heute Morgen nichts getan hatte, als auf dem Sofa zu sitzen und aus dem Fenster zu starren, machte mir erschreckenderweise mehr Sorgen als die wahrscheinlich gar nicht vorhandenen Gefühle meiner Eltern. Die Arbeit im Stall und bei den Pferden hatte er einfach an mich delegiert, weshalb ich heute drei Ausritte hatte machen müssen. Es war schön gewesen, obwohl das Wetter heute nicht unbedingt die schönste Weihnachtsstimmung verbreitete. Passend zu meiner Laune – und noch mehr zu Sams.

Bewaffnet mit einer Tasse Kakao für ihn und kleinen Marshmallows dazu setzte ich mich aufs Sofa. Bevor Brian gestern Nachmittag losgefahren war, hatte er mir erzählt, dass er früher immer Marshmallow-Kakao gemacht hatte, um Sam aufzumuntern. Er hatte dabei immer nur die weißen Minimarshmallows gewollt, während Brian die pinken mochte, deshalb hatte ich mich bemüht, keinen Fehler zu machen. Sam sah zu mir rüber, bemerkte die Tasse und zog die Augenbrauen hoch.

»Für dich«, sagte ich. »Frohe Weihnachten.«

Er schwieg, griff aber zu. Fast lächelte er sogar, was ich als kleinen Erfolg einstufte.

»Das ist heiße Schokolade.«

»Sehe ich.«

»Du kannst auch Marshmallows reinwerfen.« Ich hielt ihm die kleine Schüssel hin, in der sich nur weiße Marshmallows befanden. Er musterte sie kurz, nahm sie mir aber tatsächlich aus der Hand und ertränkte einen Haufen Minimarshmallows in seinem Kakao. Ich musste sofort grinsen.

»Brennt da irgendwas an?«

»Was?« Ich schreckte hoch. »Oh Gott, die Pancakes!« Panisch sprang ich auf, um in die Küche zu stürmen. Natürlich waren meine Pancakes verbrannt. »Mann!« Wie sollte es auch anders sein?

»Du machst Pancakes?«, fragte Sam verwirrt. Ich nickte. Er lehnte mit seinem Kakao über der Sofalehne, und irgendwie fand ich, dass er jetzt auf einmal glücklicher aussah. »Zum Abendessen?«

»Ja, ich dachte ... du freust dich vielleicht.«

Auf einmal kam ich mir unglaublich lächerlich vor.

»An einen Truthahn hast du nicht gedacht?«

Geknickt seufzte ich, Sam fing an zu lachen. Er stand auf, beäugte die toten Pancakes und setzte sich dann mit seiner Tasse an die Kücheninsel.

»Machst du neue?« Ein niedliches Lächeln umspielte seine Lippen und irgendwie setzte das meine Willenskraft außer Gefecht.

Ja, ich machte ihm neue.

Zufrieden, weil der zweite Versuch um einiges besser geklappt hatte, stapelte ich einen Turm auf, den ich dann an den Tisch brachte. Pancakes am Weihnachtsabend, das war doch mal was Neues. Und es war irgendwie so besonders, dass es mir sogar gefiel. Vor allem der Gedanken daran, was meine Eltern davon halten würden, erfüllte mein Herz mit Glück. Sie fänden es schrecklich. Wahrscheinlich waren sie heute bei einer großen Feier gewesen, mit festlichem Tisch, Riesenweihnachtsbaum und schweineteuren Geschenken. Mein Bruder hatte höchstwahrscheinlich an die hundert Mal davon erzählen müssen, wie weit er es nicht schon gebracht hatte, und meine Mutter hatte sich tausend Komplimente für ihre Figur und ihre tadellose Haut anhören dürfen. Mein Heimweh verflog mit jeder Sekunde, in der ich daran dachte.

Ich zwirbelte eine meiner roten Locken durch meine Finger und belächelte den kleinen Pickel, den ich auf der Nase hatte. Ich mochte ihn. Das war traurig, aber die Tatsache, dass er da einfach leben durfte, ohne von Makeup und Pickelcreme zerquetscht zu werden, machte mich froh.

Sam stellte eine Glasflasche mit dickflüssigem rotbraunem Zeug drin auf den Tisch. Ich vermutete Ahornsirup, aber der befand sich doch normalerweise in anderen Behältnissen. »Ist selbst gemacht«, erklärte Sam voll unüberhörbarem Stolz.

»Du machst selbst Ahornsirup?«

»Ja. Du nicht?«

»Äh ... nein. Aber ... wenn du die Pancakes darin ertränkst, sind sie nicht mehr gesund.«

»Hä ...« Sam setzte sich, stach mit der Gabel in den Pancaketurm und platzierte gleich drei davon auf seinem Teller. »Welche Ansprüche hast du denn an Pancakes? Die müssen schmecken, nicht gesund sein.« Er schob sich eine Gabel in den Mund und hielt beim ersten Bissen inne. Langsam kaute er weiter, bedacht und beinahe schon vorsichtig. Irgendwann schluckte er, aber er sagte nichts.

»Sie schmecken dir nicht, oder?«

»Doch, sie ... sie schmecken ... interessant.« Er griff nach der Glasflasche, drückte den Deckel auf und kreierte ein Meer aus Sirup auf seinem Teller. Das tat weh ... so richtig weh. Er brachte meine Pancakes um. »Willst du auch?«

Falls du noch was übrig lässt ...

»Nein, danke«, brummte ich. »Ich mag dazu lieber Skyr.« Sam verzog das Gesicht, äußerte sich aber nicht weiter abfällig. Laurie hatte mir das Rezept beigebracht und ich liebte meine Pancakes so. Zugegeben, sein Ahornsirup sah leckerer aus. Aber der war eine Zuckerbombe. Keine Ahnung, woraus genau der überhaupt bestand. Ob der zu Joghurt passte? Vermutlich schon. Hier ertränkten die Leute ja alles in Ahornsirup, wieso also nicht Joghurt? Und ich hatte ja auch schon öfter Hopes Ahornkaffee getrunken, der war schon auch ziemlich zuckerlastig. Das hatte aber bisher nichts ausgemacht, zugenommen hatte ich hier noch kein Gramm. Und vielleicht sollte ich sowieso aufhören, mir darüber so viele Gedanken zu machen. Du musst aber in einer Woche in dieses Kleid passen, Joana! Wie sieht denn das aus, wenn die Tochter von Leonhard Fraser nicht einmal in Größe 36 passt? Und Paul wird das auch nicht gefallen.

Ein Stich durchzuckte mein Herz.

Paul ...

»Sicher nicht?«, fragte Sam auf einmal und ich fuhr hoch. Aus meinen Gedanken, meiner Trance.  Wieder hielt er die Flasche in der Hand, deren Hals jetzt schon vollkommen verklebt war. »Das ist der letzte, und ich kann erst wieder neuen machen, wenn es etwas wärmer wird.«

Shit.

»Nein, danke«, wiederholte ich stark und beobachtete Sam, wie er die letzten beiden Pancakes mit dem letzte Schluck Ahornsirup bedeckte.

You See My HeartWo Geschichten leben. Entdecke jetzt