Er hatte Pizza gebacken. Eine echte Pizza, mit selbstgebackenem Teig und richtig leckerer Tomatensauce. Er hatte sogar darauf verzichtet, alles in Olivenöl zu tränken, weil ich ihn gebeten hatte, es nicht zu tun. Auch mit Salami und Käse hatte er bei meiner Hälfte gespart, weshalb ich mir gutem Gewissen einfach reinhauen konnte.
»Schmeckt es dir?«, fragte er, nachdem ich zum dritten Mal zum Blech gegriffen hatte, um mir ein weiteres Stück zu nehmen. Die Frage konnte wohl kaum sein Ernst sein, wahrscheinlich wollte er nur ein Lob hören oder so. Ich biss in mein Pizzastück, absichtlich desinteressiert.
»Es schmeckt ... okay«, betonte ich zynisch und kapierte in diesem Moment, dass ich damit einen subtilen Angriff gestartet hatte. Sam musterte mich kurz, und ich konnte nur hoffen, dass er nicht kapierte, worauf ich gerade versehentlich angespielt hatte. Dass er mich nur okay fand. Nicht hübsch genug, um mich flachzulegen. Schon klar, auch in Ordnung, trotzdem beleidigend.
Er räusperte sich, nahm einen Schluck Dr. Pepper und griff ebenfalls noch mal zum Blech. »Ich kann dir zeigen, wie du deine Füße tapen kannst.«
»Hä?« Noch weiter konnte man die Themen auch nicht spannen, oder? Was stimmte nur nicht mit dem Typ?
»Wegen der Blasen, mein ich.« Er schluckte seinen Bissen runter. »So kannst du nicht arbeiten. Ich verstehe echt nicht, wieso du nichts gesagt hast.«
Ich senkte den Blick, biss mir auf die Lippe und dachte über eine geeignete Erklärung nach. Irgendwas. Aber mir fiel einfach nichts ein. »Weil ich nicht will, dass du ... Ist auch egal.«
»Dass ich ... was?«
»Dass du mich für eine verwöhnte Göre hältst, die nur teure Klamotten kauft und sich für körperliche Arbeit zu gut ist. Ich will einfach nicht mehr so rüberkommen.« Ich erstarrte innerlich. Wegen meiner Worte und wegen Sams Blick, der nachdenklich auf mir ruhte. Er wirkte völlig gelassen, was mir einigermaßen komisch vorkam, weil in mir alles randalierte.
»Wer sagt denn so was über dich?«
»Niemand. Vergiss es.«
Aber er schien es nicht vergessen zu wollen. Stattdessen sah er mir genau in die Augen, ganz tief, als wollte er versuchen, irgendetwas darin zu erkennen. »Ist in der Stadt irgendwas passiert?«
»Nein.«
»Doch. Sag mir, was es ist.«
»Sam ...«
»Joanie ...«
»Nur, wenn du mir auch etwas verrätst.« Wow. Selbst für mich kam das unerwartet, und in Sams Augen blitzte es amüsiert. Ich schluckte, aus Angst, er würde vielleicht zustimmen. Und natürlich passierte das auch, weil Sam beinahe jedes Mal genau das Gegenteil von dem tat, was ich von ihm erwartete.
»Was willst du wissen, Prinzessin?«
Zum einen, wieso du mich immer Prinzessin nennst?
Wieso du einen Doktortitel hast, für den du dich offensichtlich schämst?
Warum du nicht im großen Haus wohnst?
Was zwischen dir und Jared vorgefallen ist?
Wo du heute warst?
Wieso du nicht in die Stadt gehst?
Was überhaupt so ganz generell dein Problem mit Menschen ist?
Aber am harmlosesten erscheint mir: »Bist du mal Rodeo geritten?« Vielleicht war das doch nicht so harmlos. Der Funke in seinen Augen erstarb, stattdessen flackerte etwas anderes darin auf, und er senkte den Blick. Mir lief ein kurzer Schauer über den Rücken, und gerade als ich, feig, wie ich war, meine Frage zurückziehen wollte, sah er mich plötzlich wieder an.
»Bin ich.«
»Wieso tust du's nicht mehr?«
Jared hatte im Zusammenhang mit Rodeo von einem Abtritt gesprochen, ich war gerade erst hier gestrandet gewesen, aber ich war nicht taub und auch nicht blöd.
»Weil bei Rodeos immer Menschen sind.«
»Was hast du gegen Menschen?«
»Eine Antwort für eine Antwort, Miss Fraser.«
Ich schluckte.
»Okay. Ich habe in der Stadt gehört, wie ein paar Frauen über mich gesprochen haben.« Sams Gesichtsausdruck verdunkelte sich, aber er unterbrach mich nicht. »Sie haben darüber getuschelt, dass du mir die Docs gekauft hast, und ... als sie gemerkt haben, dass ich zugehört habe, haben sie gelacht.«
Mit gerunzelter Stirn sah Sam mich an.
»Das ist aber nicht alles.«
»Nein«, krächzte ich. Es war nicht alles, aber es war alles, was seine Frage als Antwort verlangte. »Es ging eher darum, was sie wahrscheinlich über mich denken.« Keine Ahnung, wieso ich immer noch redete.
»Und was denken sie?«
»Das ich verwöhnt bin ... nur das Geld meines Vaters rausschmeiße ... Er ist ein Anwalt für Stars, wichtige Menschen, reiche Menschen ... und ... alle denken immer, dass ich nie arbeite, nur Geld, das mir gar nicht gehört, zum Fenster rauswerfe, und ...« und ich erzähle gerade viel zu viel. Sam schien das auch zu verunsichern, weshalb er absichtlich deutlich aufstand und zum Kühlschrank ging.
»Willst du noch was trinken?«
»Hast du Bier da?«, platzte es aus mir heraus, obwohl ich nie, wirklich nie Alkohol trinke. Aber gerade könnte ich was vertragen. Darauf kam aber sowieso keine Antwort, was mich irgendwie irritierte. »Sam?«
»Nein«, brummte er. Ohne mir auch eine Dose zu geben, setzte er sich wieder hin. »Ich trinke nicht.«
Okay.
Neue Info.
»Verstehe.«
»Wohl kaum«, murmelte er, und wie aus dem Nichts war die Stimmung zwischen uns wieder ruiniert. Eingefroren. Einfach eiskalt. Was hast du gegen Menschen, wollte ich meine Frage wiederholen, weil ich doch eigentlich wieder dran war, aber ich traute mich nicht.
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You See My Heart
RomanceJoana Fraser braucht eine Auszeit. Von ihren Freunden, ihrer Familie, ihrem Leben, das sie schlichtweg nicht mehr erträgt. Sie flieht also, und sie landet im Outback Kanadas, mitten im Wald, in einer Kleinstadt namens Chester's Creek, wo sie bald ih...