Die Zeit auf der Ranch war wie eine Art Paralleluniversum. Ich stand morgens auf, machte meine Arbeit, ging duschen, essen und ins Bett. Und das alles jeden Tag und dauernd. Es fing nicht an, langweilig zu werden, wie man das vielleicht vermuten würde. Im Gegenteil. Komischerweise wurde es mit jedem Tag besser. Inzwischen schlief ich jede Nacht auf der Couch, weshalb sich der Inhalt meines gesamten Handgepäcks in Sams Wohnzimmer verstreut hatte. Größtenteils bestand der sowieso nur aus Büchern. Mein Laptop und meine Notizhefte türmten sich auf dem Couchtisch. Jeden Morgen kam ich ein bisschen zum Schreiben, weshalb meine Laune auch mit jedem dieser gemütlichen Morgen besser wurde.
Gestern hatte ich sogar einen Pancake gegessen, den Sam gemacht hatte. Er war fettig und heftig in Ahornsirup getränkt gewesen, das schlechte Gewissen war erst hinterher gekommen.
Ich lebte mich immer mehr ein und Sam und ich verstanden uns gut. Wir verstanden uns wirklich, wirklich gut, und inzwischen war ich mir sicher, dass wir Freunde waren. Ich vermutete es nicht nur. Und es war auch nicht nur meine verzweifelte Armseligkeit, die mich das vermuten ließ – Wir waren echte Freunde geworden.
»Sag nicht, er nimmt dich mir weg«, jammerte Laurie in ihr Handy, während sie vor ihrem Badezimmerspiegel stand und ihre neue Frisur betrachtete. Wie immer sah sie phänomenal aus, obwohl sie diesmal nicht ganz zufrieden zu sein schien. »Sicher, dass das gut aussieht?«
»Ja, ganz sicher.«
»Aber ich wollte es eigentlich dunkler.«
»Das Rosa sieht gut aus.« Das fand ich wirklich.
»Und kürzer«, seufzte Laurie deprimiert.
»Laurie, sieh mich an«, befahl ich und verkniff mir das Schmunzeln, das sich auf meine Lippen drängen wollte. Meine beste Freundin grummelte zwar, machte aber, was ich verlangt hatte. »Du siehst super aus. Ganz ehrlich.«
»Okay ...«
Ich lächelte. Das reichte mir schon, und ihr auch. Sie nahm ihr Handy hoch, um ihr Bad zu verlassen und ließ sich damit auf ihre graue Couch fallen. Ein wehmütiges Seufzen entglitt mir. Ich vermisste ihre Couch. »Du vermisst meine Couch«, bemerkte Laurie absichtlich gemein und grinste mich dazu auch noch an.
»Ja«, stöhnte ich. Ich saß gerade auf einem von Sams Barhockern und ließ zur Demonstration meiner Gefühlslage den Kopf auf die Ablage sinken. »Ich will mal wieder ein Couchwochenende haben.«
»Ich auch«, sagte Laurie leise. »Mit dir. Ich vermiss dich.«
»Ich dich auch.« Langsam hob ich meinen Kopf, um wieder in den Bildschirm sehen zu können. Mein Handy lehnte an der Obstschale, in der sich nur noch eine einzige einsame Orange befand. »Ich muss heute noch den Stall ausmisten.« Laurie verzog das Gesicht. »Und Blake braucht neue Hufeisen. Es wundert mich, dass Sam mir das anvertraut hat. Und irgendwie freue ich mich ja auch ...«
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You See My Heart
RomanceJoana Fraser braucht eine Auszeit. Von ihren Freunden, ihrer Familie, ihrem Leben, das sie schlichtweg nicht mehr erträgt. Sie flieht also, und sie landet im Outback Kanadas, mitten im Wald, in einer Kleinstadt namens Chester's Creek, wo sie bald ih...