Kapitel 51

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Dann sagt er mit Nachdruck an Aiden gerichtet: "Ich möchte nun mit Nick sprechen"

Und sein Wunsch ging in Erfüllung. Bevor er ging, hat er sanft meine Hände losgelassen und mir noch kurz ein trauriges Lächeln geschenkt, dann hat er den Raum verlassen.

Ich habe einige Male tief durchgeatmet und versuchte mich so zu beruhigen. 

Erst als Ethan sich räuspert, löse ich mich aus meiner Starre. Schnell beginne ich, die Abwaschmaschine einzuräumen.  "Du solltest in dein Zimmer gehen.", meint Ethan angespannt. Unsicher lege ich noch das dreckige Messer in die Maschine. Dann schaue ich fragend den dreckigen Topf an, der mitten auf dem Tisch steht. "Geh in dein Zimmer, wir kümmern uns drum.", sagt er. 

Mit einem leisen "Danke", verliess ich den Raum und legte mich auf mein Bett. Und da liege ich nun. In meinen Gedanken und in meiner Angst verloren, was wenn Benjamin Nick sagt, was in der Serviette war? Was, wenn Aly herausbekommt, dass es jemand herausgefunden hat? Was wird sie mir antun? Was soll ich sagen, wenn Nick mich sprechen will?

Es klopft an der Tür. Ich atme tief durch, um mich zu fokussieren. "Ja", antworte ich dann. Eine andere Wahl habe ich ja nicht. 

Ethan kommt rein. "Darf ich mich setzen?", fragt er unsicher. Er spricht deutsch. Zuerst sehe ich ihn verwirrt an, nicke dann aber.

Er setzt sich auf mein Bürostuhl. Unruhig kaue ich auf meiner Lippe rum. "Weisst du, warum wir damals bei Benjamin so geschockt reagiert hatten, als du aus dem Pool gestiegen bist?", fragt er mich ohne mich anzusehen. "Nein.", antworte ich einfach. Ihre Reaktion hat mich damals recht verunsichert. "Deine Kleider haben an deinem Körper geklebt, dadurch konnten wir deine Körperstatur sehen. Wir konnten sehen, wie dünn zum Beispiel deine Beine wirklich sind, wenn sie nicht hinter einer weiten Hose versteckt sind. Und das hat uns geschockt. Wir beide wussten, dass das, was wir sahen, viel dünner ist, als was es sein sollte. Es tut mir Leid, ich habe meine Pflicht vernachlässigt, ich habe vergessen mit Nick darüber zu sprechen. Ich habe mich nicht getraut, es bei dir anzusprechen, weil ich nicht wusste wie. Es tut mir Leid, okay?", meint er und schaut mich reuevoll an.

Daran hatte ich damals gar nicht gedacht. Schisse, sie haben wirklich gesehen, wie fett ich bin! Und ich habe es nicht mal kapiert. Und jetzt schwafelt er irgendwas von zu dünn und blablabla, aber ich... Mist! 

"Ah...", sage ich nur total verunsichert. 

Laute Stimmen nähern sich meinem Zimmer. Ängstlich schaue ich zur Tür. Es klopft und kurz darauf wird eingetreten. Ohne auf meine Zustimmung zu warten. Ich merke, wie mich dieses Verhalten immer mehr nervt. Sie respektieren mich und meine Privatsphäre nicht. "Ja", antworte ich als Antwort, dass der an die Tür klopfende Eintreten kann und ignoriere, dass Nick schon in meinem Zimmer steht. "Dann möchte ich mich halt nur noch kurz von ihr verabschieden.", seufzt Benjamin ein bisschen genervt. 

Nick öffnet die Tür wieder und lässt Benjamin eintreten. Dieser kommt direkt auf mich zu, lächelt mich kurz angespannt an und drückt mir unauffällig einen Zettel in die Hand, dann umarmt er mich und flüstert mir leise ins Ohr "Auf dem Zettel steht meine Nummer. Ruf mich an, wenn du etwas brauchst oder auch nur jemandem zum Reden. Du schaffst das, viel Glück." 

Oh-oh, das macht mir Angst, ist Nick wirklich so wütend, dass ich Glück brauche?   "Tschüss", meint Benjamin an alle gerichtet und verlässt dann mein Zimmer. Niemand von uns reagiert. Ich bin zu konzentriert meine Nerven zu beruhigen, Ethan beobachtet mich besorgt und Nick scheint zu wütend auf Benjamin zu sein. Um nicht unhöflich zu sein, murmle ich ein leises "Ciao", obwohl Benjamin schon weg ist.

"Okay Louisa, ich werde dir mal erzählen, was mir Benjamin gesagt hat. Obwohl, vielleicht willst du mir zuerst erzählen, was los ist?", als ich zwei Sekunden lang nichts sage, fährt er wütend fort. "Benjamin wollte bei dieser Konversation dabei sein, ich hab ihn aber weggeschickt. Der meint wohl auch, er wisse alles besser. Benjamin hat gemeint, du essest zu weinig und du seist zu dünn. Was meinst du dazu?", fragt er mich und schaut mich auffordernd an.

"Ich, eh, glaube nicht, dass ich zu dünn bin... Oder zu wenig esse.", stottere ich. Das wird ein anstrengendes Gespräch. "Gut, wie ich es erwartet habe. Dann ist ja alles gut.", meint er und will das Zimmer verlassen.

Ethan wirft mir einen entschuldigenden Blick zu, als er aufsteht und Nick auffordert zu bleiben. "Benjamin hat recht.", meint Ethan ruhig. "Sie ist zu dünn, wir haben es beide gesehen. Wir alle wissen, dass etwas nicht stimmt. Sie isst zu wenig. Verschliesse nicht deine Augen vor der traurigen Tatsache. Mensch Nick, du bist für sie verantwortlich!" "Sie ist auch für sich verantwortlich, wenn sie findet, alles ist gut, dann glaube ich ihr." meint Nick achselzuckend. Da reisst Ethan der Geduldsfaden. "Wir unterhalten uns draussen.", meint er mit einem Seitenblick auf mich zu Nick. Er zuckt mit den Schultern und lässt sich rausführen. Ich höre nur gedämpft, wie sie laut miteinander sprechen. Eine dritte Stimme kommt hinzu und kurz darauf klopft es an meiner Tür. Diesmal habe ich Zeit zum antworten und erst dann tritt Jack ein. 

Er setzt sich zu mir aufs Bett und legt einen Arm um meine Schulter. Sanft drückt er einen Kuss auf meine Stirn. Die Stimmen draussen werden lauter. "Schön hast du aufgeräumt", lenkt mich Jack von den Stimmen ab. Ich lächle nur leicht als Antwort. "Wenn du irgendetwas möchtest für dein Zimmer, kannst du es sagen, dann können wir es besorgen. "Danke Jack", antworte ich leise. Ich bin zu nervös, um sein Angebot wirklich zu schätzen.

Es folgt eine kurze Stille, bevor die Tür geöffnet wird. "Komm, Louisa", sagt Nick seufzend. Ethan steht mit verschränkten Armen und sieht in wütend an. Ich folge meinem Bruder ins andere Badezimmer. Dort zieht er eine Wage unter dem Waschbecken hervor. "Socken, Pullover und Hose ausziehen und dann draufstellen", ordnet er mir trocken an.

Was? Ich soll mich ausziehen, wenn er im gleichen Zimmer steht?! Niemals! Unsicher beisse ich auf meiner Lippe rum. Er wird sehen, wie fett ich bin! Er wird nicht nur die Zahlen auf der Wage sehen, sondern auch mein Fett! Als ich keine Anstalten mache, seiner Aufforderung nachzukommen, drängt er mich weiter. "Wirds bald?!" Tränen der Verzweiflung treten mir in die Augen. "Bitte nicht.", flehe ich ihn mit weinerlichen Stimme an. Diese Wörter haben all meinen Mut gekostet, schliesslich habe ich ihm widersprochen. Er wendet sich von mir ab. "Jaaack", ruft er laut. Kurz darauf streckt Jack seinen Kopf durch die Tür rein. "Kannst du bitte schauen, dass sie sich in der Unterwäsche auf die Wage stellt, ich hab echt keine Geduld mehr."

Jack nickt. "Was ist los, Louisa?", fragt er. Als er meine verweinten Augen sieht, breitet er die Armen aus und zieht mich in eine Umarmung. Natürlich zucke ich zusammen.

"Hör zu, es ist wirklich wichtig, dass du dich auf diese Wage stellst. Nick muss nur kurz überprüfen, ob alles in Ordnung ist mit deinem Gewicht. Er wird uns auch nicht sagen, wie viel du wiegst, das wird euer Geheimnis sein. Aber es ist notwendig für deine Gesundheit." Ich schüttle nur den Kopf. 

"Kannst du mir sagen, was so schlimm ist für dich?", fragt Jack sanft. Er hat sich mit mir auf den Badewannenrand gesetzt. Wieder treten mir die Tränen in die Augen. Ich werde sicher nicht mit ihm darüber sprechen. Nach einer langen Stille seufzt Jack: "Ich wünschte, du könntest dich öffnen und erzählen, was du fühlst, aber ich verstehe, dass es dir schwer fällt. Und in der letzten Zeit ist wirklich einiges passiert, dass nicht hätte passieren sollen. Aber dies können wir nun leider wirklich nicht ändern. Wenn du dich draufstellst, können wir uns nachher zusammen einen Film anschauen, deal?", fragt er.

Wieder schüttle ich den Kopf. Unter keinen Umständen werde ich auf die Wage stehen. Sie dürfen nicht wissen, wie fett ich bin. "Und?", Nick streckt seinen Kopf rein, er ist wütend, als Jack sanft den Kopf schüttelt. "Das kann doch nicht sein, dass man so ein Theater macht, wegen einer solchen Kleinigkeit", schreit er mich beinahe an. Er kommt auf mich zu und baut sich vor mir auf. 

"Ausziehen, sofort und auf die Wage stellen!", Ängstlich komme ich langsam seiner Aufforderung nach, was, wenn er etwas Schlimmeres macht? Jack schüttelt nur den Kopf und verlässt das Badezimmer.

Zögerlich stelle ich mich vor die Wage. Als Nick schnaubt, gebe ich mir einen Ruck und stehe auf die Wage.

Nick stellt sich neben mich, zieht scharf Luft ein, schaut mich entsetzt an und verlässt den Raum.

Tränen laufen über meine Wangen. Ich bin zu fett!

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