Kapitel 36

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Am nächsten Tag geschah etwas Unerwartetes. Nick ist noch zuhause, als ich aufstehe. Die Zimmertür von Mom ist offen und irgendwie ist eine Hektik spürbar.

"Was ist los?", frage ich als ich Nick in der Küche antreffe. "Mom gehts nicht gut.", meint er nur und durchsucht weiter den Küchenschrank. Ich wickle meinen Cardigan enger um mich.

"wo sind die nur hin.", murmelt Nick. "Kann ich was helfen?", frag ich zögerlich. "Geh zu Mom. Tu was sie sagt." Ich nicke und gehe ins Zimmer meiner Mutter. Sie liegt im Bett und sieht blass aus. Wirklich blass.

Langsam gehe ich auf sie zu. "Hallo", sage ich leise, als ich sehe, dass sie mich anschaut. "Hallo.", sagt sie freundlich. Verwirrt blicke ich sie an. "Hör zu, es tut mir leid, wie ich dich behandelt habe, ich werde mich bessern, wirklich."

"Wie geht es dir?", frage ich ohne darauf einzugehen. Ich bin zu verwirrt von ihren Worten. "Nicht sehr gut.", sie deutet mir an näher zu kommen. "Ich werde sterben", flüstert sie mir ins Ohr nachdem sie sich vergewissert hat, dass niemand zuhört.

"Nein, nein das stimmt nicht oder?", frage ich verzweifelt. Ich habe kein gutes Verhältnis zu ihr, sie ist aber trotzdem meine Mutter. "Nick ist mir am Tabletten zusammensuchen, aber ich mag die nicht mehr schlucken, bringt eh nichts. Komm, meine Tochter, setz dich."

Meine Tochter! Sie hat mich meine Tochter genannt! Bei diesen Worten treten mir die Tränen in die Augen. Meine Mutter sieht es und streicht mir sanft über die Wange. In diesem Moment kommt Nick mit unterschiedlichen Tablettenverpackungen rein. Er schaut zuerst mich und dann Mom prüfend an. "Ich muss neue Tabletten holen. Kann ich euch alleine lassen?", fragt er und gibt uns wieder beiden einen prüfenden Blick. "Ja", sagen Mom und ich synchron.

Ich schaue Mom lange an. "Brauchst du was?", frage ich schliesslich. "Dich", antwortet sie. "Hör zu, es tut mir wirklich leid." "Alles gut.", antworte ich. Daraufhin schliesst sie die Augen und schläft ein. Auch ich schliesse die Augen und bin kurz darauf weg.

Als die Eingangstür sich öffnet schrecke ich hoch. "Alles gut, ich bins nur.", meint Nick, der wahrscheinlich meinen erschreckten Blick gesehen hat. "Huh.", wacht nun auch Mom auf.

"Was macht denn das hässliche Wesen in meinem Bett?", fragt sie und schaut dabei mich an. Ich dachte sie hat sich entschuldigt... "Mom, das ist deine hübsche Tochter Mirja.", meint Nick und legt mir einen Arm um die Schulter. Ich spüre seinen Blick auf mir, doch ich blicke weiterhin auf den Boden. Nick seufzt.

"Mom, hier sind deine Tabletten." "Will sie nicht nehmen.", meint sie trotzig. "Mom, es geht nicht ums wollen oder nicht wollen. Es ist Müssen, okay. Eins, zwei drei, dann ist es durch.", meint er ungeduldig. Ich werfe ihm einen beschwichtigten Blick zu. Er seufzt nochmals und verlässt dann das Zimmer. "Mirja, schau, dass sie die Tabletten nimmt." ruft er noch zu. Mom wirft die Tabletten unters Bett und sieht mich dabei warnend an. "Wehe du sagst ihm was, dann kannst du was erleben. Ich könnte Nick zum Beispiel zeigen wie fett du bist, dann wird er dich sicher in eine Klinik senden, oder ich kann ihm von deinem Männerbesuch von letzter Woche erzählen...", knurrt sie. Erschrocken schüttle ich den Kopf und sage ich würde es nicht tun. Dass mich Nick in eine Klinik sendet, kann ich nicht zulassen. Auch darf niemand erfahren, dass Ali letzte Woche den Mann in mein Zimmer gebracht hat... 

Mom nickt beruhigt und legt sich wieder hin. Ich schleiche mich nach einiger Zeit aus dem Zimmer und bereite das Mittagessen vor. Nach einer Stunde ist die Lasagne fertig. Ich gehe zu Mom ins Zimmer und sehe, dass sie aufgewacht ist. "Hallo Mom. Hast du hunger?", frage ich. Sie nickt und setzt sich auf. Als sie aufsteht hält sie sich an mir fest, ob es ein gutes oder ein schlechtes Zeichen ist weiss ich nicht. Jedenfalls freue ich mich, dass sie zum ersten Mal meine Hilfe beansprucht.

Nick ist auch schon bereits in der Küche, hat wohl gerochen, dass es Essen gibt. Zusammen essen wir schweigend.  Dabei gehen mir immer wieder Moms Worte durch den Kopf: Ich werde sterben...

Den ganzen Nachmittag habe ich bei meiner Mutter am Bett verbracht. Meistens schlief sie, manchmal redete sie etwas verwirrt und schlief meistens gerade wieder ein. Am Abend sitzt die ganze Familie bei Mom im Zimmer. Ich durfte mich als einzige auf dem Bett neben Mom niederlassen. Die ganze Zeit schon erzählen Michael und Mason Witze, die jedoch nicht besonders lustig sind. Niemand lacht und die Stimmung ist ziemlich angespannt.

Plötzlich fängt Mom stark an zu husten. Nick ist sofort neben Mom und schubst mich dabei vom Bett. Schnell setzt er sie  auf. Jack kniet sich sofort neben mich. "Alles gut?", fragt er leise. Ich reibe mir mein Knie. Das wird einen blauen Flecken geben. Ich nicke und drehe mich um, dass ich sehen kann was Nick macht. Mom hat nun aufgehört zu husten. Sie faselt verwirrtes Zeug. Jack zieht mich ein bisschen weg und hilft mir mich auf seinen Stuhl zu setzen. Als er sich vergewissert hat, dass er mich alleine sitzen lassen kann, kniet er nochmals runter und greift unters Bett. Mir stockt der Atem. Die Tabletten! Mom hat sie unters Bett geworfen anstatt genommen. Jack untersucht sie, obwohl er genau weiss, was es ist.

Er wirft Mom einen Blick zu. "Was soll das?", knurrt er. "Du weisst genau, wie gefährlich es ist, wenn du die Tabletten nicht nimmst. Du weisst was alles passiert! Mann, wie oft haben wir dieses Theater schon durchgespielt und dir erklärt, dass du diese Pillen nehmen musst?!", Jack wird mit jedem Wort lauter, bis er seine Mutter anschreit. Dann atmet er durch und wendet sich an seinen älteren Bruder: "Nick hast du nicht geschaut, dass sie die Tabletten nimmt?" Nervös knete ich meine Finger. Nick hat mir aufgetragen, zu kontrollieren, dass Mom die Tabletten nimmt. Als Nick erkennt, dass Jack Moms Tabletten hat, schaut er mich wütend an. Schnell beschliesse ich, zu fliehen. "Muss zur Toilette.", rattere ich runter und renne in die Sicherheit. Dort schliesse ich die Tür schnell hinter mir ab und lasse mich an der Tür heruntergleiten. Tief durchatmend versuche ich mich zu beruhigen. Dies funktioniert aber nicht lange, denn kurz darauf klopft jemand wütend an die Tür: "Mirja aufmachen!"

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