Kapitel 52

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Jack's Sicht

Nick stürmt an mir vorbei aus dem Badezimmer, er sieht verletzt und aufgebracht aus. Bevor ich ihn fragen kann, was passiert ist, poltert er bereits die Treppe runter und die Haustür fällt mit einem lauten Knallen ins Schloss.

Von drinnen höre ich leises Schluchzen. Meine Louisa. Ich spüre einen Stich in meinem Herzen. Sie macht gerade eine schwere Zeit durch. Mann, wie muss sie sich fühlen?! Nick schreit sie an und verlässt dann, ohne wahrscheinlich ein Wort zu sagen, den Raum. Sie muss komplett verwirrt sein. Und genauso ist es. Als ich das Badezimmer betrete, sehe ich meine Schwester hilflos im Raum rumstehen. Sie hat sich neben die Waage gestellt, Tränen ohne Ende fliessen in kleinen Bächlein über ihre Wangen. Mir bricht es fast das Herz sie so zu sehen. Bis jetzt hat sie mich noch nicht bemerkt. Sie steht immer noch nur in Unterwäsche da. Kurzerhand greife ich nach einem Bademantel und lege ihn sanft um sie. Ich weiss, dass es ihr sicherlich unangenehm ist, so entblösst vor mir zu stehen.

Sie zuckt stark zusammen, als ich ihr den feinen Stoff über die Schultern lege. Sie zuckt seit längerer Zeit immer zusammen, sobald man ihr ankommt. Nur kleine Berührungen, eine Umarmung, eine Hand auf die Schulter oder einen Kuss auf die Stirn bringen sie zum Zusammenzucken. Einmal werde ich sie fragen, weshalb das so ist. Aber momentan haben wir noch ein ganz anderes Problem zu klären... 

"Komm her", sage ich sanft auf Deutsch. Es ist mir wichtig, dass sie alles versteht. Sie macht zwar enorme Fortschritte im Englisch, aber dennoch versteht sie noch nicht alles. Und jetzt ist es wichtiger, dass sie mich versteht, anstatt ihren englischen Wortschatz zu erweitern.

Sie rührt sich nicht vom Fleck. Ich sehe, wie sie versucht gegen die Tränen anzukämpfen, jedoch ohne Erfolg. "Alles wird gut", murmle ich leise in ihre Haare. Ich drücke sie fest an mich. Ich merke, wie sie versucht gegen die Umarmung anzukämpfen, jedoch ohne Erfolg. Ich bin natürlich viel stärker. Schliesslich gibt sie auf. Sie schluchzt immer lauter, ich merke, wie ihre Kräfte sie verlassen und als ihre Beine unter ihrem Gewicht nachgeben, trage ich sie in ihr Zimmer. Sie ist zu leicht, viel zu leicht! Im Flur begegnen wir Mason, der mir einen besorgten Blick zuwirft. 

In ihrem Zimmer angekommen, setze ich sie auf ihr Bett und mich daneben. Ihre Tränen haben noch nicht aufgehört zu fliessen. "sorry", murmelt sie leise. "Es tut mir so leid."

Ich seufze. "Du musst dich für nichts entschuldigen", meine ich und lege einen Arm um ihre Schulter. Mich wundert es dennoch, was in ihrem Kopf vorgeht. Deshalb frage ich sie nach einiger Zeit: "Warum hast du das Gefühl, dich entschuldigen zu müssen?"

Louisa's Sicht 

Warum ich mich entschuldigt habe? Für verschiedene Sachen: für mein ständiges Weinen, für meine Schwachheit, dass er Zeit mit mir verbringen muss und definitiv dafür, dass ich zu fett und dementsprechend auch zu schwer bin. Aber ich werde ihm garantiert keinen von meinen Gründen nennen. Auch wenn ich damit gegen Alys Regeln verstosse. "Für alles", antworte ich einfach. 

Ich merke, wie Jack mit dieser Antwort nicht zufrieden ist, wäre ich ja auch nicht. Trotzdem scheint er zu merken, dass ich heute Abend die Kraft nicht mehr habe, um über meine Gedanken zu sprechen. 

" Magst du noch den Film schauen oder möchtest du lieber schlafen? Es würde mich freuen, noch einen Film mit dir anzusehen." Erstaunt schaue ich ihn an, warum will er freiwillig Zeit mit mir verbringen? "Magst du?", fragt er nochmals, als ich wahrscheinlich zu lange nicht geantwortet habe. "Mhm", nicke ich leicht. 

Er verlässt mein Zimmer, damit ich mich anziehen kann. Ich beschliesse, gleich mein Pyjama anzuziehen, da ich nachher sowieso direkt ins Bett gehen werde.

Ob er wohl gelogen hat, dass er den Film gerne mit mir anschauen will...? Ich meine, wer würde schon freiwillig mit mir auf einem Sofa sitzen wollen und sich einen Film reinziehen? Zögernd gehe ich die Treppe runter ins Wohnzimmer. Ich bin überrascht, als ich nicht nur Jack dort sitzen sehe sondern auch Mason und Ethan. Alle sitzen auf dem Sofa und scheinen besorgt über etwas zu diskutieren, bis Mason die anderen auf mich aufmerksam macht. Na toll, jetzt zwinge ich sie auch noch dazu ihr Gespräch zu unterbrechen! Ihre Diskussion war sicher tausend Mal wichtiger als ich... Jack rutscht zur Seite und klopft auf den Platz neben sich, zwischen ihm und Ethan. Unsicher nehme ich den mir zugewiesenen Platz. 

"Welchen Film möchtest du schauen?", fragt mich Mason. Da ich nicht weiss, was die anderen gerne schauen möchte, sage ich leise, dass es mir egal ist. Michael kommt ins Wohnzimmer reinspaziert und ruft irgendeinen Filmtitel, den ich erstens nicht mal verstehe und zweitens keine Ahnung habe, um was es in diesem Film geht. "Ist das okay für dich Lisa?", fragt Ethan. Ich sehe, dass er von Michaels Vorschlag begeistert ist, aber mir trotzdem die Wahl überlassen will. "Natürlich", sage ich und versuche fröhlich zu klingen, was mir deutlich missfällt, aber egal. Michael ist glücklich und installiert den Film. "Und hier noch das wichtigste, die Snacks, meint Noah aus der Küche. "Gib mal rüber", ruft Jack seinem jüngeren Bruder mit einem Seitenblick auf mich zu. "hier, sichere dir mal deine Snacks, nachher ist alles weg." "Hab keinen Hunger mehr, danke", sage ich leise, so dass es nur Jack hören kann. Jack nickt nur und beigt sich eine ordentliche Portion auf eine Serviette, reicht dann die Serviette mir rüber und beigt eine noch grössere Portion auf eine andere, dann gibt er die Schüssel zurück an Noah. Verwirrt halte ich die Serviette mit den vielen ungesunden Sachen Ethan hin. "Das ist für dich Lisa", meint Ethan und erklärt dann: "Essen ist das wichtigste beim Film schauen."  

Der ganze Abend ist super, der Film ist nicht mal so schlecht und obwohl ich nicht wollte, habe ich schon drei Mal eine Hand voll Popcorn in meinen Mund geworfen. Alles in allem ist es ein wundervoller Abend. Bis Nick nach Hause kommt und ihn zerstört. Nur wenige Worte reichen und die ganze Angst, die ich vorher im Badezimmer verspürt habe ist wieder zurück. Meine Brust zieht sich zusammen und ich habe Mühe mit dem Atmen. Und alles nur, weil Nick mich ernst anschaut und sagt: "Wir müssen reden."

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