Kapitel 43

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"Hör jetzt auf mit dem Gezappel", meint Nick gereizt. "ich geh hoch.", kündige ich leise an und verschwinde, ohne etwas gegessen zu haben nach oben.

Dort hole ich meine Klinge und lenke mich von allem ab.

Ich bin nicht gerne hier.

Ich habe nichts mehr.

Alles wird mir genommen - sogar meine Identität.

Niemand weiss wer ich bin, nicht mal ich selber. 

Ich bin ein Niemand.

Leise schluchzend erhält mein Arm immer mehr rote Striche, die nehme ich jedoch nicht richtig wahr. Alles ist durch die Tränen so verschwommen. Als ich nur noch rot sehe, lasse ich die Klinge fallen und stütze mich schwer atmend am Lavabo fest.

Ich bin Nichts. Nichts wert. Niemand mag mich. Niemand mag mich, wie ich bin. Meine Hände gleiten am Waschbecken runter und mit einem leichten Knall schlage ich auf dem Boden auf. Stumm rollen immer mehr Tränen über meine Wangen. Ich bin nutzlos. Mom wäre enttäuscht von mir. 'sie ist enttäuscht von dir', korrigiert eine Stimme. Eine unbekannte Stimme. Erstaunt schaue ich mich um, doch da ist niemand. Ein gemeines Lachen ertönt. Erschrocken sehe ich in die andere Richtung, doch auch hier ist nichts. Fluchtartig stehe ich auf, wische schnell die Sauerei auf und renne nach unten, nachdem ich mir den dicken schwarzen Pullover übergestreift habe. 

Meine Brüder sitzen alle noch am Tisch und schauen mich erstaunt an, als ich aufgelöst nach unten renne und mich hinter den Stuhl vom Aiden stelle.

"Was ist los?", fragt Mason alarmiert. Sofort ist er aufgesprungen und schaut in die Richtung, von der ich komme. Doch ich bleibe einfach stumm und schaue verängstigt hin und her. Die Stimme ist weg. Auch Michael ist aufgestanden, er kommt auf mich zu und nimmt mich sanft in den Arm. Ich zucke fürchterlich zusammen. Er flüstert mir leise etwas ins Ohr, ich kann mich jedoch darauf nicht konzentrieren. Immer wieder sehe ich mich um, ob da nicht wirklich jemand ist. Aber niemand scheint etwas ungewöhnliches zu sehen. Sogar Mason verlässt langsam seine Stellung und dreht sich zu mir um. "Eh Mirja, muss ich meine Position noch halten, oder ist alles in Ordnung?" Ich zucke nur mit den Schultern. "Louisa", brummt Nick. 

"L. und ich gehen raus.", meint Michael und zieht mich mit sich. Wer ist denn L.? Verwirrt lasse ich mich von ihm mitziehen. Michael setzt mich sanft auf die Treppe und stellt mir Schuhe vor meine Füsse. Langsam ziehe ich sie mir an.

Als wir beim Strand ankommen, schiebt mich Michael leicht gegen rechts und setzt mich auf eine Bank. Die Bank ist wunderschön gelegen. Man sitzt leicht oberhalb und kann gut auf die Leute am Strand schauen. Eine wunderbare Aussicht. Beruhigend atme ich aus. Das ist es, was ich gerade brauchte- eine weite perspektive. 

Nach einiger Zeit räuspert sich Michael. "Mirj... L.... Mir ist aufgefallen, dass du vorhin recht verwirrt wirktest. Ist etwas passiert?"

"es ist etwas passiert, aber ich werde nicht darüber reden.", meine ich kurz und ehrlich.

"Ich glaube, du solltest dich jemandem anvertrauen. Du solltest mit jemandem über deine Gefühle sprechen. Aus meiner Sicht geht es dir nicht mehr gut. Und das tut mir weh. Du bist meine Schwester L.. Ich liebe dich. Es ist für niemanden leicht, was momentan passiert. Ich bitte dich, irgendwem mitzuteilen, wie es dir geht."

"Es spielt keine Rolle, wie es mir geht." murmle ich leise. "Wie geht es dir M.?"

"M.?"

"Dein Spitzname"

"L., es geht hier nicht um mich. Ich mach mir sorgen um dich."

"Wieso soll ich dir erzählen, wie es mir geht, wenn du es mir nicht erklärst?"

Michael seufzt. "Du hast recht. Bei uns spricht man aber selten über Gefühle. Ich bin nicht gut drin. Aber ich kann dich verstehen, dass du mir nicht sagen willst, wie es dir geht, wenn wir es nicht tun." Er atmet tief durch und fährt dann fort. " Also, ich bin ein bisschen überfordert. Es ist gerade ein bisschen zu viel für mich. Und ich hoffe, dass bald alles wieder ein bisschen ruhiger wird und dass wir wieder einen normalen Alltag führen können. Ich vermisse Mom. Sie fehlt. Einfach alles an ihr fehlt. Niemand wird sie je ersetzen können. Erst ist unser Vater weggegangen und nun auch Mom. Wir sind ohne Eltern jetzt Mirja. Wir haben keine Eltern mehr!"

Er ist aufgestanden und hat sich mit dem Rücken gegen mich gestellt. Ich sehe, er tief einatmet um sich zu beruhigen. Wir sind ohne Eltern. Was soll ich tun? Michael ist auch traurig, er kommt momentan auch nicht zurecht. Und alles dreht sich um mich? Wieso? Ich bereite ihnen noch zusätzlichen Stress. Ich bin eine Last für sie. Nicht nur für sie...

Michael hat sich nicht gerührt. Langsam gehe ich auf ihn zu und lege ihm eine Hand auf seine Schulter. Er zuckt leicht zusammen, fasst sich aber gleich wieder. Er streicht mir leicht über die Wangen und zieht mich dann in eine feste Umarmung. Eine solche haben wir gerade gebraucht. Lange stehen wir einfach da, dicht zusammen, eng umschlungen und von der Aussenwelt abgeschnitten. 

"L. es ist okay zu weinen, du musst es nicht zurückhalten, wein dich aus.", flüstert er mir sanft ins Ohr und drückt mich fester an seine Brust. "Wer weint ist schwach, du bist schwach. Er lügt, weinen ist nicht okay." Entgegnet die Stimme. Sie ist wieder hier... "M. können wir nach Hause?", flüstere ich verängstigt. Was macht die Stimme hier? 

Zuhause angekommen, gehe ich schnell in mein Zimmer.  Wer ist die Stimme? und warum sagt mein Bruder etwas anderes als die Stimme? Lügt mein Bruder etwa?


Hallölle

Es tut mir schrecklich leid, dass so lange nichts mehr kam... Aber nun ein kurzes neues Update. 

Bis bald :)

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