Kapitel 31

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"Was ist mit deiner Wange passiert?", keucht er erschrocken.

"Ich ehm ich, es ist ein bisschen peinlich...", murmle ich unsicher, was ich sagen soll. Die Wahrheit werde ich ihm sicher nicht erzählen, das steht fest. "es ist beim duschen passiert.", plappere ich weiter. Es muss ja einfach überzeugend sein. "Beim duschen?", fragt er verwirrt. "Ja, da hab ich so eine Shampooflasche genommen. Also besser gesagt, ich wollte sie nehmen, aber sie ist mir aus den Händen gefallen auf meine Wange. Dann hat es geschmerzt.", der letzte Satz ist nicht gelogen. Immerhin. "Aha. Zeig mal." Sanft dreht er meinen Kopf so, dass er meine Wange untersuchen kann. "Warte hier, ich hole dir etwas zum Kühlen.", mit diesen Worten verlässt er sein Zimmer. Er verbringt schon wieder zu viel Zeit mit mir! Mom bräuchte ihn mehr. Sie muss ins Heim, wegen mir. Vielleicht kann ich ja etwas tun, damit sie nicht ins Heim muss.

"Leg dich hin.", befiehlt mir Nick in einem sanften Ton. Zuerst will ich reklamieren, erinnere mich dann aber an die Worte vom Mann. Er hat gesagt, ich soll nicht widersprechen. Gehorsam lege ich mich auf sein Bett. "Achtung kalt", warnt mich Nick und legt gleich darauf etwas eiskaltes auf meine Wange. Ich wimmere kurz auf. "Alles gut.", beruhigt er mich.

"Warum muss Mom ins Heim?", greife ich das Thema nach einer kurzen Stille wieder auf. Nick seufzt. "Sie kann dort besser gepflegt werden.", erklärt er mir und spielt dabei mit meinen Haaren. "Ich könnte sie hier pflegen.", schlage ich ihm vor. "Das ist sehr lieb von dir.", er lächelt mich liebevoll an. "Aber ich weiss, dass Mom dich nicht gut behandelt. Deshalb möchte ich dich nicht zu lange mit ihr alleine lassen." Tut ihr doch jetzt schon, denke ich. "Mom behandelt mich gut.", reklamiere ich. Wenn Mom erfährt, dass meine Brüder denken, sie behandle mich nicht gut, wird sie wütend. Und sie soll nicht wütend werden. Nick wirft mir einen vielsagenden Blick zu. "Wie wird man sie im Heim pflegen?", frage ich weiter. "Gut, sehr gut.", antwortet er mir seufzend. Ich glaube, ihm gefällt das Thema nicht sehr. "Ja, aber was machen sie mit ihr, was sie hier zuhause nicht macht?", hake ich nach. "Man wird ihr helfen beim aufstehen, beim frühstücken, man wird sie unterhalten und mit ihr Spiele spielen, weiter wird das Pflegepersonal sie jeden Tag durchkecken, um zu kontrollieren, ob sich etwas an ihrem Gesundheitszustand verändert." "Bitte Nick, überdenke es nochmal.", bitte ich ihn. "Ich kann auch Spiele spielen, ich kann auch Frühstück und das Mittagessen vorbereiten. Ich kann mit ihr sprechen. Ich könnte mit ihr rausgehen, wenn ihr mich rauslassen würdet, ich könnte...", "Leg dich wieder hin.", Nick drückt mich sanft wieder aufs Bett. Während meiner Rede habe ich mich aufgesetzt. Er nimmt den Kühlbeutel, der runtergefallen ist und legt ihn wieder auf meine Wange.

"Ich weiss, dass du das könntest. Aber ich will es nicht.", erklärt er. "Aber Nick, bitte, ich habe ja nichts zu tun hier!", bearbeite ich ihn weiter, Mom hier zu behalten. "Mirja, ich habe es entschieden.", sagt er ernster. "Bitte, überlege es dir nochmals", bitte ich. "Genug!", ich zucke ab seinem harschen Ton zusammen. Er schaut aus dem Fenster und atmet tief durch. "Es ist auch nicht einfach für mich, meine Mutter, die ich mein ganzes Leben lang gekannt habe und mit ihr gewohnt habe an einem anderen Ort leben zu lassen. Das wäre wie, wenn wir dich noch einmal aufnehmen müssten. Eine solche Veränderung ist das für uns!", erklärt er aufgebracht. Er weiss gar nicht, wie sehr mich seine Wort verletzen. Er tut so, als hätte ich keine Ahnung. Das habe ich auch nicht, aber trotzdem. Ich gehöre nicht hier her. Ich stehe auf, lege das Kühlkissen neben ihn und verlasse das Zimmer. "Tut mir leid, dass ich egoistisch war.", entschuldige ich mich kleinlaut und will in mein Zimmer. "Mirja, komm jetzt sofort hierher!", knurrt Nick. Wieder zucke ich zusammen. Was ist denn mit ihm heute los? Ängstlich setze ich mich neben ihn. "Hinlegen", knurrt er, widerstandslos lege ich mich das dritte Mal heute auf sein Bett. "Ich will, dass du dich da nicht einmischt. Ich habe entschieden und ich werde meine Entscheidung nicht ändern. Hast du verstanden?", fragt er. Ich nicke eingeschüchtert. "Ob du verstanden hast?", fragt er lauter. "Ja", gebe ich weinend von mir. Es wird mir alles zu viel! "Na wer schreit denn hier so?", kommt erstaunter Ethan rein. Nick und ich bleiben still. Dann streicht mir Nick über den Kopf, wieder zucke ich zusammen. "sorry", meint er flüsternd und geht zur Tür raus. "Was ist passiert", fragt Ethan und setzt sich neben mich aufs Bett. "Ich möchte alleine sein.", weiche ich der Frage aus. Ethan seufzt und legt sich neben mich aufs Bett. "Weshalb kühlst du deine Wange?", fragt er sanft. "Bitte", füge ich hinzu. "Na gut. Bin ja schon still.", meint er. Schweigend liegen wir nebeneinander.

"Weisst du es schon?", unterbreche ich die drückende Stille nach einigen Minuten. "Ich wusste, dass du mit mir darüber reden willst.", meint er sanft. "Was soll ich wissen?", fragt er dann. "Das mit Mom.", durfte ich es ihm sagen? "Mirja, du musst mir schon genauer erklären, was du mir sagen willst.", schmunzelt er. "Es ist nicht lustig.", sage ich bedrückt. "Du kannst mir alles sagen.", meint er. "Okay", flüstere ich. "Mom... Nick will sie ins Heim bringen." "Ja, ich weiss. Es ist das Beste für sie.", erklärt mir Ethan sanft. "Es muss schwierig für dich sein. Jetzt wo ihr euch erst gerade angefangen habt zu verstehen." ich nicke nur. Es stimmt zwar nicht, aber dass weiss er ja nicht. Ich atme tief durch. "Ich werde mich nochmals mit Nick unterhalten. Warte hier.", seufzt Ethan. Vielleicht kann Mom doch da bleiben. Das ist sicher besser für sie...

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