Vielleicht kann Mom doch da bleiben. Das ist sicher besser für sie...
Und siehe da, mein Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Nur zwei Tage später steht Mason grinsend in meiner Tür und kündigt an, dass Nick mir etwas zu sagen hatte. Nick war die letzten Tage zusammen mit Ethan und Noah beschäftigt gewesen mit packen. Alles von Mom wurde in Kisten gefüllt und im Flur bereitgestellt. Langsam und gespannt folge ich Mason nach unten in die Küche, wo mich bereits Nick erwartet.
"Hör zu Mirja, ich sehe, dass du dich hier nicht ganz wohl fühlst. Ich habe gedacht, dass es auch an Mom liegt. Deshalb fand ich es eine gute Idee, sie in ein Heim zu schicken, indem sie gut betreut wird. Als du mich jedoch gebeten hast, sie nicht ins Heim zu lassen, habe ich meinen Plan nochmals durchgedacht und kam zum Schluss, dass Mom doch zu Hause bleiben soll. Jedoch habe ich eine Bedingung. Du hast momentan keine Schule, weshalb du den ganzen Tag zuhause bist. Ich will, dass du Mom beschäftigst. Denk dir was aus, was ihr zusammen tun könntet. Informiere mich bitte, wenn du etwas brauchst."
Mit diesen Worten dreht er sich um und verlässt die Küche. Verdattert blicke ich ihm nach. Was? "Du hast es geschafft, du hast es geschafft.", Mason hüpft mit einem breiten Grinsen um mich herum. Wenn ich jetzt sein Alter schätzen müsste, würde ich sagen, er sei süsse sieben Jahre alt.
"Mom kann hier bleiben, danke Mirja, du bist die Beste!", Mason drückt mir einen Kuss auf die Wange und hüpft fröhlich Richtung Treppe.
Mom kann bleiben.
Ich sollte doch glücklich sein, oder? Ich atme tief durch und versuche mich zu freuen. Ich mache mich auf den Weg in mein Zimmer und werfe einen Blick in Moms Zimmer. Überall stehen Taschen rum. Mom liegt wie meistens auf ihrem Bett. "Kannst die Taschen ausräumen. Wegen dir wurden sie ja gepackt.", ertönt ihre unfreundliche Stimme. Schnell nicke ich und gehe leise in ihr Zimmer. Während ich ihre Taschen auspacke, kommt mir in den Sinn, dass ich noch die Kiste mit meinen Kleidern in meinem Zimmer auspacken sollte. Mache ich nachher, denke ich. Mom seufzt und dreht sich lautstark im Bett um. Nach einer halben Stunde habe ich ihre Taschen ausgeräumt und alles säuberlich an seinen Ort zurückgestellt. "Mom..." ich sammle meinen Mut zusammen. "Wenn du etwas brauchst, dann kannst du mich rufen." "du bist die letzte, die ich um Hilfe bitten werde." Ich nicke nur und verlasse schnell ihr Zimmer.
Dort beginne ich meine Kiste auszupacken. Ich reisse mich heftig zusammen und weine nicht. Als ich fertig mit auspacken bin, kommt mir die Idee, dass ich ja nach Hause anrufen könnte. Schnell greife ich zu meinem Handy und rufe an. "Diese Nummer ist nicht vergeben. Bitte überprüfen Sie die gewählte Nummer.", seufzend überprüfe ich die Nummer, sie stimmt! Das kann nicht sein. Ich kann meine Familie nicht mehr erreichen. Vielleicht haben sie gedacht, dass ich sie anrufen werde und haben deshalb Nummer gewechselt...
Drei Wochen sind vergangen. Ich kümmere mich jetzt täglich um Mom. Ich bemühe mich wirklich, aber oft endet es wie jetzt. Mom beschimpft mich, ich tue so, als würde es mir nichts ausmachen und am Ende breche ich in meinem Zimmer weinend zusammen. Ich schluchze leise und gehe, wie so oft, in mein Badezimmer und nehme die scharfe Klinge und lasse sie über meinen Arm fahren. Ich kann einfach nicht mehr. In den letzten Tagen kamen auch oft Aly und der Mann in mein Zimmer. Aly lies den Mann machen, was er will. Er verpasste mir einige Schläge, aber begann auch mich zu berühren. Ich bin so am Ende. Ich mag nicht mehr. Ich habe auch einige Male versucht meine Familie per Telefon zu erreichen, ich habe Mails, SMS, ja sogar Briefe geschrieben (diese habe ich zwar noch nicht abgesendet, aber werde ich bald.), aber ich habe nie eine Antwort erhalten.
Plötzlich höre ich, wie die Eingangstür aufgeht. "Hallo, bin wieder zuhause.", ertönt Aidens Stimme. Schnell säubere ich meinen Arm und mein Gesicht. Jedoch sind meine Augen immer noch gerötet. Ich lege mich schnell in mein Bett und stelle mich schlafend. Es klopft an der Tür. Als ich nicht antworte, fragt eine besorgte Stimme: "Mirja, bist du da.", Weiterhin antworte ich nichts. Die Tür wird vorsichtig einen Spalt geöffnet. Als mich Aiden "schlafen" sieht, kommt er vorsichtig näher. An meinem Bett bleibt er kurz stehen. Er schüttelt mich sanft. "Mirja, aufwachen." Nein, mein Plan! Wenn ich die Augen öffne, sieht er, dass ich geweint habe. Als er mich weiter schüttelt, ergebe ich mich und öffne langsam die Augen. "Was ist passiert?", fragt er sogleich. "Warum?", spiele ich nichts ahnend. "Spiel mir nichts vor. Du hast geweint. Warum?", meint er so direkt wie immer. Ich zucke nur mit den Achseln und stehe auf. "Wo willst du hin?", fragt er und hält mich am Handgelenk zurück. "weg.", antworte ich trotzig. Ich bin wirklich nicht gut drauf. Vorhin hat mich Mom so stark beleidigt, dass ich einfach nicht mehr weiss, was ich tun soll. Sie warf mir schon wieder vor, dass ich meine Brüder zu viel beanspruchen würde. Dann sagte sie, ich würde nie in die Familie rein passen und würde alles zerstören. Zuhause hätten sie mich nur adoptiert, da sie Geld vom Staat erhalten, aber ich solle mir ja nicht einbilden, dass mich jemals jemand geliebt hat oder jemand lieben oder gar ein bisschen gern haben würde. Sie erzählte mir auch, dass meine Brüder gute Schauspieler sind und ich ihnen ja nicht glauben soll, wenn sie ein bisschen besorgt aussehen. Schlussendlich hat sie wiedermal meine Schönheit bemängelt und dass ich zu dick sei. Ich habe abgenommen, wirklich, also zumindest sagt dies die Wage. Ich selber habe noch nichts bemerkt.
"Setz dich", fordert er mich auf. Seine Stimme duldet keinen Widerspruch. Ängstlich setzte ich mich aufs Bett. "Also erzäh...", weiter kommt er nicht, da von unten ein zerspringendes Glas zuhören war. "Warte hier", zischt er und verschwindet. Ich atme tief durch und versuche mich zu entspannen. Wird er mich schlagen? Schliesslich ist er ein Mann. Ich bin so in Gedanken versunken und bekomme nichts mehr mit von meiner Umgebung.
Ich schrecke hoch, als mich plötzlich jemand antippt. Es ist Jack. "Wir essen", teilt er mir mit einer ruhigen Stimme mit. Ich nicke und will in die Küche, doch er hält mich auf und zieht mich in eine Umarmung. Ohne etwas zu sagen, steht er da und hält mich. Das war, was es brauchte, um alle Dämme zu brechen. Meine Tränen laufen wie Sturzbäche über meine Wangen. "Rede mit uns, Mirja.", murmelt er in mein Haar. Ich nicke nur. Nach einigen Minuten, habe ich mich wieder halb beruhigt. Jack streicht mir nochmals über den Rücken und stösst mich dann leicht von sich weg und lächelt mich an. "Komm, jetzt gibt es Essen, Noah hat gekocht." Ich schleiche ihm nach. Mir ist wirklich nicht nach Essen zumute. Ich setzte mich auf meinen Platz in der Küche und meide alle Blicke. Niemand sagt etwas über meinen Zustand. Wahrscheinlich sind sie es sich schon gewohnt, dass ich andauernd weine.
Nachdem wir alle Essen auf dem Teller hatten, lockerte sich die Stimmung langsam. Mason und Michael erzählen, was sie in der Schule für Streiche spielten. Ich höre nicht richtig zu und spiele mit der Polenta in meinem Teller. Als es plötzlich ruhig wird, nehme ich schnell einen Löffel voll, obwohl mir wirklich nicht nach Essen zumute ist. Sie sollen ja nicht merken, dass ich nichts essen will. Als die Gespräche immer noch nicht beginnen, nehme ich noch einen zweiten Löffel. Ich spüre die Blicke der anderen auf mir, es ist nichts zu hören, nicht mal Masons Schmatzen. Ich werde langsam nervös und beginne deshalb immer schneller eine Gabel voll in mein Mund zu stecken. Mir treten beinahe die Tränen in die Augen vor Verzweiflung, dabei weiss ich gar nicht, wie es soweit kam. Bitte sagt etwas, bitte sagt etwas... bitte ich sie in meinem Kopf. Doch sie sind weiterhin ruhig. Langsam traue ich mich, meinen Kopf zu heben und ich schaue direkt in Ethans Augen. Bevor ich seinem Blick ausweichen kann, stellt er eine Frage: "Was ist los? Warum isst du so schnell?" "Nichts.", antworte ich leise. "Hör auf, immer nichts zu sagen. Wir alle wissen, dass etwas los ist!", sagt ein aufgebrachter Aiden. "Du kannst irgendwas sagen, einfach hör auf mit nichts, ich kann das nicht mehr hören!", fährt er weiter. "Ich, ehm...", unbehaglich rutsche ich auf meinem Stuhl hin und her. Ich kann irgendetwas sagen, hat er gesagt. "Ich... Ich möchte nachher noch raus." Aiden schaut mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. Bevor er etwas sagen kann übernimmt Noah. "Ist okay, Mirja und ich gehen nachher zusammen raus." Erleichtert atme ich aus. Keine weiteren Fragen im moment. IM MOMENT...!
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Meine neue Familie
Teen FictionWarnung! In dieser Geschichte sind Ritzen und Magersucht eins der Hauptthemen! Begleitet Mirja auf ihrem Weg in ihre neue Familie. Als ich mit meiner Familie aus den Ferien zurück flog, kam plötzlich ein fremder, junger, gutaussehender Mann auf uns...