Ich werde von Sonnenstrahlen geweckt. Ich werfe einen Blick auf meinen Wecker, auf welchem die Ziffer 09.18 leuchten. Ich gehe ins Bad und ziehe mich an. Langsam gehe ich die Treppe runter. In der Küche angekommen nehme ich mir ein Jogurt aus dem Kühlschrank. Ich setze mich an den Tisch und beginne mit essen. Es ist schon ein bisschen einsam hier. Wo wohl meine Brüder sind? Egal. Ich höre Schritte hinter mir. Erfreut über ein bisschen Gesellschaft drehe ich mich um. Meine Mutter kommt mit schweren Schritten in die Küche und setzt sich an den Tisch. "Wo ist die Zeitung?", beginnt sie sogleich zu motzen. Ich zucke mit den Schultern. "Gehe zum Briefkasten und schau, ob sie da ist." Ich nicke und verlasse die Küche.
Ob meine Mutter wohl jemals normal mit mir reden wird? Vielleicht bekommt sie mich ja lieber, wenn ich das tue, was sie will. Alle Menschen mögen es doch, wenn man das tut, was sie wollen. Ich wünsche mir eine Mutter wie früher. Eine Mutter mit der ich über alles reden kann, eine die immer für mich da ist und die mich annimmt wie ich bin. Ich habe noch meine Brüder. Diese würden mir sicher auch zuhören, egal was ich zu sagen hätte, da bin ich mir sicher. Jedoch bin ich noch nicht so weit. Ältere Jungs sind für mich einfach immer noch etwas anderes. Sie sind eine eigene Sorte Menschen, vor der ich sehr Respekt habe.
Beim Briefkasten angekommen, sehe ich dass es keine Zeitung gibt. Also gehe ich wieder zurück ins Haus.
"Wo ist die Zeitung?", fragt mich Mom sogleich. "Sie ist nicht im Briefkasten.", antworte ich ruhig und hoffe, dass sie nicht gleich ausrastet. "Was soll ich den nun machen? Ich kann doch nicht einfach hier sitzen, meinen Kaffee trinken und nichts machen!" , schreit sie mich an. Ich zucke ahnungslos mit den Schultern und widme mich meinem Jogurt. "Wieso habe ich bloss so eine unhilfsbereite Tochter?", murmelt meine Mutter. "Was hast du heute vor?", frage ich, um ein Gespräch zu beginnen. Sie schaut mich nur an, als ob ich alles falsch machen würde. Tue ich ja wahrscheinlich auch. Ich esse schweigend mein Jogurt fertig und will gerade hoch gehen, als meine Mutter sagt: "Ich habe die Putzfrau gekündigt. Dann machst du etwas nützliches und sitzt nur den ganzen Tag rum. Wehe jemand erfahrt davon!", droht sie mir zum Schluss. Ich nicke, obwohl ich nicht ganz alles verstanden habe. Glücklicherweise hatte ich aber mein Handy dabei und mein Übersetzerapp ist wie immer eingeschalten. "Um zwölf Uhr erwarte ich ein warmes Mittagessen.", stellt sie weiter klar. Ich nicke wieder und gehe in mein Zimmer. Dort werfe ich mich erstmals aufs Bett und lese, was meine Mutter mir gesagt hat. Ich seufze und stehe auf, um mit dem Putzen zu beginnen.Plötzlich wird mir der Stecker vom Staubsauger rausgezogen. Fragend drehe ich mich um. Meine Mutter steht wütend da und tippt mit der Hand auf ihre Uhr. Erschrocken drehe ich mich um und sehe auf der Backofenuhr, dass es Punkt zwölf Uhr ist. Vor mich hinschimpfend verschwinde ich schnell in die Küche und suche nach etwas, dass ich schnell kochen kann. Das erst Beste, was mir in die Hand kommt ist eine fertig Tomatensuppe. Schnell rühre ich sie an und decke den Tisch für zwei Personen. Zehn Minuten später hole ich meine Mutter zum Essen. Als sie sieht, dass für zwei Personen gedeckt ist, schaut sie mich wütend an. "Du hast Essensverbot!", sagt sie. Mit finsterem Blick steht sie auf, zieht mich am Arm mit sich und schubst mich die Kellertreppe nach unten. "Da bleibst du! Komm nicht auf die Idee, das Licht anzumachen und Handy her!" Ich nehme mein Handy aus der Tasche und strecke es ihr hin. Sie reisst es mir aus der Hand und schletzt die Tür zu. Nun sitze ich im stockdunkeln Raum, den ich noch nie zuvor gesehen habe. Mein Kopf schmerzt und ich habe richtig Angst im dunkeln. Ich schliesse die Augen und versuche an irgendetwas anderes zu denken.
Ich schrecke hoch, als ich ein lautes gepolter höre. Wo bin ich? Alles ist dunkel! Stimmt, meine Mutter hat mich ja in den Keller gesperrt. Müde reibe ich mir die Augen. Ich bin wahrscheinlich eingeschlafen. Wie lange ich wohl schon hier sitze? Mein Kopf dröhnt jedenfalls immer noch. Die Kellertür wird mit einem Ruck geöffnet. Ich schütze meine Augen vor dem Tageslicht, welches nun durch den Spalt zu mir nach unten dringt. Meine Mutter steht da und deutet mir an rauf zu kommen. "Davon wird niemand erfahren! und jetzt geh in dein Zimmer, meine Söhne kommen bald nach Hause!" Also gehe ich in mein Zimmer und lerne noch etwas Englisch. Bald darauf klopft es schon an der Tür. "Hallo Lieblingsschwester, wie gehts, wie stehts?", fragt Ethan. "Gut und dir?" "Auch. Komm runter, es gibt Abendessen." Ich nicke und folge ihm die Treppe runter. Während dem Essen Erzählen meine Brüder von ihrem Tag. Ich höre nur halb zu und überlege, ob Aly wohl was merkt, wenn ich nur wenig esse. Vielleicht muss ich mich ja dann nicht übergeben. Ich hasse es zu Erbrechen! Ich glaube ich versuche es. Ich esse ganz langsam, das nährt mehr. Plötzlich merke ich, dass alle still sind. Ich hebe meinen Blick vom Teller und sehe, dass mich alle belustigt anschauen. Nur meine Mutter blickt genervt zu mir. Was habe ich denn jetzt schon wieder getan? "Ist was?", frage ich leicht irritiert. "Du solltest das Essen essen und es nicht nur hin und her schieben.", sagt Jack und mustert mich mit besorgtem Blick. Ich nicke und esse schnell fertig.
Nachdem wir die Küche aufgeräumt haben bin ich wieder in mein Zimmer gegangen. Ich bin hier schon etwas einsam. Ich wünschte wirklich, ich wäre zuhause. Hier bin ich nur überflüssig. Niemand braucht mich. Ich merke, wie mir eine Träne aus dem Auge entwischt. Ich will nicht schon wieder weinen. Ich weine hier die ganze Zeit. Das muss unbedingt aufhören! Ich schaue aus dem Fenster und beobachte die wenigen Menschen, die auf der Strasse sind. Ich möchte so gerne wieder mal raus. Ich fühle mich eingesperrt hier. Ich darf nichts. Ich muss den ganzen Tag im Haus verbringen und muss putzen. Es klopft an der Tür und Jack kommt rein. Er kommt seufzend auf mich zu und wischt mir eine Träne weg. Gar nicht bemerkt, dass ich schon wieder begonnen habe zu weinen... Er legt sanft einen Arm um mich und schaut auch aus dem Fenster. Schweigend gehen wir unseren Gedanken nach. "An was denkst du?", fragt mich Jack sanft. "Das ich schon lange nicht mehr draussen war.", sage ich. Ich kann ihm ja kaum sagen, dass ich mir überlegt habe, ob es doch besser wäre, wenn ich mich übergeben würde! "Na dann komm, wir machen einen Spaziergang zum Meer.", meint Jack begeistert.
Schweigend gehen wir nebeneinander her. Beim Meer angekommen ziehe ich wie automatisch meine Schuhe aus und gehe Barfuss über den Sand. Jack zieht mich sanft auf einen Stein in einer kleinen Bucht. Es ist wunderschön hier. Ich lächle Jack dankbar an. Es ist einfach wunderschön, mal aus dem Haus rauszukommen. "Warum hast du nicht schon lange gesagt, dass du gerne aus dem Haus möchtest?", fragt er mich. Ich zucke mit den Schultern. "Sag mir wenigstens die Wahrheit über was, dass du vorhin nachgedacht hast.", verlangt er. "Ich habe an zuhause gedacht.", sage ich leise nach kurzem Zögern. "Was vermisst du am meisten?", fragt er sanft. Ich überlege kurz und antworte dann ehrlich:"Meine Familie, meine beste Freundin und die Normalität." "Wir sind also nicht deine Familie?", fragt Jack weiter. Ich schüttle den Kopf, bemerke aber dann, wie er gekränkt den Kopf hängen lässt. Ich wollte ihn nicht beleidigen. "Also... ehm ihr seit schon auch irgendwie...", ich suche nach den richtigen Worten, damit er nicht mehr gekränkt ist, "meine Familie...", es kostet mir viel Überwindung, dies laut auszusprechen. Jack hebt seinen Kopf und schaut mich abwartend an. Ich atme tief ein "Es ist nur, dass ich mein ganzes Leben mit ihnen verbracht habe... und nun mit 17 werde ich hier abgeholt und plötzlich sagt man mir, dass die Leute, welche ich vorher als meine Familie bezeichnet habe, nicht meine ist. Zudem bin ich es mir nur gewohnt mit jüngeren Geschwistern und mit Leuten die mich lieben in einer Familie zu sein." den letzten Teil habe ich nur leise gesagt und ich hoffe, dass er es nicht gehört hat. Doch legt sanft zwei Finger unter mein Kinn und dreht mein Kopf zu ihm, dass ich gezwungen bin ihm in die Augen zu schauen. "Mirja, wir lieben dich doch! Und wir können nichts dafür, dass wir nicht jünger sind als du!", meint er verzweifelt. "Ist es wegen Mom?", fragt er leise nach kurzem Schweigen. Ich zucke mit den Schultern und wische mir eine Träne aus den Augen. "Sie hat im Moment eine anstrengende Phase, aber ich glaube das wird wieder besser. Sie mag dich irgendwie, auch wenn sie es dir nicht so zeigt." Ich nicke, obwohl ich es nicht glaube. "Komm wir gehen wieder nach Hause.", sagt Jack nachdem die Sonne untergegangen ist.
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Meine neue Familie
Novela JuvenilWarnung! In dieser Geschichte sind Ritzen und Magersucht eins der Hauptthemen! Begleitet Mirja auf ihrem Weg in ihre neue Familie. Als ich mit meiner Familie aus den Ferien zurück flog, kam plötzlich ein fremder, junger, gutaussehender Mann auf uns...