1. Kapitel

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7 Monate später

Deutschland, Berlin

Samstag, 21:34 Uhr

Es gibt da so einen bekannten türkischen Spruch. Den kennt jeder Türke und jede Türkin. Seversen sikilirsin. Sikersen sevilirsin. Wenn man liebt, wird man gefickt. Wenn man fickt, wird man geliebt. Früher hätte ich diesem Spruch keine Beachtung geschenkt, hätte mich nicht interessiert. Aber jetzt? Jetzt sind wir im jetzt. Heute kann ich diesem Spruch eine Bedeutung zuteilen. Heute könnte ich diesem Spruch eine lange Präsentation halten. Meine Lehrer würden mich anerkennend anschauen, aber würden mir keine gerechte Note dafür geben. Plus einen Schlag mit dem langen Lineal auf meine Finger. Erinnere mich wie gestern an diesen Schmerz. Doch dieser Schmerz war nicht mit dem Schmerz zu vergleichen, dass ich von Baba und Mama bekommen habe. Kein bisschen. Der Schmerz, der von den eigenen Eltern kommt, trifft einen Menschen anders. Und wie. Körperlicher Schmerz ist nicht mit seelischen Schmerz zu vergleichen. Beide tun weh. Beide. Aber für mich persönlich, tut seelischer Schmerz einen Ticken mehr weh. An den körperlichen gewöhnst du dich. Doch an den seelischen Schmerz? Ich wünschte. Leider ist dem nicht so. Jeden Tag ein neuer Schmerz für unsere armen Seelen.

Wenn man liebt, wird man gefickt. Was heißt es denn das eigentlich? Es geht über die Liebe. Über das Lieben. Ich betone: Liebe, nicht Verliebtsein. Verliebtsein und so ein Scheiss ist nicht mit echter Liebe zu vergleichen. Verliebtsein heißt auf Wolke sieben zu schweben. Das bekloppte Herzklopfen. Die schnell flatternden Schmetterlinge. Alles schön, alles bunt. Und was heißt Liebe? Liebe heißt Enttäuschung. In der Liebe ist nicht immer alles bunt. Ein Scheiss. Und wenn es mal bunt ist, kommt ein Maler und schmeißt seine ganze schwarze Farbe auf deine bunte Welt. Liebe heißt auf Höhen und Tiefen zu verpflichten. Du willst aufgeben, aber dein Partner baut dich wieder auf. Umgekehrt genau so. Liebe heißt runterzuschlucken. Liebe heißt zusammen alt werden. Liebe heißt Treue bis zum Tod. Kein Fremdgehen. Kein Nummernaustausch. Keine verführerischen Blicke, außer an deinen eigenen Partner. Keine Nacktbilder verschicken. Nichts davon. Aber was wenn deine Partner das alles macht und dir fremd geht? Dann bist du gefickt und leidest.

Wenn man fickt, wird man geliebt. Und was heißt dieser Satz? Ganz einfach. Wenn du wie eine Schlampe oder männliche Schlampe durch die ganze Gegend fickst, wirst du angesehen. Freunde sind Stolz auf dich, weil du herum hurst. Sie feuern dich an und du bist zufrieden mit dir selbst, weil du die Aufmerksamkeit kriegst, die du dir seit Jahren wünschst und niemand dir die gegeben hat. Du liebst es, wenn sie dir sagen, dass du ein ganz Krasser bist, weil du herum fickst. Sie nennen dich Macher und du bist stolz darauf, dass du dein Schwanz in jedes Loch steckst oder viele Schwänze reitest. Das war's. Für mich passt diese Definition. Das ist meine Definition. Jeder hat seine eigene. Wenn man fickt, wird man geliebt. Besser als man liebt und dann gefickt wird. Nicht wahr?

,,Efsane! Wo bleibst du?" höre ich Edas Stimme aus ersten Stock und ich verdrehe meine Augen. Bin gleich da. Stresst mich nicht. Ich mag Stress nicht. Greife nach meiner langen Lederjacke und ziehe sie mir an. Meine geglätteten Haare lege ich über die Jacke und schaue mich nochmal kurz im Spiegel an. Meine Schminke sitzt sehr gut. Meine Wimpern sehen heute anders gut aus mit dem Lash Princess Curl& Volume Mascara von Essence. Mein Highlighter glitzert sehr schön. Ich habe ein schwarzes Kleid mit langen Ärmeln an, das bis zu meinen Knien geht. Es hat einen Herzförmigen Ausschnitt und die Perlenkette passt gut dazu. Greife nach meiner kleinen Tasche und nach meinem Handy. Gut. Ich bin fertig. Laufe aus meinem Zimmer und steige die Treppen runter, um ins Wohnzimmer zu gelangen. Emirhan's Haus ist dreistöckig. Großes Haus mit einem Garten. Meine Brüder und ich haben alle ein eigenes Zimmer mit einem eigenen Bad. Das Haus wurde ganz gut eingerichtet. Nicht mein Geschmack, aber es ist nicht mein Haus deswegen sage ich auch dazu nichts. Egal wie oft er sagt, dass es unser Haus ist, werde ich mich immer wie ein Gast hier fühlen und nicht als meins sehen. Das ist nicht mein Haus. Ich habe kein Haus. Ich werde hier nicht für immer leben. Bald werde ich hier ausziehen. Bald werde ich mir eine eigene Wohnung kaufen. Bald.

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