TURKISH REVENGE

44.Kapitel

Diese plötzlichen positiven Gefühle lassen eine gewaltige Überwältigung in mir entstehen. Es ist mir gerade zu viel ... zu viele Informationen, zu viele Emotionen. Ich kann das gerade nicht glauben. Erstmal muss ich alles verarbeiten. Ich brauche das. Nach einem ganzen Jahr erfahre ich die Wahrheit. Ein ganzes Jahr. Ich habe ein ganzes Jahr mit einer Lüge gelebt. Eine Lüge, die Yasin und Yankar erfunden haben. Ich kann es nicht fassen. Die Wahrheit taucht immer auf. Egal ob früh oder spät. Egal, wie viele dreckigen Lügen die Wahrheit verbergen möchten ... Die Wahrheit taucht immer auf. Immer.

Vor einer Sekunde habe ich noch mit Tränen in den Augen gelächelt, aber jetzt verzieht sich mein Gesicht fragend. Ahnungsvoll verenge ich meine Augen und spüre ein Ziehen in meinem Herz. Muso. Mein Muso. Mein kleiner Bruder. Was ... was meint Yasin mit ,,Und das mit ihrem toten Bruder glaubt sie auch noch?" ? Ist das etwa auch eine Lüge? Wie ein Blitz entsteht ein schneller Hoffnungsschimmer, an dem ich mich stark festhalte. Lebt mein Bruder? Oder steckt da was anderes dahinter?

Nach Yasins Frage höre ich nichts mehr. Atmen die beiden überhaupt noch? Zitternd verschränke ich meine verschwitzen Hände, die ich dann doch über meine Hose streiche und danach hinter meinem Kopf verschränke. Ich kann nicht still stehen. Einerseits wegen der neuen Nachricht, aber auch wegen des Drucks in mir. In meinem Kopf, der die neue Wahrheit nicht verarbeiten kann, wegen was ganz anderem. Ich brauche es, ich brauche Yankar. Trotz dass die Wut gegenüber Yasin und Yankar sich aufkeimt, kann ich nicht aufhören daran zu denken.

Drogen. Ich brauche Drogen.

,,Natürlich. Sonst würden wir beide ganz genau wissen, wo sie jetzt wäre."

Was bedeutet das? Yankars Stimme ist plötzlich so nah. Ein Blick nach rechts reicht, um zu sehen, dass er vom Sofa aufgestanden und bis zum Anfang der Treppe, neben der Garderobe gelaufen ist. Ruckartig drücke ich mich an die Wand und presse meine Hände auf meinen Mund. Er darf mich nicht sehen. Yankar holt was aus seiner Jacke raus und ich sehe von hier aus nicht, was in seiner Hand ist. Es ist etwas Kleines. ,,Du musst am Freitag alleine zu Nihat. Ich kann nicht mitkommen." Verwirrt ziehe ich meine Brauen zusammen. Wer ist Nihat? Yankar reicht Yasin etwas, was Yasin kopfschüttelnd entgegennimmt.

,,Yankar, vergiss es. Man sieht ihm jedes Mal an, dass er lieber mit dir Reden möchte, statt mit mir. Keine Ahnung, wie du ihn verführt hast, aber er will dich am Freitag sehen. Nicht mich." Yankar schnalzt genervt mit der Zunge, ehe er einen großen Schluck von der braunen Flüssigkeit aus seinem Glas trinkt. ,,Ich habe keine Zeit dafür. Nächstes Mal übernehme ich dann wieder." sagt er nur und als er einen Blick Richtung Treppe wirft, drücke ich mich wieder an die Wand. Hoffentlich hat er mich nicht gesehen.

,,Na gut. Und was soll ich mit diesem USB-Stick?" fragt Yasin verwirrt und hebt den Stick kurz hoch, ehe er es näher betrachtet. Yankar hat Yasin einen USB-Stick gegeben. Was ... was ist da drauf? Ich will es wissen. Ich will alles wissen, was mir noch verheimlicht wurde. Ich will wissen, welche Spiele mit mir gespielt worden sind. Ich will Antworten! Lebt mein Bruder?! Was meinte Yasin mit seiner Frage und Yankar mit seiner Antwort?!

,,Der Stick ist ein kleines Geschenk für Nihat. Schau nicht rein. Gib es ihm einfach und sag es ist von mir." antwortet Yankar, ehe er plötzlich laut in seine Hände klatscht. ,,Nimm es mir nicht übel, aber ich bin todmüde. Also, wenn ich dich bitten darf." Yankar nickt auf die Tür und ich höre Yasin laut ausatmen. Er steht auf. Nein ... nein. Ich weiß selber gerade nicht, was ich will. Ich bin so verwirrt. Auf der einen Seite will ich, dass Yasin mich vor Yankar beschützt und mich wegbringt. Auf der anderen Seite bin ich aber unfassbar wütend auf beide! Ich ... ich bin verzweifelt. Und als ob das alles nicht reicht, pocht meine Schläfe, signalisiert den Druck meines Kopfes und den Drang endlich mein Mittel zu bekommen. Ich brauch es endlich!