34.Kapitel

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Wir kommen schneller an, als ich gedacht habe. Kann auch daran liegen, dass ich mich die ganze Zeit ablenken lassen habe ... Sei es im Auto Atakans Hand gewesen oder seine Blicke während dem ganzen Flug. Zum ersten Mal nach so vielen Monaten haben wir so viel Zeit zusammen verbracht. Auch, wenn wir nicht viel geredet haben. Eigentlich gar nicht. Das ist aber auch besser so. Ich habe heute früh viel zu viel zugelassen. Das hätte echt nicht sein müssen. Das hat bestimmt sein Ego gestärkt. Das wird nicht nochmal vorkommen. Niemals. Ich habe mich aufgerafft.

Es sind nur noch paar Minuten bis zum Krankenhaus, hat Atakan gemeint, der neben mir auf der Fahrerseite wieder sitzt und stumm den Wagen fährt. Ich bin besorgt. Meine Lippen kauend rufe ich Osman wieder an und versuche ihn zu erreichen, aber er geht wieder nicht ran. Weder er, noch Lale. Ist irgendwas passiert? Oder haben die beiden einfach nur ihre Handys auf stumm geschaltet? Ich spüre Atakans Blick auf mir, als die Mailbox ertönt und ich genervt ausatme. ,,Wieso geht er nicht ran?" murmele ich unruhig und spüre Blut an meiner Lippe.

,,Entweder sie sind im Kreißsaal oder sie haben ihre Handys ausgeschaltet. Beruhig' dich, güzelim." sagt plötzich Atakan und biegt nach rechts ab. Von Weitem sehe ich schon das große Gebäude. Trotz seinen Worten kann ich mich nicht beruhigen. Lale war die letzten Monate immer für mich da. Mal habe ich in ihren Armen geweint, mal habe ich meine Sorgen bei ihr aufgeschüttet. Sie ist wie eine Schwester für mich geworden. Ich muss bei ihr sein. Sie war immer für mich da. Ich muss auch für sie da sein. Als ich etwas an meinem Oberschenkel spüre, schaue ich dorthin. Atakan hat seine Hand wieder auf mein Bein gelegt. Obwohl es sich gut anfühlt ... ich kann nicht. Ich habe mich aufgerafft. Entferne mit einer langsamen Bewegung seine Hand von mir und wir kommen auch schon an. Endlich.

Kaum haltet der Wagen an, steige ich schnell aus und renne direkt auf das Krankenhaus zu. Mit der Hoffnung, dass meine schlechten Gedanken nur schlechte Gedanken sind, laufe ich zur Rezeption und höre hinter mir schon schnelle Schritte. Atakan. Die Frau an der Rezeption hebt sofort ihren Kopf, als sie mich sieht. ,,Wie kann ich Ihnen helfen?" fragt sie mich mit einem kleinen Lächeln, bevor ihre Augen sich weiten, als sie Atakan sieht. ,,Meine Freundin ist hier. Lale Dayan. Sie ist schwanger und als ihre Fruchtblase geplatzt ist, ist sie hierhergekommen." rattere ich drauf los und ignoriere ihre Augen, die nur noch auf dem Mann hinter mir liegen und ihn von oben bis unten betrachten. ,,Heute noch!" herrscht er sie mit seiner kalten Stimme an, bevor sie zusammenzuckt und sofort zu tippen anfängt. Ihre eingeschüchterte Miene verleitet mir ein kleines Grinsen ins Gesicht, jedoch verschwindet es schnell, als sich ihre Miene in eine bedrückende ändert. Es ist etwas passiert. Oh Nein.

,,Sie befindet sich im Raum 211. Im zweiten Stockwerk."

Ohne Nachzudenken laufe ich schnell los und suche nach den Treppen, weil sie schneller sind als den Aufzug zu fahren. Ich muss zu Lale, ich muss zu ihr. Gerade als ich weiterlaufen will, spüre ich eine Hand an meinem Handgelenk, die mich zu den Aufzügen rüberzieht. Atakan. Es ist Atakan. ,,Bis wir die Treppen finden, dauert es zu lange. Komm, der Aufzug ist schon da." sagt er und tatsächlich öffnen sich die Aufzugtüren im gleichen Moment. Schnell laufen wir rein und ich bin dankbar, dass niemand anderes hier ist. Unruhig laufe ich hin und her und wische meine verschwitzten Handinnenflächen an meiner Hose ab. ,,Irgendwas ist passiert ..." murmele ich und fahre durch meine Haare. Atakan betrachtet mich kurz, bevor er sich vor mich stellt, mich in meiner Bewegung stoppt und seine Hände mein Gesicht umfassen. ,,Hör auf." sage ich leise und will mich trennen, doch sein Griff wird etwas fester.

,,Schau mich an, Efsane." fordert er mich auf, doch ich schüttele nur den Kopf. Gerade kann ich mich nicht mit ihm herumschlagen. Ich denke nur an meine Freundin. ,,Efsane." wird seine Stimme ernster und fast schon streng. Widerwillig schaue ich in seine Augen. ,,Beruhige dich jetzt. Du platzt gleich durch die Decke, wenn du so weitermachst. So willst du doch nicht vor Lale und deinen Nichten oder Neffen auftreten?" sagt er leise gegen mein Gesicht, was mich tatsächlich beruhigt. Als ich seine letzten Worte höre, will ich anfangen zu lächeln, aber belasse es bei einem hochzuckendem Mundwinkel. Wie schön es sich anhört ... Schüttele mit dem Kopf, weshalb er einmal nickt. ,,Gut. Dann beruhige dich, güzelim." flüstert er gegen meine Lippen. Sein Atemstoß gegen mein Gesicht lässt meine Angespanntheit etwas verringern. Trotzdem löse ich mich von seinem Griff und warte.

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