40.Kapitel

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Die inneren Schmerzen sind nicht mit den körperlichen Schmerzen vergleichbar. Ich weiß das. Ich spüre das. Doch die Erscheinung von meinen äußerlichen Schmerzen bringen die Übelkeit in mir hoch. Mein Gehirn ist leergefegt. Genau wie dieser Raum. Spuren sind erkennungslos, sie sind weg. Erinnerungen wurden weggepustet. Mit einem einzigen Luftzug wurden die Spuren weggefegt. Niemand weiß von nichts. Niemand. Nicht einmal ich, obwohl ich diejenige bin, die die Spuren auf dem Körper hat. Ich weiß von nichts. Doch ich bin diejenige, die regungslos liegt und versucht weiterzuleben. Ich weiß von nichts. Doch ich bin bald diejenige, die nach dem Tod schreien wird.


Juni, 12:10 Uhr

Ich erwache mit roten Augen, verschwitztem Brustkorb und hektischer Atmung auf. Es hört nicht auf, es hört nicht auf, es hört nicht auf. Mit zitternden Händen greife ich in die Bettdecke und vergrabe mein Gesicht darin. Der kalte Schweiß wird aufgesaugt, meine laute Atmung wird gedämmt. Die zerknitterte Decke weist weiße, verschiedene Flecken auf, die mir nichts sagen. Ich komme zu keiner Antwort. Ich weiß nicht, woher das alles kommt. Und genau das macht mich krank.

Im nächsten Moment nehme ich das laute Klopfen an der Haustür war. Deswegen wurde ich wach. Sonst werde ich tagsüber nie wach. Nie. Hebe langsam meinen Kopf hoch und schaue mit halb geschlossenen Augen zu meiner Zimmertür, die geschlossen ist. Der Schlüssel ist drinnen. Mein leerer Blick verharrt auf dem Schlüssel und undeutbaren Fetzen von Momenten tauchen vor meinen Augen auf. Habe ich abgeschlossen? Wurde abgeschlossen?

Findest du nicht auch, dass man sich gegen seine Schwächen stellen sollte?

Stürmisch stolpere ich in der nächsten Sekunde aus dem Bett und falle genau auf meinen linken Schienbein, worauf ich schmerzlich stöhne. Ich schaue drauf. Starr betrachte ich den blauen Fleck und versuche die Puzzleteile zusammenzufinden, aber ich komme nicht weit. Ich verstehe nichts. Mir fehlen Puzzleteile, Szenen, Erinnerungen. Der mittelgroße Fleck läuft von meinem Schienbein zu meinem Knöchel. Ich versuche zu erinnern, aber erfolglos. Wie soll ich mich an etwas erinnern, wenn ich es nie gesehen habe?

Das Klopfen nimmt zu, weshalb ich mich langsam erhebe und auf meinen Fuß vorsichtig mein Gewicht lagere. Es tut nicht sehr weh. Gemächlich laufe ich zu meiner Tür und öffne sie, was ein komisches Gefühl in mir auslöst. Bevor ich die Haustür aufmache, schaue ich in den Türspion, ehe ich das besorgte Gesicht von Azra schaue. Ohne sie länger warten zu lassen, öffne ich die Tür. ,,Endlich, Efsane! Ich habe mir Sorgen gemacht! Weder reagierst du auf meine Nachrichten noch auf meine Anrufe seit Wochen! Und jetzt hast du die Tür nicht sofort aufgemacht. Ich hatte Angst, dass ich dich tot auffinden werde. Gott bewahre!" ruft sie außer Atem und schaut mich mit großen Augen an. Müde schaue ich sie nur an und versuche auf meinen Füßen stehenzubleiben. Es tut doch etwas weh.

,,Willst du etwa nichts sagen?" Azra läuft an mir vorbei in die Wohnung und ihr Rosenduft weht an mir vorbei. Es erinnert mich daran, dass ich mich auch mal wieder unter die Dusche stellen muss. Wie viele Tage ist es her? Leise schließe ich die Tür und will mich doch nur wieder schlafen legen. Eigentlich sollte ich wach bleiben und herausfinden, was hier alles los ist. Ich muss die ganze Situation ordnen. Doch ich bin zu schwach. Zu müde. Zu überdrüssig.

Stellst du dich gegen seinen Befehl, muss ich länger als sonst bleiben. Willst du das?

Nein. Mein Kopf zuckt heftig nach rechts, so dass mein Nacken wehtut. Meine Hände greifen nach meinem Gesicht, um es zu stoppen. Azra ist im Wohnzimmer. Kontrolliere dich. Ich atme ein uns atme aus, bevor ich zu Azra laufe, die mich etwas wütend, aber auch besorgt anschaut. Sie analysiert paar Sekunden meinen Anblick, ehe sie zu mir näher tretet. Die Wut verschwindet komplett aus ihrem Gesicht und überdeckt sie ganz mit Bedenklichkeit. ,,Hast du geweint?" fragt sie sanft und legt ihre Hände auf meinen Oberarmen, woraufhin ich ein Ziehen auf meiner Haut an der rechten Seite spüre. Unangenehm.

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