TURKISH REVENGE

12.Kapitel

Drehe mich sofort zu Daran um, der mich breit angrinst. ,,Legende?" übernimmt Eda meine Frage. ,,Dein Ernst?" ,,Natürlich. Ihr Name bedeutet doch sowieso so. Vertraut mir, Schatzis. Jeder fragt sich gerade, wer Legende ist. Mehr Neugier, mehr Interesse. So ist das System." Ich reibe über mein Gesicht und höre nur einzelne Stimmen aus dem Publikum. Das müssen wohl Menschen sein, die mich in dem eher sauberen Boxstudio immer wieder sehen. Es fehlt aber jede Spur von dem Jubeln von vor paar Sekunden für Rotkäppchen. Die Menschen kennen sie, was heißt, dass sie hier öfter wohl auftritt und immer gewinnt. Denn nur Gewinner bekommen so ein lautes Gebrüll von Zuschauern ab. Spüre keinen Funken von Angst. Ich bin immer noch überzeugt. Ich werde gewinnen und die Menschen dort draußen werden kennenlernen, wer Legende ist. ,,Zwei Frauen hatten wir lange hier nicht mehr. Na das wird ja mal was. Einen großen Applaus für Rotkäppchen!" brüllt der Mann lachend in das Mikrofon. Ich sehe, wie Daran nach meinen schwarzen Boxhandschuhen greift und sie mir hinhält. Stecke erst meine rechte Hand hinein und befestige sie fester. Danach die linke, die von Daran diesmal fester befestigt wird.

,,Auch wenn wir die unbekannte Legende noch nicht kennen, kriegt sie von uns zur Aufmunterung auch einen lauten Applaus, oder Freunde?" ertönt wieder die gleiche Stimme. Die Menge jubelt, aber nicht so laut wie bei Rotkäppchen. Eure Aufmunterung brauche ich nicht, steckt sie sonst wohin. ,,Let's go, Efo." ruft Okan laut und ich drehe mich um, um rauszulaufen. Die anderen folgen mir. Eda links von mir, Daran rechts. ,,Es kann gut sein, dass sie dich mit einem Gegenstand attackieren wird, wenn sie dich in den nächsten zehn Minuten nicht auf den Boden bringt." erzählt mir Daran leise und ich blicke ihn kurz an, als wir die Halle betreten. Uns wird Platz gemacht und ich spüre unzählige neugierige Blicke auf mir. ,,Gegenstand?" frage ich ihn genauso leise zurück. Kein Problem. Ich will nur wissen, was für ein Gegenstand. ,,Manchmal ein Butterfly oder ein Stiletto." Nicke schmunzelnd. ,,Was besseres hat sie nicht?" ,,Paar Mal hatte sie auch einen Knöchelmesser dabei, aber den benutzt sie nicht oft." erzählt er leicht grinsend und klatscht mit paar Leuten ein. Wir erreichen gleich den Käfig. ,,Hast du was dabei?" fragt er mich einen Ticken leiser. ,,Meine Wut an Aslanoğlu. Reicht das?" frage ich ihn gespielt interessiert und sein Grinsen wird nur breiter. ,,Du wirst sie umbringen, du Granate." erwidert er nur und wir kommen an. Sie steht mit dem Rücken zu mir.

Jetzt verstehe ich die Bedeutung, warum sie Rotkäppchen genannt wird. Eine rothaarige Frau mit kurzer Sportkleidung und, genauso wie ich, hat sie einen festen, hohen Zopf steht dort. Sie sieht durchtrainiert aus. Eine gerade Haltung besitzt sie, nicht wie andere eine schlampige Haltung. Hier und da sind Tattoos zu sehen. Bevor ich jedoch den Käfig betrete, werde ich von Daran aufgehalten. ,,Linker Schuh." flüstert er kaum hörbar und ich verstehe sofort. Nicke einmal, steige die kleinen Treppen hoch und betrete endlich den Käfig. Der Boden wurde nicht geputzt, Blutflecken sind immer noch zu sehen. Ich nehme meinen Blick von dem Boden und schaue zu dem Mann, der das Mikrofon in der Hand hält und mich mit geweiteten Augen betrachtet. Trotz so vielen Menschen ist es leise hier, nur einzelne Stimmen sind zu hören. Rotkäppchen hat sich immer noch nicht umgedreht. ,,So wie es aussieht, bin ich wohl nicht der Einzige gewesen, der mit so einer Schönheit nicht gerechnet hat. Wow. Eine geile Konkurrenz für unser geiles Redkäppchen." spricht er in das Mikrofon und ich würde gerne seine Augen rauskratzen, weil er mich so lange betrachtet. Starte doch endlich den Kampf.

Ich betrachte den Rücken von dem Mädchen, das sich auch endlich mal umdreht. Nicht in Slow Motion, nicht im Schneckentempo wie man es von Filmen oder Serien kennt. Mit einem normalen Tempo dreht sie sich um und ich brauche einen Moment, um sie zu betrachten. Nur zwei Sekunden später vergrößern sich meine Augen ein kleines bisschen. Das...das ist jetzt nicht wahr.

,,Azra! Zerstöre die Fotze." ertönen mehrere Männerstimmen außerhalb des Käfigs hinter ihr. Azra. Es ist Azra, die vor mir steht und ein kleines Grinsen auf den bemalten Lippen hat. Ohne lange zu überlegen, weiß ich, dass sie wusste, dass ich vor ihr auftreten werde. Azra wusste, dass ich kommen werde. Deswegen grinst sie mich an. Sie hat mit Boxen angefangen? Okay, überraschend. Ich habe mich noch vor paar Stunden gefragt, was meine frühere beste Freundin macht und wo sie ist. Sie war die ganze Zeit vor meiner Nase. Sie ist wirklich hier in Berlin. Sie hat wirklich mit dem Kickboxen angefangen und kämpft hier in diesem dreckigen Loch. Wo ist das unschuldige, kleine Mädchen, das nicht mal auf eine Ameise treten konnte? ,,Es gibt eine einzige Regel." sagt der Mann und geht langsam aus dem Käfig raus. Es gibt hier Regeln? Will der Typ mich verarschen? ,,Es gibt keine Regeln!" ruft er laut ins Mikrofon und die Menge jubelt wieder vorfeudig. Die Selbstsicherheit in Azra's Augen, lässt mich eine Braue nach oben ziehen und ihr Grinsen nur vergrößern. Sie ist über sich also so sicher. Ich freue mich darauf, ihre Selbstsicherheit aus ihrem Körper rauszuschlagen. Ich habe es selber gesagt. Es ist mir egal, wer heute Abend vor mir steht. Ich werde diese Wut rauslassen, um endlich wieder klar Denken zu können. ,,Und es gewinnt erst eine, wenn die Andere nicht mehr vom Boden aufstehen kann." Nach diesem Satz wird in eine Pfeife gepfiffen. Es geht los. Wir dürfen anfangen.