Kapitel 39

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- ANDRES POV -

Klar, wäre ich gerne bei Jan geblieben. Aber ich wollte nicht, dass er weitere Probleme mit seinen Eltern bekam wegen mir. Und was war denn schon dabei? Ich war oft um die Zeit unterwegs. Früher jedenfalls, um den Kopf frei zu kriegen von dem ganzen Stress. Von meinem Vater. Ein leichtes Zucken durchfuhr mich, ich denke schon wieder an ihn. An die Schläge ins Gesicht, in meinen Magen, einfach überall. Ich weiß noch, als ich mal so starke Schmerzen hatte, dass mir schwarz vor Augen wurde und ich ins Krankenhaus musste. Er sagte ich wäre die Treppe gefallen.

Mein Vater ist und war schon immer ein Arschloch. Meine Mutter ist vor knapp einem Jahr mit meinen Geschwistern abgehauen, mich hat sie hier gelassen. Aber warum? Warum hat sie mich bei ihm gelassen? Warum hat sie mich nicht mit genommen? Wie sollte ich mit 14 Jahren bei ihm klar kommen? Was hatte sie sich dabei gedacht? Zu viele Fragen und wieder keine Antworten. Ich musste jetzt einfach damit leben, wie es gerade war. Einerseits, wäre ich mit abgehauen, hätte ich Jan nicht kennengelernt. Ein Lächeln huschte über mein Gesicht. Jan, der Junge der mein Leben auf einen Schlag veränderte.

Es war mittlerweile bestimmt schon 0 Uhr. Nur die grellen Lichter der Straßenlaternen zeigten mir den Weg. Es war kalt, meine Füße froren und meine Finger spürte ich schon lange nicht mehr. Was mich aber mehr als alles andere störte war, dass ich mich ständig umdrehen musste. Ich hatte das Gefühl mich würde wer beobachten. Schon den ganzen Weg über. Ich hatte Angst, der Wind der durch Bäume und Büsche flog machte es auch nicht besser. Ich hörte Schritte, die mir immer näher kamen und ich blieb stehen. Ich wusste nicht wieso, aber meine Beine wollten einfach nicht weiter gehen.

"Na, du scheiß Schwuchtel" hörte ich eine leise Stimme hinter mir sagen. Das Blut gefror in meinen Adern, diese Stimme würde ich überall wieder erkennen. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken, nahm den Geruch von Alkohol wahr. Er hatte wieder einmal getrunken. Was machte er hier? "Schau wasch ausch dir geworten ischt, Andree. Eine scheiß Schwuchtel bischt du!". Diesmal schrie er lauter und ich hoffte irgendwer würde mich hören, wenn ich um Hilfe rief. "Dreh disch gefälligst um, wenn isch mit dir rede!" wies er mich lallend an. Er war stockbesoffen, was sollte man auch anderes von ihm erwarten.

Widerwillig drehte ich mich zu ihm um, schaute aber zu Boden. Da spürte ich auch schon einen heftigen Schlag in meinen Magen. Ich krümmte mich, den Schmerz war ich doch eigentlich schon gewohnt, aber es schmerzte jedesmal aufs Neue. Danach folgte ein Schlag in mein Gesicht, ich konnte das Gleichgewicht nicht mehr halten und fiel rücklings auf den Asphalt. Eine warme Flüssigkeit lief mir über den Mund, Blut. Diese Schmerzen hatte ich eine ganze Weile nicht mehr gespürt und jetzt waren sie wieder da. Ich fühlte eine unendliche Leere in mir. Ich wollte schreien, konnte aber keinen Laut hervor bringen.

Meine Stimme war wie ausgelöscht, kein einziger Ton wollte mich verlassen. Das Atmen fiel mir schwer, mir wurde schummrig und die dunkle Nacht ließ meine Augen zufallen. Ich durfte nicht schwach werden. Ich musste durchhalten, musste wach bleiben. Einen letzten Tritt in meinen Magen spürte ich, bevor mich meine Kräfte endgültig verließen und er mit einem schelmischen Lachen verschwand. Wieso tat er mir sowas an? Ich war mit meinen Nerven am Ende, wimmerte leise, mich würde ja eh keiner hören. Ich atmete nur ganz leicht, jede auch nur so kleine Bewegung löste einen zuckenden Schmerz in mir aus. Scheiß Schwuchtel.

Wieso hatte er sowas gesagt? Wusste er von Jan? Hatte er mich beobachtet? Wäre er dazu wirklich in der Lage? Im betrunkenem Zustand könnte man ihm alles zutrauen. Ja, auch sowas. Dass er mich schlug war schließlich nicht das erste Mal. Leise keuchte ich auf, wieder dieser Schmerz. "A-Andre?" hörte ich jemanden flüstern. Jan. Was machte er denn auch noch hier? "Shit, das sieht nicht gut aus. Kannst du aufstehen?" fragte er. Seine Besorgtheit war nicht zu überhören. Er machte sich wirklich Sorgen um mich. Ich nuschelte unverständliches Zeug, mein Verstand drohte schlapp zu machen. Ich konnte jetzt nicht aufgeben.

- JANS POV -

Wieso hatte ich nur zu gesehen? Warum habe ich ihm nicht geholfen? Ich stand nur an der Seite rum und habe zu gesehen, wie mein Freund verprügelt wurde. Wieso er? Das konnte nicht aus Zufall geschehen sein. "Andre... ey wach auf" versuchte ich ihn zu wecken, schlug ihm leicht gegen die Wange. Er war eingeschlafen. Würde er wieder aufwachen? Natürlich würde er das! Oder...? Ich sollte aufhören mir Gedanken darüber zu machen. Plötzlich began er zu sprechen. "Jan... ic-ich..." krächzte er schwach. "Andre! Oh mein Gott, du... du musst jetzt wach bleiben, hörst du?" sagte ich.

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