- Kapitel 25 -

521 40 161
                                    

Nachdem ich fünfzehn Minuten später im Wohnheim ankomme und atemlos durch die Tür in den Schlafsaal stürme, hebt Mike überrascht seinen Kopf. Er ist allein. Rasch wirft er sein Handy neben sich, springt vom Bett hoch und steuert auf mich zu, um mich freudig in seine Arme zu schließen.

"Hey du, ich hab dich schon vermisst! Du hättest heute wirklich dabei sein müssen und sehen sollen, wie Paul ..."

Mike unterbricht sich selbst, indem er prompt einen Schritt von mir zurücktritt. Er rümpft sichtlich angewidert seine Nase.

"Oh mein Gott, Leyli, wie siehst du denn aus? Und du stinkst, wie eine ganze Kneipe! Geht es dir gut? Was ist passiert?"

Mein bester Freund begutachtet mich argwöhnisch von oben bis unten, so als würde er mich auf irgendwelche Verletzungen untersuchen, oder dadurch den Geschehnissen näher auf den Grund kommen.

Mein rasender Atem beruhigt sich keineswegs, deswegen seufze ich laut und will bereits atemlos, aber zugleich unverblümt losplappern, um ihm einfach jede Verrücktheit der letzten drei Stunden zu erzählen. Abrupt halte ich inne. Wäre das überhaupt eine Möglichkeit, die Wahrheit zu sagen?

Gleichzeitig versuche ich die Achterbahn an Gefühlen schnell unter Kontrolle zu bekommen und grinse ihn im nächsten Augenblick ganz lässig an. Hoffentlich kauft er mir das ab ...

"Ach, nur eine Barschlägerei mit viel Bier und rate wer gewonnen hat! Aber keine Sorge, mir geht's gut, Key. Und wie war euer Freibadbesuch? Was hat Paul eigentlich genau angestellt? Obwohl ich bei einer solchen Anspielung eher denken würde, dass Ben etwas Zweifelhaftes getan hat ..."

Es tut verdammt weh, ihn in diesem Moment anzulügen und mit meinem blöden Gequatsche ablenken zu wollen. Die Vorstellung seine Gefühle vielleicht doch tiefergehend zu verletzen, ertrage ich darüber hinaus allerdings viel weniger.

Mike fängt jedoch plötzlich an zu lachen, wobei er mich ein weiteres Mal eingehend von oben bis unten mustert.

"Vergiss den irren Rotschopf und den Vollhonk! Das scheint eine Wahnsinns-Story bei dir zu sein! Die musst du mir unbedingt erzählen! Trotzdem zuerst die Wichtigste aller Fragen: Du hast ihm ernsthaft die Jacke geklaut? Was war das bloß für ein Typ, Leyli!?"

Die rote Farbe wegen meines Dauerlaufs hierher, weicht jäh aus meinem Gesicht und ich erstarre zur Salzsäule.

Wie dumm bin ich denn!

Mir fällt erst jetzt wieder ein, dass ich noch immer die Jacke vom General trage!

Scheiße!

Inständig hoffe ich, und bete zugleich innerlich, dass an keiner Stelle ein Name oder Hinweis auf den Besitzer erkennbar ist.

"Er hatte es irgendwie verdient!", feixe ich augenblicklich.

"Und die Geschichte ist an sich ziemlich kurz: Er goss sein Bier über mich, wir stritten, ich bekam die Jacke und Ende!"

Damit habe ich nicht einmal gelogen und lächle deshalb ein wenig aufrichtiger, als ich mich dennoch fühle.

Mein bester Freund hält mir als Reaktion darauf seine Faust hin und ich schlage ein, bevor er mit einem gewissen Funkeln in seinen Augen bemerkt:

"Leyli, ich bin total sprachlos. Mit dir wird es wohl nie langweilig ... Und wie gerne wäre ich dabei gewesen. Du bist einfach nur slay!"

Weiterhin lächelnd, aber mit einem verdammt schlechten Gewissen, schaue ich ihm in seine ehrlichen, großen, grünen Augen. Ich muss seinem durchdringenden Blick mit den hochgezogenen, sanft geschwungenen Brauen endlich ausweichen, sonst durchschaut er mich wahrscheinlich doch noch ...

Kampflos ergebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt