- Kapitel 38 -

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Während ich mich auf mein Bett kauere und die Arme jetzt lieber um meine dicht an den Körper gezogenen Beine schlinge, bleibt General Davis angespannt an der Tür stehen. Er sieht die ganze Zeit über sehr nachdenklich aus, stöhnt plötzlich genervt auf, wobei er sich immer wieder über die scheinbar müden Augen reibt. Meine Kopfschmerzen lassen mich öfter die Stirn runzeln und wahrscheinlich ernster aussehen, als beabsichtigt.

Genau deswegen frage ich mich, ob wir heute wohl den ganzen Tag in diesem Raum zusammen festsitzen? Eine Tablette wäre jetzt nicht schlecht ...

Inzwischen beobachte ich meinen Vorgesetzten skeptisch aus der Ferne, als er die seltsame Stille nach einer gefühlten Ewigkeit unterbricht, indem er leise fragt:

"Janssen ... haben Sie Angst vor mir?"

Davis schaut direkt zu mir. Diesen unsicheren, traurigen und nahezu erschöpften Ausdruck in seinem Gesicht habe ich in der Art noch nie bei ihm gesehen. Normalerweise strahlt er pures Selbstbewusstsein aus und Stolz, mit seiner gewissen Portion an Überheblichkeit.

"Nein", flüstere ich rasch und schaue dennoch unschlüssig zu Boden. Vor einer Stunde wäre ich mir bei der Antwort ein wesentliches Stückchen sicherer gewesen.

"Aber das sollten Sie ... unwichtig ... ich kann es in Ihrem Gesicht ablesen, denn Sie haben es bereits ... E-Es tut mir sehr leid, was gerade passiert ist ...", wirft er zurück und runzelt seufzend die Stirn. Davis' Körperhaltung ist währenddessen in sich zusammengesackt. Seine hängenden Schultern, der zu Boden gerichtete Blick sprechen Bände ...

Ich schnaube leise und schüttle energisch den Kopf.

Autsch, das muss ich wirklich mal sein lassen!

Unerbittlich ehrlich sehe ich ihm nun in seine schönen, glänzenden Augen, die Davis erneut auf mich gerichtet hat.

"Vor Ihnen habe ich keine Angst, vielleicht ein wenig vor ihrem ... Dämon ...", erkläre ich mit einem traurigen Lächeln auf meinen Lippen.

Der General räuspert sich und schaut dabei abwesend in Richtung Fenster, auf die Rückseite einiger heller Backsteingebäude. Die nächsten Worte scheinen ihm unglaublich schwer über seine Lippen zu kommen, denn er überlegt lange, bevor er mir zögerlich antwortet.

"Ich verstehe ... Dämon ... das ist wohl ein ziemlich guter und passender Ausdruck ... Die Ärzte hingegen bezeichnen es eher nüchtern betrachtet als PTBS ... Das bleibt letztendlich von einem übrig, wenn man dieses Leben führt. Ich musste schon viele schlimme Dinge tun in meiner Vergangenheit ... Menschen verletzen, töten, verstümmelte Soldaten bergen und ich wurde dabei selbst böse zugerichtet ... Der Job verlangt gewisse Dinge von einem. Ich führe die Mission aus. Dann bin ich wie auf ... Autopilot. Ja, so könnte man es beschreiben."

Seine Stimme ist ruhig, allerdings liegt in ihr ein unfassbares Bedauern und ich habe unwillkürlich einen Kloß im Hals ...

"Verstehen Sie mich nicht falsch, Janssen, ich liebe meine Arbeit, aber dieses nagende Gefühl, das unser täglicher Begleiter ist ... Wir treffen ständig schwierige Entscheidungen in der KSM ... Für uns ist es bloß ein präziser Schuss aus dem Scharfschützengewehr ... Für das Gegenüber sein Leben ... So eine schwere Verantwortung zu übernehmen, um ein Menschenleben auszuschalten, die schlimmen Schuldgefühle und diese Schuld, die einen zerfrisst, wenn man gute Kameraden im Kampf vor seinen Augen sterben sieht und die ständige Todesangst als Begleiter ... das ist nichts für ein Mädchen, wie Sie!"

Nachdenklich gleitet mein Blick über Davis, wie er in der Nähe der Tür steht und weiterhin stoisch aus dem Fenster starrt. Seine Hände sind tief in den Hosentaschen seiner dunklen Jeans vergraben. Die aufrechte, stolze Körperhaltung beweist nichtsdestotrotz seine unaufhaltsame Stärke, aber er lässt zu, dass ich in diesem Moment sogar etwas anderes in seinem Gesicht ablesen kann ...

Kampflos ergebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt