- Kapitel 62 -

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Eine Stunde ist bereits vergangen, während unseres reichhaltigen Frühstücks mit warmen, leckeren Brötchen, Aufschnitt, Käse, Marmelade, Rührei und frisch gepresstem Orangensaft. Wir haben in dieser Zeit nicht ein Wort gewechselt. Die unangenehme Stille bereitet mir ein mieses Gefühl und zugleich Kopfzerbrechen. Ob er sich wohl mit mir langweilt?

Meine Hände spielen nun mit der Serviette neben meinem Teller und ich schaue verlegen zu Davis rüber, als ich bemerke, dass er mich bereits anschaut und lächelt.

Wenn ich nervös bin, fange ich manchmal an zu plappern und das ist wohl auch in diesem Moment der Fall, als ich mich sagen höre: 

"Darf ich dir eine Frage stellen? Also, du hast ja klar gemacht, dass wir keine Freunde sind, aber wir könnten ja trotzdem reden ... nur wenn du möchtest. Du musst natürlich nicht, also dich mit mir unterhalten, oder auf meine Frage antworten." 

Ich seufze peinlich berührt und senke meinen Kopf.

"Okay, einverstanden. Du darfst mir sogar drei Fragen stellen und ich bemühe mich sie dir offen und ehrlich zu beantworten."

Überrascht wegen seiner Antwort sehe ich auf und schaue sogleich in ein amüsiertes und erwartungsvolles Gesicht vom General. 

"Mmmh, gleich drei Fragen sogar ... da weiß ich ja gar nicht wo ich anfangen soll!?", murmele ich zutiefst aufgeregt vor mich hin und räuspere mich schnell.

Davis lehnt sich derweil entspannt zurück, den linken Arm lässig über die Armlehne vom freien Stuhl neben sich gelegt und den rechten auf dem Tisch abgestützt, als seine Handgeste mir andeutet zu beginnen.

"Oh, okay, also ... meine erste Frage lautet: Was hat es mit all den Büchern in deinem Arbeitszimmer auf sich? Sind das deine? Hast du sie etwa alle gelesen?" 

Ich sehe ihm interessiert in seine funkelnden Augen. Etwas blitzt in ihnen auf, während plötzlich ein glücklich wirkendes Lächeln seine Lippen ziert.

Davis nimmt sich einen Moment Zeit, bevor er gedankenversunken antwortet: 

"Jedes einzelne Werk gehörte zu Noras Sammlung. Sie liebte Bücher und all die verschiedenen Geschichten, die sie in andere Welten führten. Wir sind Sonntags sehr oft zu verschiedenen Flohmärkten gefahren, wo Nora mindestens zwei Hände voll Bücher vorm sicheren Papiermüll-Tod rettete, zumindest nannte sie es so. Und dann hat sie den restlichen Tag mit Lesen verbracht. Letztendlich ist Nora gegangen, aber die Möglichkeit in andere Welten abzutauchen ist geblieben. Ich habe es nicht übers Herz gebracht ihre Sammlung herzugeben und sie behalten, damit ich mich jeden Tag an meine Schwester erinnere. Nora war vielleicht eine Träumerin, aber von uns beiden definitiv die bessere Hälfte. Und ja, ich habe sogar einige von ihnen gelesen."

Mit dieser Antwort hatte er mein Herz schlagartig noch ein Stückchen mehr erobert ... verdammt! Diese Seite von ihm ... Oh Gott, wie schwer kann er es mir bitte machen, ihn als einen Bekannten zu sehen ... Scheiße!

Ich lächle Davis verhalten an und hoffe, dass er mein laut schlagendes Herz nicht hören kann. 

"Eine gute Entscheidung und eine sehr schöne Idee ... Es tut mir immer noch zutiefst Leid wegen deines Verlustes! Sie klingt nach einer unfassbar tollen Frau."

Davis zuckt mit den Schultern und sein Blick wirkt wesentlich trauriger als zuvor, während er mit rauer Stimme flüstert: 

"Danke. Weißt du, ich habe an dem Tag wesentlich mehr, als meine Schwester und zugleich beste Freundin verloren. Meine Eltern geben mir die Schuld an allem was passiert ist, womit sie definitiv Recht haben und sie sind auch nicht in der Lage mir das zu verzeihen. Die beiden haben es nie für gut befunden, dass wir zusammen zur Marine gegangen sind und machten mir deshalb zum Vorwurf, Nora mit reingezogen zu haben. Seit der Beerdigung haben wir kein Wort mehr gesprochen."

Kampflos ergebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt