Kapitel 3

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„Hey Linnea. Ich bin wieder da.
Joshua hat uns zu einem Spieleabend bei sich Zuhause eingeladen. Hast du Lust?"
„Kommt Leon auch?"
„Ja."
„Okay, dann bleib ich hier."
Serge, der in der Küche die Einkäufe einräumt sieht nicht begeistert aus.
Seufzend lege ich mein Handy auf die Couch und gehe Richtung Küche.
„Du hast versprochen das ihr es versucht." vorwurfsvoll sieht mein Mitbewohner mich an.
„Ich weiß. Aber ich will den Idioten nicht sehen!" motze ich. Ich erwarte, das Serge jetzt durch die Decke geht. Leon ist sein bester Freund und er würde ihn mit dem Leben verteidigen. So viel habe ich von Joshua schon gelernt. Man sieht ihm an, wie sauer er ist. Innerlich ist er am kochen. Aber seine Stimme bleibt ruhig.
„Linnea. Ich weiß das ihr beide eine gemeinsame Vergangenheit habt. Ich weiß auch, daß Leon sich damals ab und zu wie ein Arsch benommen hat. Aber er ist mein Bester Freund. Du kennst die Regeln. Wenn dein gezicke so weiter geht, dann kannst du dich schon mal dran machen dir eine neue Wohnung zu suchen.".
Schweigend starre ich auf den Tisch.
„Wir fahren um 17 Uhr los. Ansonsten möchte ich, daß du meine Wohnung verlassen hast, bevor ich gegen 22 Uhr wieder komme.".
Ohne mich noch einmal an zu sehen verschwindet er und knallt die Tür zu seinem Zimmer zu.
Ich merke wie mir warme Tränen die Wange herunter laufen.
Verdammt. Ich hab alles kaputt gemacht.
Nur weil ich so ein Sturkopf bin.
Mit schnellen Schritten gehe ich in mein Zimmer, um meinen Bruder an zu rufen.
Wir haben ein gutes Verhältnis zu einander. Ich hab das Verlangen, alles was hier in München, wo ich eigentlich ein neues Leben anfangen wollte, gerade schief geht, meinem Bruder Patrick mit zu teilen.
Patrick ist seit unserer Trennung nicht gut auf meinen Ex zu sprechen. Das geheule, das er sich zwei Jahre lang anhören musste, macht es wahrscheinlich nicht besser. Aber er ist der jenige, der mir in dieser Situation die besten Ratschläge geben kann. Meine Freunde würden Leon auf der Stelle umbringen für das, was er getan hat. Sie wären natürlich auf meiner Seite und würden mich auffordern wieder zurück nach Bochum zu kommen.
Bei meinem Bruder weiß ich, das er die Dinge auch aus einer anderen Perspektive betrachtet.
Ich wähle seine Nummer. Es dauert nicht lange, bis er ab hebt.
„Lins? Ist alles okay?"
Es tut gut seine Stimme zu hören. Sie gibt mir das Gefühl, Zuhause zu sein.
„Nein. Hier läuft alles schief, seit Leon zurück in mein Leben gekommen ist, geht es nur noch Berg ab.".
Mir kommen wieder Tränen hoch und ich kann sie nicht zurück halten. Immer wieder kullert mir eine über die Wange.
Am anderen Ende bleibt es kurz still. „Lass dir von Leon dein Leben nicht zerstören Lins. Jetzt erzähl aber erst mal was überhaupt passiert ist." seine Stimme klingt ruhig. Das beruhigt auch mich ein bisschen.
„Gestern wollte Serge mir seine Freunde vorstellen. Und dann stand er auf einmal vor der Tür. Und er hat sich nicht einmal entschuldigt für das was er gemacht hat. Und das beste ist, Serge will das ich mit ihm befreundet bin. Sonst schmeißt er mich aus der Wohnung. Wenn ich heute nicht mit zu so einem lahmen Spieleabend komme, dann muss ich weg!".
Schweigend hört mein Bruder mir zu.
„Linnea pass auf. Du wirst um den Spieleabend nicht drum herum kommen. Das weißt du selbst.
Aber du solltest noch mal mit Serge reden. Er kennt die Version sicher von Leons Seite aber nie aus deiner Sicht. Vielleicht versteht er es ja, wenn du nicht immer Lust darauf hast, Leon zu sehen. Aber ich kann auch Serge verstehen. Du hast ihm versprochen, das du mit Leon klar kommst. Ein Versprechen wird nicht gebrochen.".

Nach einer halben Stunde, in der ich mit meinem Bruder geredet habe, stehe ich vor der Zimmertür von Serge und klopfe an. Mein Herz schlägt bis zum Hals.
„Komm rein!" ertönt nach einer Weile die Stimme von innen.
Ich trete in den Raum und sehe mich erst einmal um. Noch nie war ich in seinem Zimmer.
Es ist relativ kühl eingerichtet. An der Wand hängen nur zwei Bilder. Eines von Leon, Joshua und ihm und eine eingerahmte Medaille.
Mitten im Zimmer sitzt Serge auf seinem Bett und sieht mich erwartungsvoll an.
„Es tut mir leid. Ich habe nicht bedacht, das es dir so wichtig ist."
etwas hilflos bleibe ich in seinem Zimmer stehen.
„Ist schon gut Linnea. Ich weiß wirklich nicht genau, was zwischen Leon und dir passiert ist. Ich kenne nur Leons Version. Es würde mich brennend interessieren, deine zu hören." er klopft mit einer Hand auf dem freien Platz in seinem Bett. Zögernd setzte ich mich neben ihn. „Er hat euch von mir erzählt?" verwundert sehe ich Serge an. Ich hätte nie gedacht, das er jemals mit jemandem über die Sache redet.
„Ja Linnea. Als er hier zu uns nach München gekommen ist, ist es ihm schwer gefallen, sich hier zurecht zu finden. Er hat Bochum nicht gerne verlassen. Er wusste das er scheiße gebaut hatte, als er mit dir Schluss gemacht hat. Er wollte weit weg von allem was geschehen ist. Genau so wie du." er macht eine Pause. Ich spüre wie sein Blick an mir hängt. Sofort fühle ich mich unwohl in seiner Nähe und rücke ein Stück zur Seite.
„Linnea. Ich will nur das du es verstehst." er wendet seinen Blick nicht ab.
„Leon hatte es die letzten zwei Jahre nicht leicht. Joshua und ich haben ihm viel geholfen. Jetzt wo er das schlimmste überstanden hat, kommst du auf einmal wieder zurück in sein Leben. Wir möchten nicht, das er noch mal in so ein Loch fällt. Wir beide wären dir sehr dankbar, wenn ihr wenigstens versucht mit einander klar zu kommen. Ihr müsst ja keine Beste Freunde sein, aber wir glauben, der Kontakt zu dir würde Leon gut tun.".
Langsam entspanne ich mich wieder und atme einmal tief durch. Es ist komisch, zu hören, was Leon die letzten Jahre getrieben hat. Nachdem er damals mit mir Schluss gemacht hatte, weil ich ihm nicht die Unterstützung im Fußball geben konnte, die er gebraucht hatte, hatte ich mit ihm abgeschlossen. Ich war damals so verdammt wütend auf ihn. Schnell habe ich sämtlichen Kontakt zu ihm abgebrochen. Klar, wir waren beide 17 und man hätte es als Teenager Liebe bezeichnen können. Aber damals war ich mir sicher, das ich mit ihm den Rest meines Lebens verbringen will.
Und um ehrlich zu sein, habe ich die letzten Jahre in einem kleinen Teil meines Herzens gehofft, das unsere Geschichte hier noch nicht zu Ende ist.
„Hat er den eine neue Freundin?" fragend sehe ich Serge neben mir an.
„Das musst du mit Leon selbst klären Lins. Ich kenne nur einen Teil eurer Geschichte und möchte mich da nicht einmischen.".
Der kleine Hoffnungsschimmer, ihn über Leons Liebesleben aus zu quetschen verschwindet schnell wieder.
„Ich möchte nicht mit Leon reden."
murmele Ich leise.
Ich merke, wie die Erinnerungen wieder hoch kommen und ich langsam die Fassung verliere.
„Ich hab Angst das er mir wieder weh tut." flüstere Ich und merke wie mir eine Träne über die Wange läuft.
Schnell wischt Serge diese weg und legt vorsichtig einen Arm um meine Schulter.
„Das wird er nicht. Und wenn er es doch wagt einem tollen Mädchen wie dir weh zu tun, bekommt er es mit mir zu tun.".
„er würde es nicht das erste mal tun".
Eine Weile bleibt es still zwischen uns beiden.
Lang überlege ich, ob ich wirklich mit zu Joshua kommen soll.
Doch schlussendlich stehe ich um halb 6 gemeinsam mit Serge vor seiner Tür.
Der kleine Blondschopf öffnet uns die Tür. Seinen Kumpel begrüßt er mit einen Handschlag, während er mich in eine Umarmung zieht. „Schön das du auch hier bist Linnea!"er wirft einen erleichterten Blick zu seinem besten Freund, der neben mir steht.
„Kein Problem wird bestimmt toll." der ironische Unterton ist kaum zu überhören. Sofort bekomme ich von Serge einen Kniff in die Seite.
Ich folge den beiden nach drinnen und ziehe meine Schuhe aus.
Als ich Leons Nikes im Flur stehen sehe, senkt sich meine Laune noch weiter in den Keller.
Gerade habe ich wirklich keine Lust ihn zu sehen.
„Hey!".
Als ich die Stimme höre erstarre ich. Leon.
Ich versuche mein bestes Lächeln auf zu setzen und drehe mich zu dem Mann, der lässig im Türrahmen steht.
„Hey." antworte ich knapp und drehe mich sofort wieder zu Serge um.
Zu viert gehen wir ins Wohnzimmer. „Sorry Linnea, aber Lina ist heute nicht da, weil die Frau von Thomas mit ihr einen Mädels Abend macht." entschuldigent sieht Jo, der sich in die Kissen der Couch sinken lässt, mich an.
Was für eine tolle Idee von Serge, mich hier hin zu schleppen.

„Ist schon okay." schulterzuckend nehme ich mir ein Glas Wasser vom Tisch und setzte mich neben ihn auf das Sofa.
Die anderen beiden tauchen auch bald wieder auf, mit einer Schüssel Chips in der Hand.
„Lass uns Fifa spielen."
meint Serge, nach einer Weile.
„Teams?" Joshua, der sich gerade eine Hand voll Chips in den Mund geschoben hatte, schaut erwartungsvoll in die Runde.

„Jungs, ihr wisst schon, das ich kein Fifa spielen kann? Geschweige den die Regeln von Fußball kenne.".
„Das kriegen wir schon hin!" meint Serge und auch Joshua und Leon stimmen der Idee mit den Teams zu. „und wie teilen wir die Teams auf? Ist es nicht irgendwie ungerecht, für den jenigen, der mich bekommt? ". Schulterzuckend sieht Serge mich an. „Wir machen einfach Schere, Stein Papier!".

Natürlich. Natürlich musste es so kommen das ich mit Leon in einem Team lande. Nach dem ich gegen Joshua verloren habe, lasse ich enttäuscht meine Hand sinken. Für einen kurzen Moment überlege ich, ob ich einfach abhauen soll. Warum zur Hölle bin ich überhaupt mit gekommen?!
Im nächsten Moment merke ich, wie Leon näher an mich heran rückt. Eine Gänsehaut breitet sich auf meinem Körper aus.
„Komm schon Lins. Lass es uns wenigstens versuchen!" vorsichtig streckt er mir einen Controller hin.
Meinen Spitznamen aus seinem Mund zu hören, lässt mich erstarren.
Ohne ein Wort zu sagen, nehme ich ihm den Controller aus der Hand.
„Also wenn du hier rauf drückst, machst du einen Steilpass. Und hier einen Tor-"
„Ich schaff das schon!" unterbreche ich ihn mit einem scharfen Ton.
Er zieht die Augenbrauen nach oben. Genau so wie er früher immer geschaut hatte, wenn ich auf dumme Ideen kam. Er hat sich nicht verändert.
Die erste Runde, die ich gegen Serge spielte, endete mit einer 6:1 Niederlage für unser Team.
Doch im Lauf des Abends konnte ich es immer besser.
Ich schaute mir Tricks von Leon und den anderen ab und schnell waren wir so weit, das unser Team alle Spiele gewann.
„Jaaaa!" jubelnd reise ich meine Arme in die Höhe.
„Gewonnen!" ruft Leon und wir fallen uns in die Arme.
Eine Weile genieße ich es, doch schnell holen mich die alten Gefühle wieder ein.
Serge hat Recht. Ich sollte nicht so tun, als ob nie was zwischen uns gewesen wäre. Ich sollte mich mal ernsthaft mit Leon unterhalten.
Allerdings nicht heute. Der Abend hat mehr Spaß gemacht, als ich anfangs dachte und ich möchte die Stimmung nicht versauen.
Wir sitzen noch eine Weile auf der Couch und unterhalten uns.
Als es langsam spät wird, verabschieden Serge und ich uns von den anderen. Sie alle haben morgen früh Training.

„Das hat ja besser geklappt als du dachtest!" grinsend sieht Serge mich an, als wir seine Wohnung betreten.
Eigentlich würde ich jetzt die Augen verdrehen oder so. Allerdings bin ich gerade selbst glücklich, das es so gut gelaufen ist. „Vielleicht.". Schulterzuckend verschwinde ich ins Bad und mache mich fertig.
Wenig später liege ich in meinem Bett und starre an die Decke.
Ich merke selbst, das ich heute alle meine Sorgen um Leon vergessen habe.
Wie verdammt konnte ich mich auf ihn einlassen? Er hat sich so benommen, als wäre das alles gar nicht passiert.
Viele fragen schwirren durch meinen Kopf.
Ich nehme mein Handy zur Hand und googele seinen Namen. In der Hoffnung, irgendwas über ihn und eine neue Freundin heraus zu finden.
Doch da gibt es nichts. In keinem seiner Interviews hatte er jemals über eine gesprochen. Schon zu seinen Bochumer Zeiten hatte er sein Privatleben gerne zurück gehalten.
Also gibt es nur einen Weg, herauszufinden, was bei ihm wirklich abgeht.
Seufzend öffne ich meine Chats und scrolle ganz nach unten.
Ich hatte es nie über das Herz gebracht, Leons Nummer zu löschen.
Als ich den Chat finde, drücke ich auf 'entblockieren'.
Vor zwei Jahren hätte ich nicht im Traum dran gedacht, das ich das jemals tun werde.
Interisiert sehe ich sein Profilbild an.
Es ist ein Bild von ihm, wie er gemeinsam mit Serge einen Pokal hoch hält und überglücklich in die Kamera grinst.
Keine Spur von einer Frau.

„Hey Leon. Ich bins, Linnea. Können wir uns morgen Nachmittag auf einen Kaffee treffen? Ich denke, wir haben einiges zu bereden."

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