Kapitel 37

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„Langweilig!" genervt nehme ich die Fernbedienung und schalte um.
An einem Mittwoch Nachmittag kommt einfach nichts richtiges im Fernsehen.
Ich schalte noch durch ein paar Programme, bevor ich mich entscheide den Fernseher aus zu machen.
Ich bin vor einer halben Stunde von der Arbeit gekommen und wollte einfach mal entspannen. Aber dafür sind die Doku Soaps im Fernsehprogramm eindeutig nicht geeignet.
Seufzend setzte ich mich auf und sehe mich in der Wohnung um. Wenn Serge nicht da ist, ist alles so leer hier. Er bringt Leben in die Wohnung.

Aber mein Mitbewohner ist gerade beim Training. Er hat heute Rehabilitation und sollte jede Minute wieder hier auftauchen.
Gerade lege ich die Decke, die ich mir genommen habe wieder zurück auf den Stapel, als es an der Tür klingelt. Serge kann es nicht sein. Er hat seinen Schlüssel dabei. Aber Besuch kommt mir mehr als passend. So habe ich wenigstens jemanden zum Reden.

Mit schnellen Schritten gehe ich zur Wohnungstüre und öffne diese mit einem breiten Grinsen.
Das vergeht mir allerdings sehr schnell, als ich sehe, wer mich besuchen kommt.
Ein mir nur allzu bekannter, brauner Lockenkopf sieht mir in die Augen.
Leon.
„Oh, tut mir leid, ich wollte zu Serge. Ich dachte er ist schon fertig mit Training." er geht einen Schritt zurück und will sich umdrehen, um zu gehen.
Kurz überlege ich, halte ihn dann aber doch auf.
„Er müsste jeden Moment da sein. Komm rein!".
Ich trete zur Seite und lasse ihn in die Wohnung.

„Auch einen?" ich halte die Kanne Kaffee, die ich gerade gekocht habe hoch.
„Nein danke." er schüttelt den Kopf.
Schulterzuckend drehe Ich mich um und gieße Kaffee in meine Tasse. Ungewöhnlich. Normalerweise kann Leon zu Kaffee nie nein sagen.

Es herrscht eine angespannte Stille. Man spürt, das keiner von uns beiden sich traut, etwas zu sagen.
So hatte ich mir meine Unterhaltung, die ich mir gewünscht habe, nicht vorgestellt.

Als Serge nach zehn Minuten immernoch nicht auftaucht, wird das Schweigen langsam unangenehm.
Die Anwesenheit von Leon macht  mich verdammt nervös.
Immer wieder spüre ich seinen Blick auf mir, was ein unangenehmes Gefühl in meinem Magen auslöst.

„Wie geht es dir?" durchbricht er irgendwann die Stille.
Diese Frage überfordert mich.
Wenn ich jetzt sage, das es mir gut geht, dann denkt er, ich bin über all das schon hinweg. Das ist eindeutig nicht der Fall.
Aber es geht mir auch nicht schlecht. Ich habe gelernt damit umzugehen.
„Geht schon." antworte ich schließlich.
Gerade will ich noch etwas erwähnen, als zum Glück endlich das Geräusch des Schlüssels in der Haustür zu hören ist. Serge.
„Serge kommt gerade! Ich muss dann mal los!" ich werfe Leon einen flüchtigen Blick zu und will in mein Zimmer verschwinden.
Aber als sich unsere Blicke treffen, bin ich wie erstarrt. In seinen Augen spiegelt sich die Verzweiflung wieder.
„Linnea ich-" er setzt vorsichtig zu einem Satz an.
„Nein Leon" unterbreche ich ihn und verschwinde in mein Zimmer.

Ich will nicht mit ihm reden.
In letzter Zeit habe ich alles so gut verarbeitet.
Es kann nicht sein, das er mich wider so weit zurück wirft. Es ist vorbei.

„Tut mir leid, ich wusste nicht das Leon so früh da ist. Eigentlich wollte ich ihm nur ein paar Schuhe geben, das er sich leihen wollte. Ich dachte, bis er kommt wäre ich daheim!".
Serge streckt vorsichtig seinen Kopf durch die Türe.
„Ist schon okay, war ja nicht so schlimm!" ich bringe ein leichtes Lächeln hervor.
„Dann ist gut." Mein Mitbewohner macht eine Pause und mustert mich ausgiebig.
„Ist es okay wenn Leon zum Abendessen hier bleibt?"
Gefallen tut mir das ganz und gar nicht.
Aber Leon ist immernoch sein bester Freund und mein Mitbewohner hat in letzter Zeit viel für mich in Kauf genommen.
„Ist schon okay" antworte ich.
Als die Tür sich hinter Serge wieder schließt, lasse ich mich seufzend auf mein Bett fallen.
Leon nach knapp zwei Monaten Trennung wieder zu sehen ist ein komisches Gefühl.
Aber wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, hätte ich es nicht für immer vermeiden können.
Schließlich wohne ich mit seinem besten Freund zusammen und wir haben so ziemlich den gleichen Freundeskreis.
Auf Josh und Lina, Manu und Annika, Leroy, Jamal, Kingsley und Sabrina und Thomas und Lisa möchte ich auch ohne Leon nicht verzichten.
Sie sind mir seit ich hier in München lebe gewaltig ans Herz gewachsen.
In manchen Situationen wüsste ich gar nicht, was ich ohne sie alle machen würde.

Den Nachmittag verbringe ich in meinem Zimmer, um eine ungeplante Begegnung mit Leon zu vermeiden.

Gegen Abend klingelt es ein erneutes mal an der Tür.
Neugierig öffne ich meine Zimmertür einen Spalt, um zu sehen, wer es ist.
Und das Ergebnis zu dem ich komme ist mehr als erfreulich.
Es sind Joshua und Lina.
So muss ich das Abendessen mit Leon nicht alleine aushalten.
Sofort gehe ich in den Flur, um die beiden zu begrüßen.
Dort haben sich auch schon Serge und Leon versammelt.
„Hey ihr beiden!" ich begrüße Jo mit einem Handschlag und Lina mit einer Umarmung.
Sie wirft mir einen Mitleidigen Blick zu, als sie sieht, das Leon auch hier ist.
Gemeinsam gehen wir in die Küche, um den Tisch für das Abendessen zu decken.
Ich vermeide es, nocheinmal alleine mit Leon in einem Raum zu sein.
Und das gelingt mir bisher ganz gut.

Er ist in der Küche, um seinem besten Freund mit dem Essen zu helfen und ich decke gemeinsam mit Joshua und Lina den Tisch.
„Wie geht es dir in letzter Zeit?" besorgt sieht Lina mich an. Ich habe mich schon lange nicht mehr mit ihr getroffen. Das hat aber nichts mit der Trennung zu tun. Ich habe auf der Arbeit viel zu tun. Abends will ich dann meistens etwas entspannen und runter kommen.
„Ganz gut eigentlich." ich schenke ihr ein Lächeln.
„Es ist schön zu hören, das du gut zu recht kommst. Aber wenn sich irgendwas bedrückt, kannst du immer zu mir kommen!".
„Danke Lina. Das bedeutet mir wirklich viel!".

Zehn Minuten später ist das Essen fertig und wir sitzen alle um den Tisch und genießen unser Abendessen.
„Du kannst so verdammt gut kochen Serge!" anerkennend klopft Joshua seinem Kumpel auf die Schulter.
„Ja! Das ist wirklich gut!" begeistert stimmt Lina ihrem Freund zu.
Die beiden haben Recht.
Serge als Mitbewohner und Koch zu haben ist ein Traum.
Während des Essens unterhalten sich die Jungs über ein Fußball Spiel.
Zeit genug für mich, Leon, der in die Diskussion vertieft ist, immer wieder zu mustern.
Er hat sich nicht groß verändert. Wie auch, in zwei Monaten.

Nach dem Essen räume ich gemeinsam mit Lina die Teller in die Spülmaschine und mache die Küche sauber.

Gegen 22 Uhr verabschieden sie und Joshua sich. Nur Leon bleibt noch. Er ist in ein Fifa Match mit Serge vertieft.

Fast würde ich sagen, es ist alles so wie in alten Zeiten, als er jeden Abend bei uns verbracht hat.
Praktisch bei uns gewohnt hat.
Aber damals habe ich mich in seiner Nähe wohl gefühlt.
Jetzt nicht mehr.
Sein Dasein löst ein komisches, unangenehmes Gefühl in mir aus.
Ich gehe raus auf die Dachterrasse, um frische Luft zu schnappen.
Und nach zu denken.

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