Kapitel 17

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„Ich bin wieder da!" höre ich Leon rufen. Kurz darauf betritt er das Wohnzimmer und kommt zur Couch, auf der ich gerade liege.
Seitdem ich mir diese verdammte Grippe eingefangen habe, sind schon ein paar Tage vergangen. Inzwischen bin ich schon auf dem Weg der Besserung.
Leon stellt mir ein Glas Wasser auf den Tisch und setzt sich neben mich auf die Couch.
„Du hast kein Fieber mehr! Das ist ein gutes Zeichen!" bemerkt er, als er vorsichtig seine Hand auf meine Stirn legt.
„Ich fühle mich auch schon wieder besser." murmele ich und setze mich auf.
Leon nickt und verschwindet in die Küche.
Kurz darauf kommt er mit einer Tüte wieder.
„Ich war einkaufen und hab dir Nudeln von deinem Lieblings Italiener mitgebracht. Du hast die letzten Tage fast gar nichts gegessen. Und ich dachte die schmecken dir vielleicht". Er hält mir einen Teller mit Pasta hin.
„Danke Leon! Du bist der beste!" glücklich nehme ich die Nudeln entgegen. Genau das habe ich gebraucht.
Die letzten Tage habe ich mich nur von Suppe ernährt, zumindest das was davon drin geblieben ist.
Ich habe mich noch nie so elend gefühlt. Aber Leon ist mir nicht von der Seite gewichen.
Er hat sich um mich gekümmert, wie mein großer Bruder damals, als ich klein war.
Leon war jeden Tag hier.
Er hat mir Tee gemacht, mir Suppe gebracht, meinen Fuß jeden Tag aufs neue verbunden und mir jeden erdenklichen Wunsch erfüllt.

Jetzt sitzen wir hier gemeinsam und essen Nudeln. Es ist das erste mal seit 5 Tagen, das ich etwas richtiges esse.

„Danke für alles Leon".
„Für die Nudeln? Hätte ich gewusst das du die brauchst um wieder glücklich zu werden, hätte ich sie dir schon vorher gebracht!"
Grinsend schüttele ich den Kopf.
„Nein. Danke das du immer für mich da bist und dich so gut um mich gekümmert hast."
„Mach ich doch gerne " antwortet er und sieht mich von der Seite an.
Als sich unsere Blicke treffen, fühlt es sich an, als würde die Welt stehen bleiben.
In meinem Bauch spüre ich das verdammte Kribbeln, das ich nie wieder zulassen wollte. Ich wollte mich verdammt noch mal nicht mehr verlieben. Schon zweimal nicht in ihn.

Unser Schweigen wird von Serge, der in den Raum gestürmt kommt unterbrochen.
„Leon! Wir sind spät dran!" genervt sieht er seinen besten Freund an.
„Ist ja schon gut ich komme" schnell springt Leon auf und holt seine Sporttasche.
Kurz darauf sind die beiden zum Training verschwunden.
Amüsiert darüber, wie verplant Leon manchmal ist, räume ich lächelnd meinen Teller in die Spülmaschine.
Weil ich mich wieder etwas fitter fühle, als in den letzten Tagen, entscheide ich mich dazu, mein Zimmer etwas auf zu räumen.
Zuerst wasche ich meine Klamotten und wechsele meinen Bettbezug. Dann wische ich noch den Boden und räume die Küche auf.

Erst als ich vor der Kaffeemaschine stehe und auf meinen Cappuccino warte, merke ich, wie anstrengend der Tag war. Aber es hat gut getan, endlich mal wieder etwas zu machen und nicht nur den ganzen Tag im Bett zu liegen.
Draußen geht langsam die Sonne unter und ich entscheide mich, meinen Kaffee auf der Dachterrasse unserer Wohnung zu genießen, um die letzten Sonnenstrahlen einzufangen.
Wir haben Anfang Mai und die Abende werden langsam wieder wärmer.
Ich bleibe noch eine ganze Weile in der Sonne sitzen und denke über vieles nach. Insbesondere über mich und Leon.
Natürlich merke ich, das ich langsam aber sicher Gefühle für ihn entwickele. Genau das macht die ganze Sache so verdammt schwer. Leon hat in den letzten Jahren so viel im Fußball erreicht und lebt seinen Traum. Währenddessen bin ich gerade erst mit dem Studium fertig geworden und will erste Berufserfahrung sammeln. Ob ich schlussendlich hier bleibe oder ob es mich wieder zurück zu meiner Familie zieht, weiß ich noch nicht. Und das ist das Problem.
Sollte ich mich wirklich auf Leon einlassen, dann heißt das, dass ich, solange er Fußball spielt, davon abhängig bin, bei welchem Verein er spielt. Wenn er wo anders hin zieht, weil er den Verein wechselt, muss ich gezwungenermaßen mit.
Das hat mir damals schon vor unserer Trennung Angst gemacht. Er hatte zu dem Zeitpunkt schon das ein oder andere mal erwähnt, das es sein Traum ist, mal bei einem großen Verein wie Bayern München zu spielen. Doch ich hatte ihm das immer wieder ausgeredet. Aus dem einfachen Grund, das ich mich nicht auf eine Fernbeziehung einlassen wollte, aber auch nicht von Zuhause weg wollte. Ich wollte da bleiben wo ich bin.
Das war damals einer der Gründe für ihn, zu sagen, ich unterstützte ihn nicht gut genug. Von einen auf den andren Tag hat er Schluss mit mir gemacht, weil er meinte, ich sei ein schlechter Einfluß auf seine Karriere.

Wenn ich rückblickend darüber nachdenke, könnte da was wahres dran gewesen sein. Wenn er auf mich gehört hätte und bei Bochum geblieben wäre, würde er jetzt sicher nicht einer von den besten Spielern der Liga sein.

Ich zucke zusammen, als ich aufeinmal von hinten umarmt werde.
Sofort zieht der jenige seine Arme zurück. „Sorry wollte dich nicht erschrecken. Du sahst so nachdenklich aus"
Als ich bemerke, das es Leon ist, der mich zurück in die Realität geholt hat, atme ich erleichtert auf.
„Alles gut. Hab gar nicht bemerkt, als ihr Heim gekommen seid" meine ich leise und richte meinen Blick Richtung Berge, hinter denen gerade die Sonne untergeht und München in ein goldenes Licht taucht.
„Über was denkst du den nach?" neugierig sieht Leon mich von der Seite an.
Ich drehe mich ebenfalls zur Seite und sehe ihm tief in die Augen.
„Willst du es wirklich wissen?".
Er nickt.
„Über uns" antworte ich leise.
„Über uns?"
ich sehe wie bei den Worten ein leichtes Lächeln über seine Lippen huscht.
„Ja. Über uns.".
Leon tritt einen Schritt näher an mich heran, so dass ich meinen Kopf heben muss, um ihm in die Augen zu sehen.
„Und zu welchem Entschluss bist du gekommen?" fragt er kaum hörbar, während seine Augen ständig zwischen meinen Augen und meinen Lippen hin und her wechseln.
Das Gefühl seines Atems auf meinen Lippen bereitet mir Gänsehaut.

„Ich brauche noch Zeit Leon. Das ist alles so frisch und-"
„Ist schon gut Linnea. Nimm dir die Zeit die du brauchst. Ich werde auf dich warten" er schenkt mir ein leichtes Lächeln, allerdings sieht man die Enttäuschung in seinen Augen.
„Es tut mir lei-"
„Alles wird gut werden. Ich verstehe das du noch Zeit brauchst" unterbricht mich Leon und nimmt mich in den Arm.
„Danke"
Ich lasse mich auf die Liege die neben mir steht fallen und sehe in die Leere. Es ist alles so verdammt verwirrend.
„Alter!"
Erschrocken fahren Leon und ich herum.
Gleichzeitig drehen wir uns Richtung Terassentüre, wo wir Serge erblicken.
„Ich koche und ihr faulenzt hier herum oder was?! Essen ist gleich fertig! Leon, du kannst den Tisch decken." meint er, und schickt Leon mit diesen Worten zurück in die Wohnung.
Als dieser nach drinnen verschwunden ist, kommt mein Mitbewohner auf mich zu und setzt sich neben mich auf die Liege.
„geht es dir wieder besser?" fragend sieht er mich an.
„Ja" ich nicke.
Kurz bleibt es still zwischen uns.
„Weißt du Lins, ich bin stolz auf dich"
„Warum?" fragend sehe ich ihn an.
„Du und Leon, ihr versteht euch echt gut."
Grinsend sehe ich ihn an. „Vielleicht ist er ja doch ganz nett" meine ich.
Serge muss auch lächeln. „Als nett würde ich das nicht bezeichnen. Ab und zu ist er noch etwas frech!".
Serge hilft mir hoch, weil ich meinen Fuß immer noch nicht richtig belasten kann. Gemeinsam gehen wir in die Küche, wo Leon schon auf uns wartet.
Zu dritt lassen wir den Abend noch ausklingen.

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