Kapitel 2

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Ich werde von einem lauten Geräusch geweckt. Verwirrt sehe ich mich um. Es hörte sich an, als wäre ein Gegenstand auf den Boden gefallen. Als ich nach ein paar Sekunden das fluchen von Serge in der Küche vernehme, ist mir klar wo der Lärm herkommt.
Ich schlage meine Bettdecke zur Seite und gehe aus dem Zimmer um zu schauen, was passiert ist.
Kaum betrete ich die Küche, steigt mir der Duft von Kaffee in die Nase.
Mitten im Raum steht mein Mitbewohner, der sich bemüht, die Scherben eines zerbrochenen Tellers wieder ein zu sammeln.
„Guten Morgen“ murmele Ich und er zuckt leicht zusammen.
„Linnea, sorry, hab ich dich geweckt?“ emtschuldigent sieht mein Gegenüber mich an. „Nein alles gut!“ lüge ich. Ich möchte nicht, das Serge wegen mir ein schlechtes Gewissen hat. Schließlich hat er sich Mühe gegeben und Frühstück für uns gemacht.
„Ich war joggen und dann direkt Brötchen holen!“ grinsend sieht er mich an.
„An so einen Mitbewohner kann ich mich durchaus gewöhnen!" meine ich lächelnd und nehme mir eines der Brötchen aus der Tüte.

„Und was hast du für heute so geplant?" mein Gegenüber beißt von seinem Brötchen ab.
„Keine Ahnung, ich dachte heute Abend kommen deine Freunde?!".
Er nickt. „vielleicht könnten wir gemeinsam einkaufen gehen und später das Abendessen kochen. Wenn du willst kann ich dir auch noch etwas beim aufstellen deiner Möbel helfen.".
„Klingt nach einem guten Plan!".
Ich räume den Tisch ab und verschwinde in mein Zimmer, um den Pyjama gegen eine Jeans und ein weißes Sweatshirt aus zu tauschen. Im Bad schminke ich mich noch schnell und ziehe mir Schuhe und Mantel über.
„Bist du fertig?" fragend sehe ich zu Serge, der gerade seine Jacke an zieht. „Warte!" aus einem Schrank im Flur zieht er eine Sonnenbrille heraus und setzt sich zusätzlich noch eine Mütze auf, die er tief ins Gesicht zieht.
„Jetzt." murmelt er und wir gehen nach unten zu seinem Auto.
Er tut mir unglaublich leid. Nur weil er berühmt ist kann er Dinge, die für uns ganz normal sind nicht mehr erleben, ohne erkannt zu werden. Wahrscheinlich kann er noch nicht einmal in einem Café sitzen, ohne das am nächsten Tag ein Zeitungsartikel darüber erscheint.

Die Fahrt über bleibt es still zwischen uns. Er konzentriert sich auf die Straße und ich sehe mir aufmerksam meine Umgebung aus dem Fenster des Autos an. München sieht ganz anders aus, als jede andere Großstadt. In manchen Vierteln hast du das Gefühl, du lebst in einer Kleinstadt mit vielleicht achthundert Einwohner und nicht in München.
„Hier sind wir!" seufzent zieht Serge seine Mütze tiefer ins Gesicht.
Ich steige aus dem Auto und folge ihn in den Supermarkt.
„Hast du eigentlich schon einen Plan, was du kochen willst?"
Gnabry zuckt mit den Schultern.
„nicht wirklich. Ich lasse mich meistens beim Einkaufen inspirieren.".
Ohne etwas zu erwidern folge ich ihm durch die Gemüse Abteilung.
Ab und zu bleibt er stehen und man sieht ihm an, das er überlegt.
So gehen wir durch den ganzen Laden, bis die Kassen in Sicht sind.
„Endlich!" murmele Ich. Mit Serge einzukaufen ist echt nerven aufreibend.
Wenn er alle hundert Meter, wie aus dem nichts stehen bleibt, so das ich direkt in ihn rein laufe, würde ich ihm am liebsten eine scheuern.
Aber wir stehen zum Glück bereits in der Schlange an der Kasse.
Auf dem Weg nach draußen werden wir allerdings von einem kleinem Jungen auf gehalten.
„Bist du Gnabry?" mit großen Augen sieht er meinen Mitbewohner an.
Gnervt darüber, das sein Plan mit der Tarnung wohl nicht ganz so gut aufgegangen ist, nickt er.
„Möchtest du ein Foto kleiner?"
Das Kind nickt und zeigt zu seiner Mutter, die ein Handy in der Hand hält. Mehr als bereit, ein Foto von ihrem Sohn zu machen.
Seufzend zieht mein Mitbewohner die Sonnenbrille aus und grinst gemeinsam mit dem Jungen in die Kamera.
Ehrlich gesagt fühle ich mich in der Situation unwohl. Ich weiß nicht wo ich mich hinstellen soll. Schlussendlich stelle ich mich etwas abseits, so das ich nicht auf dem Foto zu sehen bin.
Als der Junge mit seiner Mutter wieder verschwindet, setzt Serge die Brille wieder auf und wir gehen gemeinsam zu seinem Auto.
Die Fahrt verläuft still. Wir hängen beide unseren Gedanken hinter her.
Schnell sind wir wieder in der Tiefgarage angekommen und tragen die Einkäufe nach oben.
„Wie wärs wenn wir zu erst die Möbel aufstellen, dann bleibt uns später noch genügend Zeit um zu Kochen.“.
Ich nicke und Serge folgt mir in mein Zimmer.
Er hilft mir dabei, meine zwei Regale zusammen zu bauen, wobei er sich aber nicht sonderlich geschickt anstellt.
Weil wir beide nicht die größten Handwerker sind, steht das Regal am Ende etwas wackelig auf den Beinen aber das ist mir wirklich egal. Ich bin ihm dankbar, das er mir geholfen hat.
„Sieht doch...okay aus!" grinsend strecke ich meine Hand zu Serge und dieser schlägt ein.
„Wenigstens es steht!".
Ich räume das Regal noch schnell ein, während er sich schon ein mal seiner Lieblingsbeschäftigung widmet. Dem Kochen.
Als ich das letzte Bild aus dem Karton ziehe, versetzt es mir einen Stich ins Herz.
Es zeigt mich und Leon auf dem Weihnachtsmarkt in Bochum. Er hat seine Hände um meine Tallie geschwungen und ich stehe dicht neben ihm. Wir beide grinsen überglücklich in die Kamera.
Es ist mein Lieblingsbild von uns beiden.
Bis jetzt habe ich es nicht geschafft, mich von diesem Bild zu trennen. Ob es daran liegt, das ich ihn tief im inneren immer noch liebe oder ob es eine simple errinerung an meine Heimat ist, weiß ich nicht.
Auch heute raffe ich mich nicht dazu auf, es zu entsorgen. Ich stelle es vorsichtig auf das Regal.
Es fühlt sich so an, als wäre dieses Bild die letzte Erinnerung an uns beide. Ich bin noch nicht bereit, komplett los zu lassen.

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