Kapitel 33

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Ich wache als erste von uns auf.
Serge schläft noch tief und fest auf seiner Matratze neben meinem Bett. Auch Leon gibt ein leises Schnarchen von sich.
Vorsichtig, um die beiden nicht auf zu wecken, greife ich nach meinem Handy.
5 verpasste Anrufe von Clara, unzählige Nachrichten von Luisa.
Ich versuche allen zu antworten.
Am Ende fehlt mir persönlich noch eine Nachricht. Benni.
Er hat nicht einmal versucht sich zu entschuldigen.
Bei dem Gedanken an gestern Abend wird mir übel.
So eine Aktion werde ich ihn nie verzeihen können.
Dabei waren wir seit der Grundschule befreundet.
Ich will gar nicht darüber nachdenken, wie weit es gekommen wäre, wenn meine beiden Freunde mir nicht zur Hilfe gekommen wären.

Seufzend lasse ich mich zurück in die Kissen fallen.
Erst jetzt bemerke ich Leons Blick auf
mir.
Er ist inzwischen aufgewacht und sieht mich nachdenklich an. Er verfolgt jede meiner Bewegungen gebannt.
Ich drehe mich auf die Seite, so daß ich ebenfalls in seine Augen sehen kann.
Eine Weile bleiben wir so liegen, sehen uns tief in die Augen und versinken in unseren Gedanken.
„Willst du darüber reden?" unterbreche ich vorsichtig die Stille.
Leon schüttelt den Kopf.
„Nein.".

„Wollt ihr jetzt weiter so rum liegen und euch anstarren oder endlich mal aufstehen? Ich hab Hunger!" Serges Stimme durchbricht die Stille entgültig.
Erst jetzt bemerke ich, wie viel Hunger ich habe.
„Du hast Recht. Lass uns aufstehen!" seufzend schlage ich die Bettdecke beiseite und zeige meinem Kumpel das Bad.
In meinem Zimmer tausche ich das Schlafshirt gegen ein Sweatshirt ein.

„Ist was?" fragend sehe ich Leon, der mich durch den Spiegel immer wieder mustert, an.
Er schüttelt den Kopf. „Es ist nur-"
Pause.
„Benni macht mich so verdammt wütend. Er hätte sonst was mit dir anstellen können!" er verzieht das Gesicht.
Seufzend drehe Ich mich zu ihm um. „Ich weiß. Und ich bin dir verdammt dankbar, das du da warst. Ohne euch wäre ich verloren gewesen!".
Leon nickt nur stumm.

„Guten Morgen!" fröhlich begrüßt mich meine Mutter, als wir runter zum Frühstücken kommen.
Als sie meine beiden Begleiter sieht, erwarte ich einen Einlauf von ihr, das ich nicht einfach irgendjemand in unser Haus schleppen dürfe.
Schon in meiner Kindheit durfte nie jemand bei mir übernachten.
Allerdings begrüßt sie die beiden Jungs ebenso gelassen wie mich und geht zurück in die Küche.
Fragend sehe ich Serge an.
„Wusste meine Mutter das ihr hier seid?" er nickt.
„Wir dachten gestern natürlich du bist zuhause aber deine Mutter hat uns gesagt, das du mit Freunden im Club bist. So haben wir dich auch gefunden." erzählt er.
Als Antwort nicke ich nur stumm.
Der Gedanke an gestern löst wieder eine Gänsehaut aus.

Nach dem Frühstück machen wir uns relativ früh wieder auf den Weg nach München. Meine Mutter wirkte etwas enttäuscht, weil sie gehofft hatte, das ich länger hier bleibe.
Aber um ehrlich zu sein möchte ich das Risiko meinen Freunden, insbesondere Benni, über den Weg zu laufen verringern.
Außerdem gibt es zwischen Leon und mir vieles zu klären.
Es wäre ein Fehler, die Situation so stehen zu lassen.
Auf der Fahrt nach Hause bleibt es still. Serge auf dem Beifahrersitz gönnt sich ein Nickerchen und auch ich bin relativ schnell eingedöst.
Ich wache erst wieder auf, als wir schon in der Innenstadt von München sind.
Eine Weile beobachte ich noch schweigend die Lichter, die am Fenster vorbei ziehen, bis Leon in die Tiefgarage des Wohnhauses, wo unsere WG liegt, einbiegt.
„Tschau bis morgen!".
Mein Mitbewohner verabschiedet sich schnell von seinem Kumpel. Auch ich will es kurz machen.
„Tschau, Danke!" bei den Worten drehe ich mich noch ein letztes mal zu ihm um. In seinen Augen spiegelt sich Verzweiflung wieder. Bevor ich schwach werde, setzte ich meinen Weg nach oben fort.
Ohne Leon.
Wir müssen reden, das ist klar. Aber noch nicht jetzt.

„Ich bin im Bett!" gähnend verabschiedet sich Serge aus der Küche. Dort haben wir die letzte Stunde verbracht, Tee getrunken und uns unterhalten.
Es ging um Dinge wie meine Arbeit, Serges Pläne für die freien Tage und noch vieles mehr.
„Alles klar, Gute Nacht!".
Seufzend stehe ich auf und räume unsere Tassen in die Spülmaschine.

Danach mache auch ich mich relativ schnell fertig fürs Bett. Auch wenn ich im Auto geschlafen habe, fühle ich mich verdammt schlapp und müde.

In meinem Zimmer setzte ich mich auf mein Bett und starre ins leere.
Im Moment bin ich einfach ratlos.
Wenn ich Leon noch eine Chance geben würde, dann müsste ich mein komplettes Leben hergeben und mit ihm nach Spanien ziehen.
Oder eine Fernbeziehung führen.
Das kann nur in die Hose gehen.

Nachdenklich sehe ich mich in meinem Zimmer um, als mein Blick auf das Bild von Leon und mir auf dem Weihnachtsmarkt fällt.
Ich stehe auf, um es mir noch einmal genauer an zu sehen.
Damals war die Welt noch okay.
Jetzt hat sich alles geändert. Außer eine Tatsache. Ich liebe Leon noch. Vielleicht sogar mehr als damals.

Mir laufen die ersten Tränen herunter und ich kann sie nicht mehr zurück halten.
Ich lasse mich zurück in mein Bett fallen und scrolle durch Instagram, um mich abzulenken.
Mein Blick bleibt bei einem Beitrag der Bild hängen.
Es zeigt ein Bild von mir und Leon im Sommerurlaub.
Ich habe keine Ahnung, wie sie an dieses Bild gekommen sind, aber die haben bestimmt ihre Quellen.
Unter dem Bild steht eine Caption, die mich zum schmunzeln bringt:

„Verliebt, Verlobt, Verheiratet!
Haben sich der Bayern-Star Leon Goretzka und seine Freundin Linnea im gemeinsamen Italien Urlaub etwa verlobt?
Linnea trägt einen auffälligen Ring an ihrer Hand und Goretzka ist glücklicher als je zuvor. Wir wünschen den beiden viel Glück in der Zukunft!"

Echt Lustig was die Presse manchmal in so kleine Dinge herein interpretiert.

Auf einmal fällt es mir auf. Ich habe Leon nie ausreden lassen.
Vielleicht wollte er nie Verein wechseln.
Vielleicht war auch das alles nur dummes gerede der Presse.
Sofort macht sich in mir Panik breit.

„Scheiße!" fluche Ich.
Leon war nie der Idiot. Ich war es. Damals bei den Wechselgerüchten über Bayern habe ich ihn auch nie ausreden lassen. Wenn er vom Fußball erzählt hat, habe ich ihn wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Und statt ihm bei seinem Training zu zusehen habe ich ein Buch gelesen.
Verdammt, ich bin so ein Idiot.
Nicht Leon. Wie konnte der Typ es nur mit mir aushalten...
Verzweifelt fahre ich mir durch die Haare.

Ich muss sofort zu ihm.
Er hat eine gewaltige Entschuldigung verdient.
Mehr als das.

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