Kapitel 32

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„Linnea! Post für dich!".
Genervt ziehe ich mir die Decke über den Kopf.
„Was?"
Keine Antwort von meiner Mutter.
Schlussendlich siegt meine Neugierde und ich gehe nach unten, um nach zu sehen.

An der Haustür angekommen, breche ich fast wieder in Tränen aus.
Meine Mutter hält mir grinsend einen riesigen Strauß weißer Rosen hin. An einer ist eine Karte befestigt. Ich kann mir vorstellen, von wem die sind.

Schon allein der Gedanke an ihn treibt Tränen in meine Augen.
Aber ich will diese Gefühle nicht zu lassen.
Er weiß das er einen Fehler gemacht hat. Den kann er mit ein paar Blumen nicht einfach rückgängig machen.
Ich nehme die Blumen entgegen und gehe in die Küche.
Bereit, die Blumen in den Müll zu feuern.
Ich lege den Strauß auf der Arbeitsfläche ab und entfalte die Karte mit zitrigen Händen.
„Tut mir leid. Leon.".
Wow.
Der einfühlsamste Mensch ist er ja nicht gerade.
Aber schön, das er mir Blumen geschickt hat.
Mit einem kritischen Blick betrachte ich diese.
Alles wunderschöne, weiße Rosen. Aber sie sind von ihm. Ich darf nicht nachgeben. Nicht für einen läppischen Strauß Blumen. Da muss sich der Herr schon was besseres einfallen lassen.
Ich will sie gerade weg schmeißen, als meine Mutter mich aufhält.
„Linnea. Vielleicht hat er viel falsch gemacht. Aber er gibt sich zumindest  Mühe das wieder auszubügeln. So etwas hätte dein Vater nie gemacht. Heb sie wenigstens auf!" seufzend lasse ich von meinem Vorhaben ab.
„Na gut" murmele ich und drücke die Blumen meiner Mutter in die Hand, die schon eine Vase bereit gestellt hat.

Ich verziehe mich wieder in mein Zimmer und vergrabe mich unter meiner Decke. Seit gestern habe ich mich nicht umgezogen.
Ich trage immer noch die Jogginghose und den Pulli von Leon.
Ich bin sauer auf ihn. Aber der Hoodie errinert mich an die Nähe zu ihm. Und es fühlt sich so an, als würde ich das jetzt brauchen. Das ist verwirrend.
Ich bin sauer auf ihn, vermisse aber gleichzeitig seine Umarmungen seine Stimme, seinen Geruch, einfach alles an ihm.
Warum muss Liebe so schmerzhaft sein?!

Seufzend drehe ich mich in meinem Bett um und starre an die Decke.
So geht es den ganzen Nachmittag weiter, bis es an der Tür klingelt.
Eine mir nur allzu bekannte Stimme begrüßt meine Mutter und Schritte näheren sich meinem Zimmer.
„Linnea! Mein Gott du musst dringend hier raus! Was hat der Arsch nur mit dir gemacht!" seufzend zieht  meine beste Freundin Clara mir die Decke weg.
„Komm schon! Lass uns feiern gehen! Du brauchst Ablenkung von dem Typen!".
„Nein lass mich in Ruhe." murrend drehe ich mich zur andern Seite und versuche, wieder an meine Decke zu kommen.
Jetzt gerade bin ich wirklich nicht in Party Stimmung.
Aber Clara lässt nicht locker.
„Nein das tu ich nicht. Benni und Luisa kommen auch mit. Wir fahren in einer halben Stunde los!".
Sie nimmt mich am Arm und zieht mich ins Bad. Widerwillig folge ich ihr und mache mich einigermaßen frisch für den Club.
Auf 'feiern' habe ich heute keine Lust. Aber vielleicht hat Clara recht und es lenkt mich von Leon ab.

Ich sage noch schnell meiner Mutter bescheid wo ich bin und folge Clara dann nach draußen, wo die anderen beiden schon warten.
Die Taxifahrt zu dem Club, der etwas außerhalb von Bochum liegt, verläuft still. Zu dritt sitzen wir auf der Rückbank. Jeder ist in sein Handy vertieft. Doch ab und zu spüre ich den durchdringenden Blick von Benni auf mir. Ein unangenehmes Gefühl.

Im Club angekommen bestellt Clara sofort eine Runde Margaritas für uns.

Während die anderen beiden Mädels sich relativ schnell auf die Tanzfläche begeben und Benni sich mit ein paar anderen Jungs unterhält, bleibe ich an der Bar sitzen und schlürfe meinen Cocktail.
Die Sache mit Leon hat mir tatsächlich jeglichen Spaß am Leben genommen.

Es wird immer voller im Club und schnell habe ich meine Freunde aus den Augen verloren.
Durch die vielen Leute wird es auch ziemlich stickig im Inneren des Gebäudes.
Deswegen entscheide ich mich, nach draußen zu gehen, um ein bisschen Luft zu schnappen.

„Da bist du ja!" Benni taucht auf einmal hinter mir auf.
Ich nicke. „Hab frische Luft gebraucht" murmele ich.
„Verstehe".
Ich spüre wieder seinen eindringlichen Blick auf mir.
„Das mit Leon hat dich ganz schön mitgenommen oder?".
Bei seinem Namen verlässt schon wieder eine Träne meine Augen.
Ich nicke stumm und starre den Boden an.
Ich kenne Benni schon so lange. Noch nie habe ich in seiner Nähe geweint. Ich möchte nicht, das er mitbekommt, wie weh mir das alles wirklich tut.

Auf einmal kommt mein Kumpel näher und stellt sich dicht neben mich.
Ich wische mir mit den Ärmel meines Pullis die Tränen aus den Augen und sehe ihn an.
„Was ist?"
„Weißt du Linnea?" er macht eine kurze Pause und sieht mir in die Augen. Das löst ein unangenehmes Gefühl in mir aus. Als würde sich mein Magen umdrehen.
„du bist ein wunderschönes Mädchen. Wenn er so mit dir umgeht hat er dich nicht verdient." als er den Satz beendet, rückt er noch ein Stück näher an mich heran.
Auf meinem ganzen Körper bildet sich eine Gänsehaut.
„Benni ich weiß nicht-".
Aber er lässt nicht locker.
Sein Blick haftet immer noch auf mir und langsam aber sicher macht sich Panik in mir breit.
Ich werfe einen Blick nach links und rechts, aber keiner ist hier.
Scheiße.
„Hab keine Angst Linnea, ich werde auf dich aufpassen. Nicht so wie dieser Arsch!".
Vorsichtig legt Benni seine Hand an meinen Kinn und zwingt mich, ihm in die Augen zu kucken.
Am ganzen Körper fange ich an zu zittern. Am liebsten würde ich jetzt rennen, aber es fühlt sich alles an wie gelähmt.
Zudem hat Benni seinen Arm fest um meine Tallie gelegt. Aus dem Griff könnte ich mich nicht befreien.
„Das ist keine gute Idee" meine ich zitriger Stimme.
„Keine Angst!" flüstert er und kommt näher.
„ich will das nicht Benni!" sage ich etwas energischer, aber es scheint als könnte ihn keiner von seinem Vorhaben abhaben.
Seine Lippen kommen immer näher.

Doch bevor er meine berührt, werde ich von einem starken Arm weg gezogen.
„Sie hat gesagt Sie will es nicht!".
Als ich die wütende Stimme hinter mir höre erstarre ich.
Es ist die Stimme, die ich nicht hören wollte.
Der jenige, der mir 20 Nachrichten auf der Mailbox hinterlassen hat, aber ich mir keine einzige davon angehört habe.
Der jenige, der mir Blumen geschickt hat.
Leon hatte mich gerade davor gerettet unfreiwillig geküsst zu werden. Wer weiß, was Benni noch mit mir vor hatte.
Als er in Leons zornerfülltes Gesicht blickt, wird Benni blass. Er ist vielleicht gut trainiert, aber gegen Leon kommt niemand an.
Leon kommt auf ihn zu und packt ihm am Kragen seines T Shirts.
„Lass Sie gefälligst in Ruhe!" Leons Stimme bebt.
Benni nickt und schluckt schwer, bevor Leon von ihm ablässt und er die Flucht ergreift.
Als er endlich weg ist, sacke ich in Leons Armen zusammen.

„Es tut mir so leid" flüstere ich und kann die unzähligen Tränen nicht zurück halten.
Leon bleibt still und umarmt mich fest.
Er spendet mir Trost. In diesem Moment bin ich froh das er da ist.

„Was ist passiert?!" höre ich auf einmal die aufgeregte Stimme von Serge, der hinter Leon auftaucht.
„So ein Typ wollte sie gegen ihren Willen küssen!" meint Leon zu seinem besten Freund.
Besorgt sieht dieser mich an.
Ich löse mich aus Leons festen Griff und wische mir schluchzent mit meinem Ärmel die Tränen vom Gesicht.
„Komm. Wir bringen dich nach Hause". Meint Serge und geht vor zu Leons Auto.
Leon begleitet mich und lässt dabei meine Hand nicht los.
Als wollte er mir zeigen, das er immer an meiner Seite ist.

Wir fahren zu mir nach Hause. Meine Eltern sind heute zum Grillen bei Freunden eingeladen und es ist erst 23 Uhr. Sie sind noch nicht zuhause.
Zum Glück. Das ganze meiner Mutter zu erklären wäre schwierig geworden.

„Wir haben zwar kein Gästezimmer, aber ich hoffe das tuts auch." unsicher sehe ich Serge an und zeige auf die Matratze auf dem Boden. Ich hab eine Decke und ein Kissen für ihn heraus gelegt.
„Das gibt voll die Pijama Party Vibes! Cool!" bemerkt er und lässt sich auf die Matratze fallen.
Wir reden nicht mehr viel.
Nicht über das was gerade passiert ist und auch über Leons Wechsel verliert keiner von uns mehr ein Wort.
Ich bin den beiden einfach nur verdammt dankbar, das sie zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren.

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