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Konzentriert starrte ich auf meine narbenübersäten Fingerknöchel und dachte nach. Irgendwoher mussten diese Narben ja kommen. Doch, sobald ich näher darüber nachdachte, kribbelte wieder mein ganzer Körper. Kopfschüttelnd wandte ich mich um und ließ meinen Blick über die Lichter wandern. Wenn mich nicht alles täuschte, waren wirklich alle gekommen, um mir dabei zuzusehen, wie ich Minhos Prüfung anging. Mein Herz wummerte laut in meiner Brust, wenn ich nur daran dachte. Was würde heute Abend wohl für ein Ergebnis stehen bleiben? Würde ich gewinnen und aufgenommen werden oder würde Minho mir eine mehr als nur unangenehme Niederlage schenken? Ich hoffte Ersteres.

»Noch kannst du aufgeben«, riss Minho mich mit einem abfälligen Unterton aus meinen Gedanken. Einige Lichter kicherten. Von ihnen konnte ich schonmal kein Support erwarten. Dafür standen die, die an mich glaubten in unmittelbarer Nähe. Newt reckte sogar seinen Daumen in die Höhe und grinste mir zu.

»Niemals.«

»Bist du dir da sicher?«, höhnte er.

»Sicherer, als ich je in meinem Leben war«, gab ich kühl zurück. Ich ließ nicht zu, dass er mich vor versammelter Mannschaft blamieren würde. Für mich ging es hier mehr als nur einen Arbeitsplatz im Labyrinth. Es ging für mich auch um meine Ehre. Immerzu sagte ich, dass ich stark sei. Jetzt war die Chance, den anderen zu beweisen, dass ich nicht log.

»Alles klar, Frischling. Wir teilen den Kampf in drei Teile ein. Der erste Teil: Wettrennen. Bist du schneller, darfst du weitermachen, Scheiterst du, bist du raus und hörst auf, mir auf die Eier zu gehen.«

»Ich gehe mal ganz stark davon aus, dass ich mir meinen Gegner nicht aussuchen werde, sondern so oder so gegen dich antrete?«, mutmaßte ich, worüber Minho nur selbstgefällig grinsen konnte.

»Volltreffer.«

War ja klar, dachte ich verbissen. »Gut, dann will ich aber kein Geheule, wenn ich vor dir im Ziel bin.« Noch bevor ich meinen Satz beendet hatte, wusste ich, dass es eventuell ein Fehler war, Minho so anzustacheln. Er würde seine Aufgaben nur noch schlimmer stellen und versuchen, mich raus zu kicken. Er war immerhin der Hüter der Läufer und somit vermutlich einer der Schnellsten hier.

Minho schien wohl ebenfalls der Meinung zu sein, dass das einer zu viel war, denn er baute sich zornig vor mir auf. »Verärgere mich besser nicht, mit deinen dummen Kommentaren. Ich kann dich einfach so durchfallen lassen. Schneller, als du mit der Wimper zucken kannst. Wenn du ein Käfer bist, dann solltest du nicht mit dem Vogel spielen.«

Statt mich eingeschüchtert zu fühlen, musste ich mir sogar ein Grinsen verkneifen. Dieser Spruch hörte sich so absurd und bescheuert an, dass es mir wirklich schwerfiel, nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Ohne eine Grimasse zu ziehen, sah ich ihm in die Augen. Es kostete mich viel Mühe, den Blickkontakt aufrecht zu halten, denn je länger ich ihn ansah, desto witziger klang es in meinem Kopf.

༻༺

»Seid ihr zwei Streithähne jetzt so weit oder wollt ihr euch noch weiter anstarren?«, rief Alby über die Lichtung hinweg. Er stand bereits zwischen zwei Bäumen, die unsere Ziellinie sein sollten. In der Hand hielt er seine Uhr, die ich ihm vorhin noch zurückgegeben hatte. Er hatte sich bereit erklärt, unsere Zeit zu messen. »Auf geht's, an die Startlinie!«

Mir schlug das Herz bis zum Hals, als ich mich auf meine Startposition stellte. Wie unfair würde Minho wohl im ersten Modul sein? Gab es überhaupt eine Chance für mich, das Ding zu gewinnen? Wenn ich nicht gewann, dann war es aus und vorbei. Minho würde mir keine zweite Möglichkeit geben. Mit meinen Augen fixierte ich Alby und sah gerade noch, wie er die Hand hob, ehe ich wie vom Winde erfasst den Boden unter den Füßen verlor und in eine schwarze Tiefe stürzte.

RUNNERS - Wir sind nie sicher ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt