Die Tage zogen sich hin. Es war keine spaßige Angelegenheit mehr auf der Lichtung, die Stimmung war täglich zum Zerreißen gespannt. Seit einer Woche wusste ich nun schon, wer Jasper war und ich wusste auch, was ich vor diesem Leben getan hatte. Gesprochen hatte ich seit diesem Tag nicht mehr mit ihm. Er versuchte immer wieder, mit mir ein Gespräch anzufangen, jedoch erfolglos. Ich wich ihm immer wieder aus, da ich einfach nicht die Kraft hatte, neuen Lügen zuzuhören.
Ich erwischte mich trotz meiner ganzen Wut immer wieder dabei, wie ich ihn anstarrte. Mal spürte ich den Hass auflodern, mal Trauer, die ich dann aber schnell wieder verdrängte. Es war ein ewiger Kampf zwischen mir und meinen Gefühlen und ich wusste, jeder Fehltritt würde mich etwas kosten.
Immer wieder musste ich auch an meine Freunde denken. Was machte wohl Samuel gerade? Wie erging es Can dort oben im Himmel? Ich wünschte, ich könnte nochmal mit ihm reden, um mich für alles zu entschuldigen. Er hätte nicht sterben müssen. Es war ganz allein meine Schuld, dass er nun nicht mehr lebte.
Zum Glück vertrieb die tägliche Arbeit im Labyrinth für die Zeit meine Sorgen und Ängste. Minho und ich arbeiten weiter an der Suche, jetzt mit neuer Hoffnung. Wir wussten von mir, dass es einen Ausgang gab, dass wir nur nicht genau gesucht hatten. Das einzige Problem bei der Sache war, dass wir nicht wussten, wonach wir suchen mussten. Jetzt gerade machten wir in Sektion sieben eine Mittagspause. Mit der Ruhe kamen natürlich auch meine Gedanken zurück.
Minho schien zu bemerken, dass etwas nicht ganz stimmte, denn er versuchte nun schon zum dritten Mal eine Konversation aufzubauen. Wir kamen offenbar nicht so gut voran, wie sonst, denn er wirkte generell nicht zufrieden, wenn wir aus dem Labyrinth zurückkamen. Vermutlich lag es alles an mir, weil ich dann doch öfter in Gedanken versunken war, als ich dachte. Seufzend gab ich seinen Versuchen nach.
»Wir haben schon lange nicht mehr geredet. Also ... so richtig geredet. Das letzte Mal war, kurz bevor du Jasper so zusammengefaltet hattest, wie ein Stück Origamipapier.« Sanft stupste er mich mit seiner Schulter an.
»Versprichst du mir was?«
»Immer doch. Du kennst mich mittlerweile.«
Dankbar schenkte ich ihm ein kleines Lächeln, bevor ich tief durchatmete und meinen Blick in die Ferne schweifen ließ. »Erzähl es niemanden und bitte sei nicht sauer. Ich verstehe es selbst nicht, wie das möglich sein kann.«
»Okay. Ich höre dir gerne zu.«
»Weißt du ... Jasper und ich, wir kennen uns. Bevor wir auf die Lichtung kamen, waren wir zusammen. Und ... und ich erinnere mich wieder an alles. Ich kenne jedes noch so kleine Detail, kenne die Menschen, die mir mal wichtig waren. Und ich erinnere mich an Jasper. Wir haben uns geliebt.« Einzelne Tränen liefen mir über die Wange und ich musste meine Augen schließen.
»Und jetzt? Seid ihr es nicht mehr?«, hakte er vorsichtig nach.
Ich zuckte traurig mit den Schultern. »Er starb in meinen Armen, Minho. Ich habe ihn gesehen, als er tot vor mir lag. Überall war Blut. Er wurde erschossen. Und letzte Woche, da habe ich alle Erinnerungen zurückerhalten. Kein schöner Moment, muss ich zugeben. Und dann – da ist es mit durchgegangen. Du kannst dir ja gar nicht vorstellen, wie schmerzhaft es war, ihm in die Augen zu blicken und zu wissen, er war sicher irgendwo untergebracht, während ich um mein Leben kämpfen musste.«
Nachdenklich nickte Minho mit dem Kopf. »Und was sagt er dazu?«
»Was soll er schon dazu sagen? Eine Entschuldigung kann mein Herz nicht akzeptieren.«
»Und ... eine Erklärung? Ich kann mir nur ganz schwer vorstellen, dass eure Beziehung nur gespielt war. Ich versteh nicht viel von Liebe und so, aber so wie der Junge dich anschaut, wenn du es nicht bemerkst, kann es nur heißen, dass er voll auf dich steht.«
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RUNNERS - Wir sind nie sicher ✔
FanfictionTRILOGIE | BAND 2 ❛❛ »Ich weiß nicht, was die da draußen machen, aber das will ich auch.« »Du hast keine Ahnung, wovon du redest«, knurrte Chuck und rollte sich auf die andere Seite. »Jetzt schlaf.« Ich war völlig überzeugt davon, ob...