39 | Jasper

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Könnte ich die Zeit zurückdrehen, hätte ich es getan.

Es war nicht nur, dass ich Alea unglaublich verletzt hatte, sondern dass ich auch noch in meiner Wut, die ich vollständig gegen mich richtete, Thomas hinterherrannte. Warum, wusste ich nicht. Schließlich mochte ich ihn nicht einmal. Vielleicht war ich eifersüchtig auf ihn, weil er Alea immer wieder ansah. Vielleicht wollte ich ihm auch einfach nur eine runterhauen, um mich besser zu fühlen.

»Was machst du?!«, hörte ich ihn rufen. Brenda war die Erste von uns dreien gewesen, die nochmal wegrannte. Sie schien etwas vergessen zu haben. »Brenda, wir haben keine Zeit mehr! Wir müssen hier weg!«

Warum war ich nur hier? Kopfschüttelnd rannte ich Thomas hinterher. Brenda stand an einer Schublade, konzentriert wühlte sie sich durch den Kram, der darin steckte, doch ihre Bewegungen waren schnell und unkoordiniert.

Triumphierend schlug sie die Schublade wieder zu. »Ich habs, ich habs!«, schrie sie über den laufenden Song hinweg. Das Lied war grausig. Ich mochte weder die Stimme noch den Text. Und ich wollte nicht wissen, warum Jorge und Brenda so eine Hektik machten.

Als Thomas und Brenda zu mir zurück rannten, blieben sie vor mir abrupt stehen; in ihren Gesichtern war stand die pure Panik geschrieben. Bevor ich mich umdrehen konnte, zog Thomas mich am Arm hinter Brenda. Sie zögerte keine Sekunde zu lange, sondern schoss mit ihrer Pistole dorthin, wo ich eben noch stand.

»LOS, LOS!« Sie schob uns unsanft an und dirigierte uns durch einen schmalen Gang entlang, die Treppe runter, die auf ein Gerüst führte, dass den Raum stützte. Weit unter uns war der Fußboden. Würde man hier runterfallen, würde man sich bestimmt mindestens beide Beine brechen.

»Los, hier lang!«, befahlt Brenda und setzte ihren ersten Schritt auf das schmale Metall. Obwohl ich Angst vorm Runterfallen hatte, eilte ich ihr balancierend hinterher.

»Kleiner, bleib stehen!«, hörte ich hinter mir jemanden rufen. Thomas drehte sich zu der Stimme um, dann wieder zu Brenda.

»He, Brenda! Wie geht's jetzt weiter?«

Sie kletterte bereits über ein Geländer und reichte mir die Hand, als sie ihm antworte: »Schnell, der Song ist gleich zu Ende!«

Mit Schwung sprang ich über das Gitter auf die rettenden Fläche. Thomas balancierte weiter und war fast bei uns, als die Melodie verklungen war. Dann explodierten mehrere Sachen nacheinander. Die Wucht riss mich fast von den Füßen, auch Thomas kämpfte damit, nicht runterzukippen. Erschrocken starrte er in die Richtung, aus der die Explosion kam. Etwas quietschte. Ich sah, wie sich die Pfeiler, die unseren Weg eben noch stützten, langsam wie Dominosteine umfielen.

»Thomas!« Brenda rief ungeduldig seinen Namen, da er sich immer noch nicht bewegte. »KOMM JETZT!« Erst ihr Schrei löste ihn aus seiner Starre. Er sprang mit beiden Beinen über das Gitter und hechtete uns hinterher. Wir rannten auf eine Wand zu.

Ich konnte nichts mehr sagen, weil hinter uns nach einander alles in die Luft ging. Da rief Brenda plötzlich: »Spring!« Im nächsten Moment waren wir auch schon abgesprungen. Ich packte eines der Seile, die wohl noch von einem Fahrstuhl stammten, und rutschte runter. Mir brannten die Hände und ich spürte, wie sich die Haut so aufheizte, dass sie an manchen Stellen einriss. Die glühende Hitze brachte mich beinahe dazu, loszulassen, doch der Sturz in die Tiefe machte mir mehr sorgen.

Als wir auf dem Boden ankamen, hörte ich gerade noch rechtzeitig, wie die Explosion den Schacht erreichte. Ein kurzer Blick nach oben, ließ mich meine brennenden Handflächen ignorieren. Brenda, Thomas und ich sprangen dem Tod um Haaresbreite von der Schippe, denn wären wir nur eine Sekunde zu spät aus dem Schacht gefallen, dann hätten uns die Trümmer lebendig begraben und zerquetscht.

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