41 | Jasper

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Ich hörte Menschen. Richtige, echte Menschen.

Wir traten aus der Seitengasse aus, in der Brenda sich eben ihr Bein angesehen hatte und sahen uns um. Hinter Thomas brannte ein kleines Feuer in einem rostigen Fass, daneben stand ein zerstörtes und verfallenes Auto. Vor uns erstreckte sich eine lange breite Gasse, in der einige Menschen – hauptsächlich Männer – in löchrigen Klamotten herumstreunten, ihren Weg humpelnd hinter sich brachten oder herumschlichen, als wären sie gesuchte Verbrecher.

»Okay, versucht bitte, nicht aufzufallen.« Brenda humpelte vor uns und suchte das Gelände nach potenziellen Gefahren ab.

Viele der Menschen schienen hier zu leben. Planen waren zwischen den kaputten Autos gespannt und die Menschen saßen darunter, grillten ihr Fleisch schwarz und sahen uns hinterher. Ich entdeckte eine junge Frau mit einem Kind, dass sich eilig zwischen den anderen hindurch schob.

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Wir liefen immer weiter, bis die Gasse enger wurde und uns in eine andere führte, die wesentlich voller war, als die davor. Stark geschminkte Frauen saßen neben Männern und machten ihnen schöne Augen. Ich schloss schnell zu Brenda auf.

»Bist du dir sicher, dass wir hier richtig sind?!«, fragte ich und hielt sie am Arm zurück. Sofort löste sie sich aus meinem Griff und sah sich um. Die Leute um uns herum wirkten betrunken und bekifft. Hier fühlte ich mich noch unwohler, als bei den anderen Menschen.

»Wollt ihr auch zur Party?«, fragte uns eine rauchige Frauenstimme. Fragend drehte ich mich zu ihr um. Sie hatte ihre fettigen blonden Haare zu einer semiaufwendigen Steckfrisur hochgebunden. Um ihren Hals hingen mindestens ein duzend Perlenketten, hauptsächlich in beige.

»Äh nein.« Brenda wirkte verwirrt von der Frau, die gerade ihre pinkgeschminkten Lippen zu einem Lächeln verzog. »Wir suchen einen Marcus. Das ist doch sein Versteck, oder nicht?«

»Das hier ist mein Versteck.«

Ein Mann, gekleidet in einem purpurnen Anzug und einem sauber gezogenen Eyeliner um die Augen, trat mit ausgebreiteten Armen aus einer Tür. In seiner Hand hielt er ein Whiskeyglas, aus dem er ein Schluck trank, während er uns beugte. Sein schütteres blondes Haar fiel ihm als Fransen Augen.

Die Frau legte Thomas und mir jeweils eine Hand auf die Schulter und schob uns ein Stück nach vorne, in die Richtung des Typens. Er stand vor einem schwarzen Regal, in dem Bücher standen, dessen Titel mich allesamt daran zweifeln ließen, ob wir hier wirklich richtig waren. Der Ort erschien mir ziemlich zwielichtig. Angewidert schüttelte ich die Hand der Frau von meiner Schulter, als sie anfing, mit ihren dürren Fingern Kreise auf meiner Jacke zu zeichnen.

»Bist du Marcus?« Ich kam direkt zum Punkt, da ich keine Lust auf Spielchen hatte.

»Marcus ...«, sagte er. Seine Stimme zitterte kaum hörbar, doch ich sah, wie sein Adamsapfel nervös sprang, als er seinen Namen aussprach. » ... wohnt hier leider nicht mehr.«

»Weißt du, wo wir ihn finden können?«, wollte Brenda nun wissen.

»Na klar ... klar. Er ist drüben in Zone B.« Der Typ vor uns spielte mit seinen Ringen, die so schwarz waren, wie Obsidian.

Thomas schluckte. »Okay, und was ist „Zone B"

Die blonde Frau ließ von mir ab und scharwenzelte jetzt um Thomas herum. Sie fuhr mit ihren Fingern über seinen Hals, über die Schulter, während sie ihm deutlich hörbar etwas zuflüsterte: »Dort werden die Leichen verbrannt.«

Ich starrte die Frau an, die mir nun zuzwinkerte. Sie steckte sich ihre Fingerspitze in den Mund und betrachtete mich von oben bis unten und wieder zurück, bevor sie mir ein schelmisches Grinsen schenkte, beachtete ihre ganzen Versuche jedoch nicht. Wenn das stimmte, was sie da sagte, dann waren meine Freunde noch immer unterwegs.

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