23 | Jasper

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Als ich aufwachte, lag mir ihr Name auf der Zunge.

Alea.

Bevor ich die Augen aufschlug, sah ich die zerstörerischen Bilder vor mir, die mich in dieser Nacht quälten. Meine Hände zitterten, ich spürte es ganz deutlich. Langsam sah ich mich um. Die meisten Lichter schliefen noch. Nur Chuck war schon auf den Beinen. Er stand vor dem Labyrinth und starrte sehnsüchtig auf die grauen Mauern, die uns hier einsperrten.

Ich atmete tief ein und hielt die Luft an, versuchte, den Druck zu lösen, der sich in meiner Brust anstaute. Was, wenn sie zu viert solche Probleme bekamen, dass sie es nicht schafften? Bei dem Gedanken versteifte ich mich.

Gestern fühlte sich alles, was passiert war, kurz nachdem Thomas und Alea hinter den Mauern eingeschlossen wurden, seltsam unwirklich an. Jetzt nicht mehr. Erneut holten mich die Gedanken ein, die mich in der Nacht quälten. Hatte ich Alea etwa für immer verloren? Mich überlief es kalt. Nein, daran durfte ich nicht denken. Immerhin redete ich hier von meiner kriegerischen Alea, die jeden bekämpfen konnte.

»Hey, Jungs!« Chucks kindliche Stimme riss mich aus meinen Gedanken. »Steht auf!«

Sofort war ich hellwach. Das Labyrinth öffnete sich. Es war so weit, die Wahrheit kam ans Licht. Binnen weniger Sekunden wachten die Lichter auf, sprangen auf die Beine und eilten herbei. Wie gestern Abend standen wir beisammen und starrten in den leeren Gang, in der Hoffnung, unsere Freunde kämen gleich wieder raus.

Alea überlebte das Ganze schon einmal. Warum zweifelte ich also an ihr? Lag es daran, dass sie nicht alleine unterwegs war? Meine Gedanken kreisten unablässig um mein Mädchen. Was, wenn ihr etwas zugestoßen war?

Keiner kam. Mir sackte das Herz in die Hose. Es kam keiner um die Ecke. Da war niemand. Tränen sammelten sich in meinen Augen. Nicht schon wieder, dachte ich aufgewühlt. Nicht schon wieder.

»Hab doch gesagt, die kommen nicht wieder«, murmelte Newt Chuck zu. Er konnte seine Enttäuschung nicht verbergen. Vier Freunde auf einen Schlag verloren, am Vortag der fünfte.

Die Enttäuschung war wie eine Welle in der Brandung. Sie machte schnell die Runde. Einige wandten sich bereits ab. Chuck und ich standen noch da.

Ich senkte meinen Blick zu Boden und kämpfte weiter gegen die Tränen, als Zart plötzlich stehen blieb und etwas murmelte. »Nicht zu fassen.«

Seine Worte sickerten nur langsam zu mir durch. Ich war wie in Trance, starrte den Boden an, als Chuck plötzlich aufjubelte: »Yeah! Ja!«

Erschrocken sah ich auf. Warum jubelte er? Im selben Augenblick konnte ich schemenhafte Gestalten am Ende des Ganges ausmachen. Ich blinzelte angestrengt die Tränen weg, wischte mir über die Wange und sah den Gang rauf. Tatsächlich ... zwei Personen schleppten in ihrer Mitte eine weitere Person. Etwas weiter vorne humpelte ein vierter.

Mein Herz hörte für den Moment auf zu schlagen, nur, um dann doppelt so schnell weiter zu trommeln. Alea ..., dass ... das war Alea! Mein Körper füllte sich mit neuer Lebensenergie und mein Kopf war wie leergefegt. Ich konnte nur Alea anstarren, wie sie hinkend auf mich zukam. Sie sah so fertig aus und trotzdem war sie wunderschön. Ihr Haar fiel ihr in zerzausten Wellen in die Stirn und ihre Augen funkelten, als sie mich ansah. Mit einem Grinsen stellte ich fest, dass sie wohl das halbe Labyrinth mit sich rumtrug. Einige Blätter des Efeus hingen ihr in den Haarsträhnen.

»Helft mal«, stöhnte Thomas vor lauter Anstrengung. Er und Minho trugen Alby, der bewusstlos zwischen ihnen hing, bis an den Rand des Labyrinths, brachen aber sogleich zusammen, als man ihnen unter die Arme griff. Die anderen Jungs waren sofort zur Stelle, doch ich hatte nur Augen für Alea.

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