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»Minho, ich brauch dich.« Alby erwartete uns bereits, als wir gerade erst auf die Lichtung zurückkamen. Jasper wartete etwas weiter hinten ebenfalls auf uns. Stimmt ja, ich hatte noch eine Tour zu führen. Stumm verdrehte ich die Augen.

»Mich nicht?«, hakte ich nach, obwohl ich die Antwort bereits kannte. Wie erwartet deutete Alby mit dem Daumen über seine Schulter hinweg und schüttelte den Kopf.

»Der Frischling wartet auf seine Tour. Minho kann dir meinetwegen nachher alles erzählen. Aber wir müssen jetzt sofort los.« Wenn ich vermuten müsste, was geschehen war, dann tippte ich auf Ben. Scheinbar stimmte etwas nicht mit ihm oder die Medizin, die er von den Lichtern bekam, schlug nicht wie gewünscht an.

Bevor ich Minho bitten konnte, mir auch wirklich davon zu berichten, waren die beiden schon weg. Ich stieß einen schweren Seufzer aus. Ehrlich gesagt fehlte mir die Lust, dem Frischling eine Tour zu geben. Er verhielt sich ganz seltsam und wusste mehr, als wir anderen. Außerdem fehlte mir das Grundwissen, um eine gute Führung zu machen.

»Hey, wie war dein Tag?«, fing er ganz normal an.

»Stressig und frustrierend. Komm.« Smalltalk war jetzt echt das letzte, worauf ich Lust hatte. Trotz meiner abweisenden Art, funkelten seine Augen, wie die eines kleinen Kindes, als er nickte.

Mit dem Frischling im Schlepptau wanderte ich ziellos umher. Wo sollte man am besten anfangen? Müde sah ich mich um. Den Schlafplatz kannte er bereits, schließlich hatte er seine erste Nacht bereits hinter sich gebracht. Auch das Labyrinth schien er zu kennen, woher auch immer.

»Wer hat dir eigentlich vom Labyrinth erzählt?«, fragte ich so beiläufig wie möglich. Bei der Frage schien er kaum merklich zusammenzuzucken.

»Minho wars.«

»Wieso lügst du mich an, Frischling?«

Jasper lachte leise. »War nur ein Witz. Ich wollte deine Reaktion sehen. Ich mag es, dass du so aufmerksam bist. Nee, also das war eine logische Schlussfolgerung. Wozu sonst sollen die Mauern sein, wenn sie nicht etwas wertvolles verbergen?«

»Ach so.« Ich glaubte ihm nicht ein Wort. Trotzdem lenkte ich unser Gespräch in eine andere Richtung: »Gut. Gibt es etwas Spezielles, dass du wissen magst? Ich kenn mich selbst noch nicht so gut aus, bin erst seit ein paar Tagen hier.«

Jasper schien froh um den Themenwechsel zu sein, doch er zuckte nur mit den Schultern. »Mir ist das ehrlich gesagt total egal. Das meiste kenne ich schon.«

Fragend wanderte mein Blick zu ihm. Schon wieder so eine Aussage, die mich an ihm zweifeln ließ. Irgendwas stimmte mit dem Kerl doch nicht! Und wenn ich ihn so ansah, dann könnte man echt meinen, dass er das nicht sagen wollte. »Also ... ich meinte damit, dass ich den Morgen damit verbracht habe, über die Lichtung zu laufen und mich umzusehen.«

Er sagte mir nicht die ganze Wahrheit, da steckte mehr dahinter. Ich spürte es so heftig, als würden wir uns schon ewig kennen und wüssten, wann der andere nicht alles sagte, was er wusste. Trotzdem machte ich weiter und führte ihn zu den Plätzen, die mir am wichtigsten erschienen.

Obwohl ich eine wirklich miserable Tour führte, schien es Jasper nicht in geringster Weise zu stören, im Gegenteil, er schien es sogar zu genießen. Zugegeben, auch wenn einige seiner Aussagen mehr als nur fragwürdig klangen, so war er doch ein angenehmer Gesprächspartner. Vielleicht schätzte ich ihn völlig falsch ein und er wollte lediglich Anschluss finden.

Ich ertappte mich dabei, wie ich ihn anstarrte, während wir über die Lichtung schlenderten. Schnell sah ich wieder weg, doch keine fünf Sekunden später sah ich wieder zu ihm und musterte ihn. Ich verstand nicht, wieso ich mich so sehr ablenken ließ, doch es schien an dem Frischling zu liegen. Er wirkte sympathisch und vertraut, was es gerade so angenehm machte, mich mit ihm zu unterhalten, selbst wenn es nur belangloser Smalltalk war. Und ich hasste Smalltalk aus tiefstem Herzen.

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