»Bereit für deinen ersten Arbeitstag, Frischling?« Minho klang motiviert und sah auch fit aus, während er sich seine Lederweste anzog. Müde rieb ich mir über mein Gesicht. Es war gerade mal fünf Uhr morgens. Die Sonne war erst am Aufgehen und die meisten Lichter schliefen noch. Uns blieb noch eine Stunde, bis sich die Mauern öffneten.
»Mhm«, murrte ich. An das frühe Aufstehen musste ich mich wohl oder übel erst noch gewöhnen. Ich nahm gähnend die Lederweste von meinem Haken und zog sie mir über mein T-Shirt. Ben dehnte sich gerade, während Minho über die Karte gebeugt war.
»Normalerweise arbeiten wir unsere neuen Läufer langsam ein, um ihnen die Chance zu geben, sich zurechtzufinden. Da du jedoch bereits ziemlich fit in Sachen Laufen und Co. bist, denke ich, dass wir dich direkt ins kalte Wasser schmeißen können. Ich hoffe doch, dass ist okay für dich.« Minho schnappte sich seine Weste und zog sie sich ebenfalls an.
»Äh, klar«, erwiderte ich bloß. Derweil zurrte ich die Striemen an meiner Seite etwas fester, dass die Weste perfekt passte.
»Gut.« Minho schlug seine Hand auf meine Schulter und grinste mich an. »Ich mag dein Enthusiasmus.« Sein Blick verhärtete sich im selben Moment. »Wehe du machst deine Arbeit schlampig, dann müssen wir uns nochmal unterhalten. Schuhe. Du brauchst noch Schuhe. Welche Schuhgröße hast du?«
»Schuhgröße?« Ich dachte kurz nach. »Keine Ahnung.« Es war so komisch, an was ich mich erinnerte und woran nicht. Ich zog meine Schuhe aus, die ich seit meiner Ankunft auf der Lichtung trug, und sah hinein. »Siebenunddreißig.«
»Gut, das sollte kein Problem sein.« Minho hielt ein schickes Paar blaue Joggingschuhe hoch. »Gehören praktisch zu unserem wichtigstem Equipment, das wir bekommen. Zumindest für uns. Es kommen regelmäßig neue mit der Box hoch. Ohne gute Schuhe hätten wir so viele Blasen an den Quanten, dass es nicht mehr lustig wäre.«
»Die sind super, danke.«
Als auch Ben seine Weste anhatte, deckte Minho den Tisch erneut auf. Das Model des Labyrinthes sah noch aus wie gestern. Vermutlich mussten die Jungs daran nichts mehr verändern. »Okay, zuhören. Wir zwei nehmen diesen Engpass da und laufen weiter, bis wir Sektion vier erreichen. Ben geht einen anderen Weg, aber wir treffen uns in Sektion vier. Es ist ein langer Weg, Grünschnabel. Schnelligkeit ist der Name des Spiels. Das ist die Grundregel hier: Immer in Bewegung bleiben und das am besten so schnell es geht, außer du bist auf ein kleines, unschönes Nachtabenteuer aus. Und das wollen wir nicht.«
Eine kalte Angst vermischt mit großer Neugier erfasste mich und ich musste mich daran erinnern, weiter zu atmen. »Habt ihr schon eine Fährte, die ihr verfolgt?«, fragte ich vorsichtig. Minho zuckte bloß mit den Achseln.
»Weis nicht. Ist ziemlich deprimierend, aber wir wissen nicht, was wir tun sollen. Wir müssen einfach davon ausgehen, dass sich irgendwann, an irgendeiner Stelle, vielleicht doch noch ein Aufgang auftut und wenn es nur ein kleiner ist. Wir dürfen nicht aufgeben. Niemals. Tag ein, Tag aus müssen wir da raus und unser Glück erneut versuchen.
Ich nickte erleichtert über diese Einstellung. So deprimierend die Situation auch war: Aufgeben würde alles nur noch schlimmer machen. Das war aber genau das, was ich den Jungs die ganze Zeit sagen wollte. »Ja, wir dürfen nicht aufgeben.« Ich sagte so ganz beiläufig, wie eine Art resignierte Wiederholung dessen, was Minho kurz zuvor gesagt hatte. Ohne jedes Nachdenken hatte ich »wir« gesagt – mir wurde klar, dass ich jetzt mit Haut und Haar eine der Lichter war.
»Recht so. Niemals aufgeben.« Sorgfältig deckten Minho und Ben den Tisch wieder ab, legten sonstige Gegenstände beiseite und richteten sich wieder auf. »So. Jetzt müssen wir aber wirklich einen Zahn zulegen, weil wir hier drin 'ne Menge Zeit vertrödelt haben. Pfanne wartet bestimmt schon.«
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RUNNERS - Wir sind nie sicher ✔
Hayran KurguTRILOGIE | BAND 2 ❛❛ »Ich weiß nicht, was die da draußen machen, aber das will ich auch.« »Du hast keine Ahnung, wovon du redest«, knurrte Chuck und rollte sich auf die andere Seite. »Jetzt schlaf.« Ich war völlig überzeugt davon, ob...