Kapitel 17

36 6 111
                                    

Sonntag, 30.08.

Sie saßen auf Oskars Sofa und schauten sich irgendetwas im Fernsehen an, die Hände fest miteinander verschränkt, als sie ein Klopfen am Wohnzimmerfenster zusammenschrecken ließ. Schnell löste Oskar seine Hand und lief zur Tür. Matthias sah noch, wie sein Halbbruder Ville, der Freund seiner Schwester am Fenster vorbei in Richtung Tür ging. 

Angestrengt lauschte Matthias, doch er verstand nur Bruchstücke. Anscheinend sollte er rüber kommen. Einige Augenblicke später erschien Oskar im Türrahmen und machte eine Kopfbewegung in Richtung Tür. 

„Du hast Besuch", sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, erhob Matthias sich und ging zu ihm. Fragend sah er ihn an. 

„Esra und ihr Vater sind da. Ville sagt, du sollst mal rüber kommen."

Er nickte nur, Schlimmes erwartend. Was zur Hölle machte ihr Vater hier? Dass sie vorbei kam, hatte er ja schon fast erwartet, doch sie hatten sich nicht gerade im Guten von ihren Eltern getrennt. 

„Ich muss mich da wohl mal blicken lassen", sagte er zu Oskar und versuchte ihm mit seinem Blick zu verdeutlichen, dass er lieber hier bleiben wollte. 

„Solange du wieder kommst", erwiderte er berührte ihn kurz am Arm. Matthias nickte, dann ging er missmutig zum Nachbarhaus. Ville wartete an der Tür auf ihn und betrachtete ihn lange und eindringlich. Fast schien es so, als versuchte er, direkt in sein Hirn zu sehen, doch Matthias drängte sich an ihm vorbei. 

Am besten war es, wenn er es schnell hinter sich brachte. Doch plötzlich war sein Fluchtinstinkt ziemlich groß. Ville schob ihn ins Wohnzimmer, wo er ihm dann freundschaftlich auf die Schulter klopfte. 

Dort empfing ihn das Jüngste Gericht, zumindest fühlte er sich so. Ville verdrückte sich auf die Terrasse und zündete sich eine Zigarette an. Auf dem Sofa saßen Esra und ihr Vater, beide sahen ganz und gar nicht glücklich aus. Sein Vater saß auf einem der zwei Sessel, Lisa lehnte am Türrahmen zur Küche. Alle schienen ihn anzustarren und langsam ließ er sich auf den noch freien Sessel nieder. Er sah zu Esra, die ihn ausdruckslos anstarrte. 

„Was?", fragte er schließlich ziemlich provokant, doch er hielt die Stille nicht mehr aus. Sein Vater rutschte unruhig auf seinem Platz herum und warf einen hilfesuchenden Blick zu seiner Freundin. Schließlich erhob Esra die Stimme.

„Ich... ich bin hier, um dir ein Ultimatum zu stellen", sagte sie und er sah, dass das alles nicht ihre Idee gewesen war. 

„Und warum ist er dann hier?", fragte er mit einer abwertenden Kopfbewegung in Richtung ihres Vaters, was ihm einen strafenden Blick von ihm einhandelte. 

„Entweder, du entscheidest dich endgültig für mich, oder du siehst deine Tochter nicht wieder."

Er fühlte sich, als hätte ihm jemand in den Magen geschlagen. 

„Was bedeutet denn endgültig?", fragte er und auch Darren sah nun interessiert Esra an. Doch sie schien ihre Zunge verschluckt zu haben. Ihr Vater sagte irgendetwas auf Türkisch zu ihr und augenblicklich traten ihr Tränen in die Augen. 

„Können wir kurz allein reden?", fragte sie mit starrem Blick auf Matthias. Er zuckte die Schultern und stand auf. Er führte sie in den Flur und schloss die Tür hinter sich. Esra schob die Hände in die hinteren Hosentaschen und richtete den Blick auf den Boden. 

„Ich höre", sagte er fordernd, aber dennoch mit gesenkter Stimme, damit ihr Vater sie nicht hören konnte. Sie schniefte, schien sich dann aber zusammenzureißen. 

„Mein Vater will unter allen Umständen, dass ich heirate. Er wird dich gleich fragen, ob du um meine Hand anhältst", erklärte sie. Matthias konnte ihre Worte nur schwer verarbeiten. 

Slice of Life - A New ExperienceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt