Kapitel 28

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Donnerstag, 10.09.

Matthias konnte im Nachhinein nicht mehr sagen, wie er es geschafft hatte, Dianas Befragung standzuhalten. Doch er hatte ihr nichts erzählt. Er konnte einfach noch nicht darüber sprechen, dass er Gefühle für einen Mann hatte. Zumindest mit jemand anderem als Ville und natürlich Oskar.

Am liebsten wollte er die Zeit anhalten, denn unweigerlich kam der Sonntag näher, an dem Ville Johnny alles erzählen wollte. Doch das musste sein, er wusste, dass es das Richtige war. Sonst würde nicht nur Oskar sich schuldig machen, sondern er selbst auch, weil er etwas wusste und es verschwieg. Verschweigen war zwar nicht gleich Lügen, aber es war auch nicht immer richtig.

Gerade als er aus dem Auto stieg, ging Johnny an ihm vorbei. Geschockt blieb er stehen und sah ihm nach, wie er ihm zuwinkend die Straße entlang ging. Zaghaft winkte er zurück, dann beobachtete er, wie Johnny in sein Auto stieg und davon fuhr. Matthias sah noch, wie sein weißes Auto um die Ecke fuhr, dann setzte er sich wieder in Bewegung.

„Hey!", hörte er jemanden rufen. Langsam drehte er den Kopf, denn er wusste, wer ihn da rief. Oskar stand in der Tür, die er nur einen kleinen Spalt weit geöffnet hatte. Schüchtern sah er ihn an und Matthias konnte nicht anders, als ihn anzulächeln. Doch seine innere Stimme, wo immer die auch herkommen mochte, rief ihn zur Vernunft. Er presste die Kiefer aufeinander, dann ging er in Richtung des Hauses seines Vaters. 

„Warte!", rief Oskar ihm zu und aus dem Augenwinkel sah er, dass er zu ihm lief. Matthias wehrte sich dagegen, sich umzudrehen, bis er Oskars Hand an seinem Ellbogen spürte. Augenblicklich bekam er eine Gänsehaut am ganzen Körper. Er sah in seine Augen, konnte aber nicht einschätzen, was in ihm vorging. Noch immer lag seine Hand an seinem Ellbogen. 

„Können wir kurz reden?", fragte Oskar und zog ihn langsam, aber doch sehr bestimmt zu seiner Haustür. 

„Ich wüsste nicht, worüber wir reden müssten", sagte er bemüht gefühllos, doch es schien ihm nicht zu gelingen, denn Oskar sah ihn mit zusammengezogenen Augenbrauen an. 

„Bitte", flehte er beinahe, als sie schon an der Tür angekommen waren. Matthias stöhnte. Er könnte sich zumindest anhören, was er zu sagen hatte. Oskar ging nach drinnen in den Flur, doch er blieb noch eine Weile unschlüssig auf der Schwelle stehen. 

„Komm schon, nur reden", sagte Oskar und sah ihn eindringlich an. Resignierend zuckte Matthias die Schultern und folgte ihm. Er schloss die Tür hinter sich und verschränkte die Arme vor der Brust, den Blick auf den Boden gerichtet. 

„Ich höre", sagte er leise und wartete, dass Oskar anfing zu reden. Doch er schwieg. Stattdessen spürte Matthias, wie er einen Finger unter sein Kinn legte und ihn so zwang, ihn anzusehen. Widerwillig ließ er es zu, doch er bereute es sofort. Oskar lächelte schief und fing seinen Blick auf. Doch anstatt etwas zu sagen, kam er einen Schritt näher, ließ seine Finger über seine Wange wandern und legte ihm dann die Hand in den Nacken. Die Berührung rief schmerzhafte Erinnerungen in ihm hervor, doch er wehrte sich nicht. Dafür fühlte es sich viel zu gut an und er spürte, wie er unwillkürlich die Augen schloss. Oskar kam noch näher und küsste ihn. 

„Warum machst du das?", fragte Matthias ihn, die Augen noch immer geschlossen. 

„Weil ich es will", erwiderte er und legte seine Lippen wieder auf seine, doch dieses Mal drängender. Es war eindeutig, was er wollte. 

„Komm schon, ich weiß, dass es dir auch gefallen hat", flüsterte er und begann, ihm unters T-Shirt zu fassen. Oskar griff nach seiner Hand und zog ihn nach oben. Matthias wusste nicht, wieso er mitkam. Vielleicht, um noch ein letztes Mal mit Oskar zusammen zu sein. 

„Hast du mit Johnny geschlafen?", fragte er, während er ihn aufs Bett drückte. 

„Nein", sagte er leise, doch Matthias spürte, dass das gelogen war.

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