Epilog

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Samstag, 22.05.

Matthias rieb sich nervös die Hände an der Hose trocken, doch es half nichts. Er lief unruhig in seinem Wohnzimmer hin und her und warf immer wieder einen Blick auf die Uhr. Esra war schon fünf Minuten zu spät. 

„Sie kommt schon noch. Sei nicht so nervös", hörte er Jonas hinter sich sagen und schnell warf er ihm einen Blick zu. Er saß auf seinem Sofa, den Arm lässig über die Lehne gelegt und grinste ihn an. Neben ihm saßen seine Eltern, die beide eine Tasse Kaffee in den Händen hielten und ihn belustigt beobachteten. 

Seit gestern Abend waren sie hier und hatten die letzte Nacht in Jonas Wohnung geschlafen, während Jonas und er in seiner Wohnung geschlafen hatten. Doch heute Morgen hatte Jonas die beiden abgeholt. 

Nachdem die beiden Kinder bei ihm waren, wollten sie spazieren gehen und anschließend zu Darren und Lisa fahren. Darren hatte Jonas Eltern zwar schon einmal gesehen, doch trotzdem war er aufgeregt, wenn ihre Eltern sich unterhielten. 

Das Klingeln ließ ihn zusammenzucken und schnell lief er zur Tür. Im Hintergrund hörte er, wie Jonas Mutter kicherte und gleichzeitig spürte er, dass Jonas ihm hinterherkam. Er meinte es durchaus ernst, dass er Esra und ihn keine Sekunde mehr allein ließ. Zwar blieb er mit verschränkten Armen im Flur stehen, doch er beobachtete ihn genau. 

Er öffnete die Wohnungstür ein Stück und wartete, bis Esra noch oben kam, doch nur Duygu kam die Treppe heraufgeeilt. 

„Mama sagt, du sollst ihr tragen helfen!", sagte sie, dann drängte sie sich an ihm vorbei in die Wohnung. Schnell warf er einen Blick zu Jonas, der ihn ausdruckslos ansah, dann schlüpfte er in seine Schuhe und ging nach unten. 

Dort stand Esra mit dem Kinderwagen vor sich und musterte ihn aufmerksam. 

„Hey", sagte er, doch sie zog nur die Augenbrauen hoch. 

„Wo ist dein Leibwächter?", fragte sie tonlos, doch dann nahm sie Aaliyah aus dem Kinderwagen und deutete mit dem Kopf darauf. 

„Du musst den Knopf da drücken und dann die Stange da nach unten drücken", befahl sie und er folgte gehorsam ihren Anweisungen und klappte den Kinderwagen auf eine handliche Größe zusammen. Er warf ihr einen skeptischen Blick zu, doch sie rückte nur die Umhängetasche auf ihrer Schulter zurecht, dann ging sie ihm voraus die Treppe nach oben. Wortlos folgte er ihr mit dem Kinderwagen und musste ein wenig grinsen, als er Jonas oben am Treppengeländer gelehnt stehen sah. 

Esra nickte ihm kurz zu, dann ging sie in seine Wohnung. Matthias stellte den Kinderwagen neben seiner Wohnungstür ab, dann bedeutete er Jonas mit einer Kopfbewegung, mit nach drinnen zu kommen. 

Seufzend stieß er sich vom Geländer ab und Matthias spürte, wie er seine Hand umklammerte. Sie gingen ins Wohnzimmer, wo Esra umringt von Jonas Eltern Aaliyah herumzeigte. Seine Mutter schien ganz entzückt zu sein, denn sie redete auf die Kleine ein. Duygu kam zu ihm und umarmte ihn fest. Er warf noch einen Blick zu Jonas, dann ging er zu Esra und nahm ihr die Kleine ab. Esra ließ die Tasche, die noch immer über ihrer Schulter hing, auf den Esstisch krachen und fing an, sie auszuräumen. 

„Matthias", rief sie ihn zu sich und hilfesuchend sah er Jonas an. Er kam sofort zu ihm und nahm ihm Aaliyah ab und setzte sich mit ihr auf das Sofa. Sie seufzte, als er zu ihr kam, doch dann erklärte sie ihm alles, was er beachten musste. 

„Du kommst sie ja heute Abend wieder abholen. Das schaffe ich schon irgendwie", sagte er leise, denn er wusste, dass Jonas die Ohren spitzte. Esra lächelte, doch dann senkte sie den Blick auf ihre Hände. 

„Okay. Falls irgendetwas ist, rufst du mich an, ja?"

„Mach ich", antwortete er, doch sie schien noch irgendetwas sagen zu wollen, was Jonas nicht hören sollte. Doch es schien nicht wieder irgendeine Liebesbekundung zu sein, sondern etwas anderes. 

„Ich bring dich noch zur Tür", sagte er und schnell hob sie wieder den Blick. Sie nickte und folgte ihm in den Flur. Matthias spürte förmlich, wie Jonas Blicke ihn verfolgten, doch er versuchte, es zu ignorieren. Doch als Esra verlegen winkte, warf er doch einen Blick zurück. Jonas Eltern winkten ihr lächelnd zu und auch Duygu winkte. 

Er öffnete die Tür und sie trat nach draußen, doch sie legte die Hand in den Türrahmen, sodass er die Tür nicht schließen konnte. 

„Tut mir leid, dass ich versucht habe, dich zu küssen. Das war dumm. Es kommt nicht wieder vor", flüsterte sie und sah ihm dabei die ganze Zeit in die Augen. Er schluckte, denn sie schien es wirklich ernst zu meinen. 

„Danke", gab er zurück und sie lächelte. 

„Ihr beide seid wirklich süß zusammen. Ich will dir das nicht kaputt machen."

Schnell drückte sie sich an ihn, dann verschwand sie. Ein paar Sekunden sah er ihr noch nach, doch dann schloss er die Tür und ging zurück zu den anderen. Würde sie wirklich nichts mehr versuchen? Oder hatte sie es nur einfach so gesagt? Er würde es sicher bald rausfinden, doch nun hatte er andere Dinge zu tun, als sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Er setzte sich neben seinen Freund, der noch immer Aaliyah im Arm hielt. 

„Was wollte sie?", erkundigte Jonas sich, doch er winkte ab.

„Erzähl ich dir heute Abend", sagte er, dann legte er den Arm um Jonas und strich Aaliyah über das feine Haar. 

„Sie ist wirklich ein kleines Goldstück", lachte Jonas Mutter und streichelte Aaliyahs Arm. Matthias lächelte, denn er hatte nicht erwartet, dass es so einfach mit Esra sein würde. Fast schon hatte er eine Szene von ihr erwartet, doch vielleicht hatte Darren mit ihr geredet. Duygu unterhielt sich mit Jonas Vater und er hörte, wie sie ihm von der Schule berichtete. 

„Und ihre Mutter wirkt doch auch ganz nett", sagte sie leise zu ihm, doch er verzog das Gesicht. Während Jonas schnaubte. 

„Ich kann die Tage, an denen sie sich nicht streiten, an einer Hand abzählen", sagte er abfällig und er musste zugeben, dass er nicht ganz Unrecht hatte. Obwohl es in den letzten Wochen eindeutig besser geworden war, stritten sie sich noch immer ziemlich oft. 

„Sei nicht immer so eifersüchtig", sagte seine Mutter auf Französisch zu ihm, doch das verstand er. Verschmitzt grinsend knuffte er ihm in die Seite und Jonas zwang sich zu einem Grinsen.

Einige Stunden später holte Esra Aaliyah wieder ab. Jonas Eltern warteten wieder im Wohnzimmer, denn sie wollten danach mit Duygu, Darren, Lisa und Maxim in ein Restaurant gehen. 

Genau wie am Morgen half er Esra den Kinderwagen nach unten zu tragen und wieder umarmte sie ihn kurz und schnell zum Abschied, dann verschwand sie ohne ein weiteres Wort. 

Langsam ging er wieder nach oben und wieder wartete Jonas am Treppengeländer auf ihn. 

„Sie scheint es wirklich verstanden zu haben", sagte er, doch er wusste, dass sie ihre Gefühle für ihn nur unterdrückte und versuchte, möglichst wenig Kontakt mit ihm zu haben. Genau so, wie er es damals bei Oskar versucht hatte, als er ihn vergessen wollte. Jonas nickte, doch er schien noch nicht wirklich überzeugt. 

„Mach dir keine Gedanken. Ich bin hier bei dir und das ist doch, was zählt, oder?", flüsterte er ihm zu und legte die Arme um seine Mitte. Jonas atmete tief durch, dann sah er ihm in die Augen. 

„Stimmt. Ich versuche, nicht mehr so misstrauisch zu sein. Denn ihr werdet immer Kontakt haben, auch wenn die beiden schon älter sind. Also... sollte ich endlich versuchen, mich damit abzufinden", sagte er resignierend, doch Matthias lächelte. 

„Komm schon, lass uns wieder rein gehen. Langsam kriege ich Hunger", sagte er dann und wandte sich zur Tür, doch Jonas hielt ihn fest und zog ihn wieder zu sich heran. Er spürte, wie Jonas sein Gesicht umfasste und dann seine Lippen auf seine legte. Matthias erwiderte den Kuss und es fühlte sich so schön an, dass er am liebsten nie wieder aufgehört hätte. Doch nach ein paar Sekunden löste Jonas sich von ihm, sah ihn aber noch einmal intensiv in die Augen. 

„Ich liebe dich", hauchte er, dann küsste er ihn noch einmal. „Und ich liebe dich", erwiderte Matthias, dann zog er ihn an der Hand wieder in die Wohnung zu seiner Familie. 

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