Kapitel 2

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Samstag, 15.08.

Als Matthias das nächste Mal aufwachte, fühlte es sich anders an. Er schien wirklich aufzuwachen. Obwohl er versuchte, die Augen aufzuschlagen, konnte er nichts sehen. Er lag in etwas Weichem, wie einem Bett, doch es schien nicht sein eigenes zu sein. Sein erster Gedanke war, dass er irgendwie bei Felicia gelandet war. Doch ein monotones Piepen passte nicht ganz zu dieser Theorie. Nach einigen Sekunden schien sein Gehör seine Arbeit wieder aufzunehmen. Er vernahm Stimmen. Angestrengt versuchte er zu lauschen. Oskar. Das war eindeutig Oskar. 

„Ich habe keine Ahnung, was genau los war. Er ist vollkommen ausgerastet, so als wäre er auf einem Horrortrip oder so. Ich wusste nicht, was ich anderes machen sollte."

„Schon okay. Aber du meinst, es war von Drogen? Nicht... nicht wie eine Psychose?", sagte eine zweite Stimme. Sein Vater. Wieso war der denn hier?

„Ich meine ja nur... nicht, dass er auch krank wird wie Sheila."

Er versuchte, Oskars Antwort zu verstehen, doch er sprach zu leise. Als nächstes hörte er, wie eine Tür ins Schloss fiel. Plötzlich sah er einen Schatten im Augenwinkel, der immer näher kam. Gerade wollte er wieder panisch werden, als sich auf einmal seine Augen öffneten. Er blinzelte noch ein paar Mal, doch dann schien er komplett wach zu sein. Sein Kopf fühlte sich an, als hätte man ihm mit einem Hammer darauf geschlagen und ihm war übel. Langsam wandte er den Blick zur Seite. 

„Hey", sagte jemand zu ihm. Langsam drehte er den Kopf auf die andere Seite und sah Oskars Gesicht vor sich. 

„Geht's dir besser?", fragte dieser ihn und seine Stimme klang wirklich besorgt. Matthias versuchte sich aufzusetzen, doch etwas hielt ihn zurück. Er sah an sich herunter und sah Gurte aus Leder, die ihn an das Bett schnallten. Um seine Knöchel und seine Handgelenke waren Manschetten gebunden, sodass er sich nicht aufsetzen konnte. Erst da bemerkte er, dass Oskar seine Hand hielt. 

„Warum bin ich fixiert?", fragte er mit aufsteigender Panik. Er wusste, dass man nicht ohne Grund fixiert werden durfte. Oskars Griff wurde stärker. 

„Du bist letzte Nacht irgendwie voll abgedreht. Die Bluttests sind noch nicht da, aber anscheinend hast du irgendwas eingeschmissen."

Das klang wie eine Feststellung, keine Vermutung. 

„Ich... was?", stammelte er, doch langsam kehrten Erinnerungsfetzen wieder in sein Hirn zurück. 

„Du bist die ganze Zeit rumgerannt und hast geschrien wie ein Irrer", erklärte Oskar, der sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Matthias versuchte sich an die letzte Nacht zu erinnern. 

Doch nachdem sie den Club verlassen hatten, war nichts mehr da außer ein großes schwarzes Loch. 

„Ich... aber du warst doch dabei! Ich habe keine Drogen genommen!", entrüstete er sich und wollte sich über die schmerzenden Augen reiben, doch seine Hand kam nicht weiter als einen Zentimeter. 

„Kannst du nicht diese bescheuerten Riemen abmachen?", wetterte er, doch ein blitzartiges Stechen in seinem Kopf ließ ihn zusammenzucken. 

„Ich hole mal den Arzt. Willst du mit deinem Dad reden? Ich sollte ihn holen, wenn du aufwachst. Sag ihm am besten, du hast irgendwas genommen. Er hat Angst, dass du auch eine Psychose hast."

Seine Schwester hatte psychotische Episoden. Weder für sie selbst noch für die Leute in ihrer Umgebung ein Spaß. Matthias nickte nur. Oskar stand auf und Matthias Hand wurde kalt. Erst da bemerkte er, dass er die ganze Zeit seine Hand gehalten hatte.

Als Matthias knapp drei Stunden später allein in seinem Bett lag, versuchte er verzweifelt, die vergangene Nacht wieder in seiner Erinnerung abzurufen. Doch es gelang ihm nicht. Der Arzt wollte ihn noch ein paar Stunden zur Beobachtung dabehalten, doch glücklicherweise ohne Fixierung. Oskar wollte nach seiner Schicht noch einmal vorbeischauen. 

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