Kapitel 9

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Samstag, 22.08.

Am Morgen riss ihn das schrille Klingeln seines Handys aus dem Schlaf. Verschlafen starrte Matthias auf das Display. Es war Esra. Nuschelnd meldete er sich. 

„Hey", sagte sie. Mühsam versuchte er, ihre Stimmung an ihrer Stimme zu erkennen. Doch es funktionierte nicht. 

„Wie geht's dir?", fragte er stattdessen. Sie zögerte einen Moment. 

„Ich bin am See. Du weißt schon wo. Also... falls du dich unterhalten willst..."

Langsam richtete er sich auf. 

„Willst du dich denn unterhalten?", hakte er nach. 

„Würde ich sonst anrufen, du Idiot?"

Zwanzig Minuten später setzte er sich in einigem Abstand neben sie. 

„Duygu ist heute bei meinen Eltern", sagte sie zur Begrüßung. Er murmelte etwas Unverständliches. 

„Ich habe nachgedacht", begann sie und augenblicklich bereute er, dass er hierher gekommen war. Sie würde ihm mal wieder erklären, dass er sich mehr anstrengen müsste. 

„Willst du noch mit mir zusammen sein?", fragte sie ihn. Überrascht sah er sie an. Das hatte er nicht erwartet. 

„Ich ehm... Ich dachte das sagst du mir", stammelte er und ihm wurde die Bedeutung seiner Worte bewusst. Er würde das tun, was sie wollte. Würde sie ihm eine zweite, oder besser gesagt: dritte Chance geben, würde er sie annehmen. Wenn nicht, würde er nicht um sie kämpfen. Er hasste sich für seine Gleichgültigkeit. Oskar hatte sich getäuscht. Er hatte tatsächlich keine Gefühle. Zumindest nicht für Esra.

„Ich möchte aber wissen, was du willst", beharrte sie. Er wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Mit jeder Sekunde, die er länger stumm blieb, veränderten sich ihre Gesichtszüge. Sie war verletzt. Würde er nicht schnell etwas sagen, würde sie es so deuten, dass sie ihm egal war. 

„Würde das an deiner Entscheidung etwas ändern?", fragte er leise, bevor er begriff, was er da gesagt hatte. Sie lächelte wieder. 

„Du bist so ein Idiot! Ich meine... was ist denn schon ein Kuss?", fragte sie unerwartet locker. 

„Solange er nichts bedeutet hat", fügte sie an und durchstach ihn förmlich mit ihrem Blick. 

„Hat er nicht", sagte er schnell. Sie seufzte. 

„Also gut. Alles vergeben und vergessen, meinst du nicht?"

Matthias nickte nur. Plötzlich boxte sie ihn gegen den Arm und rutschte zu ihm heran. 

„Jetzt nimm mich doch mal in den Arm!", drängte sie und er gehorchte. Sanft drückte er ihr einen Kuss aufs Haar. Nach einigen Minuten drehte sie sich zu ihm und lächelte ihn an. Offensichtlich erwartete sie einen Kuss. Langsam umfasste er ihr Gesicht und erfüllte ihre Erwartung. 

„Fühlt sich gut an, findest du nicht?", hauchte sie in sein Ohr. 

„Schon", gab er zu, doch wahrscheinlich meinte sie es anders als er. Doch wieso sollte er sie wieder unglücklich machen? Das hatte er schon zu oft getan.

Sie saßen noch knapp eine Stunde auf der Bank, die meiste Zeit quatschte Esra, während er ihre Hand hielt und ab und zu irgendetwas erwiderte. 

„Wann holst du Duygu ab?", fragte er schließlich. 

„Heute Abend, wieso fragst du?"

Er zuckte die Schultern und schob ein Steinchen mit dem Fuß hin und her. 

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