Kapitel 40

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Dienstag, 22.09.

Vollkommen übermüdet erschien Matthias auf der Arbeit. Er konnte an nichts anderes denken als an Oskar, wie er schluchzend am Straßenrand stand und ihn anflehte, ihm mit Johnny zu helfen. Kaum dass Philipp die Tür für die Betreuten aufgeschlossen hatte, kam Louisa auf ihn zugestürmt. 

„Hi!", rief sie ihm schon von der Tür aus zu und winkte. Er zwang sich zu einem Lächeln und erwiderte ihr Winken. 

„Hi, wie geht's?", erkundigte er sich, doch die Frage schien ziemlich überflüssig zu sein. 

„Ziemlich gut!", strahlte sie und bedeutete ihm mit einer Kopfbewegung, dass sie mit ihm in den Aufenthaltsraum wollte. Missmutig folgte er ihr, denn er hatte heute nicht allzu große Lust, sich mit anderen Menschen zu unterhalten. Sie setzte sich an einen der Tische am Fenster und wartete, bis er sich ebenfalls gesetzt hatte. 

„Du scheinst gute Laune zu haben", begann er das Gespräch und sah sie an. 

„Ja, aber wenn ich dir den Grund sage, dann wirst du vom Stuhl fallen!", verkündete sie, doch er war nicht annähernd so sehr darauf erpicht es zu erfahren, wie sie annahm. 

„Na los, erzähl schon!", forderte er sie auf und hoffte, dass sie seine schlechte Laune nicht bemerkte. 

„Ich habe mich von Pierre getrennt. Aber das ist auch gut so. Ich habe ihn nämlich erwischt, wie er mit einer anderen geschlafen hat", erzählte sie geradeheraus und er fragte sich, seit wann sie so offen war. 

„Und... deswegen hast du gute Laune?", fragte er mit hochgezogenen Augenbrauen. 

„Ja, stell dir mal vor, ich hätte es nicht herausgefunden und wäre weiter mit ihm zusammen geblieben. Er hätte mich die ganze Zeit über angelogen und ich wäre mit ihm zusammengezogen. Lieber davor noch ein Ende, als wenn es schon alles zu spät ist", plapperte sie und sah ihn erwartungsvoll an. 

„Deine Ansichten hätte ich auch gerne. Ich wäre nicht gut gelaunt, wenn ich meinen Freund in flagranti erwischt hätte", gab er zu, doch sie schien es ganz anders zu sehen.

„Vielleicht bin ich auch einfach nur so froh, dass ab jetzt alles wieder gut wird. Ich habe ihn nicht mehr als Klotz am Bein und mache mir nicht ständig Gedanken, ob ihm was passiert ist. Er war sowieso nicht der Richtige für mich. Also...", fuhr sie fort und zuckte die Schultern. 

„Hier, ich zeige dir mal was", fuhr sie fort und kramte in ihrem Leinenbeutel herum. Wieder zog sie eine Klarsichtfolie mit einem Haufen Papier darin hervor. Sie zog zwei zusammengetackerte Blätter heraus und hielt sie ihm hin. Kurz überflog er es, dann starrte er sie an. 

„Das ist ein Arbeitsvertrag", stellte er ziemlich dümmlich fest und sie nickte begeistert. 

„Ist zwar nur in einem Versandhandel die Pakete zusammenzupacken, aber besser als nichts. Und ich verdiene genug, um mich selbst finanzieren zu können."

Matthias war ein wenig perplex. 

„Das ist super! Wie hast du das nur alles so schnell hinbekommen?", wollte er wissen, doch sie zuckte nur mit den Schultern. 

„Ich denke, du hast mir gezeigt, dass ich es schaffen kann, wenn ich will. Also habe ich es einfach probiert und irgendwie klappt alles. Und hier, noch etwas!", verkündete sie und kramte noch einmal in dem Beutel. Heraus holte sie einen Schlüsselbund, an dem ein kleiner Stofftiger als Anhänger befestigt war. 

„Das ist mein Wohnungsschlüssel. Ich kann schon ein paar Tage früher in meine Wohnung, damit ich mich einrichten kann."

Matthias war sprachlos. Er konnte nicht fassen, was sie ihm erzählte. 

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