Kapitel 37

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Samstag, 19.09.

Matthias öffnete um Punkt zehn Uhr die Haustür. Duygu stürmte auf ihn zu und drückte ihn. Auf dem Rücken trug sie einen kleinen, pinken Rucksack, den sie schwungvoll auf den Boden schleuderte. Esra lachte, als sie ins Wohnzimmer stürmte und ihren Opa begrüßte. 

„Ich komme sie dann morgen Abend wieder abholen. Achte darauf, dass sie sich heute Abend die Zähne putzt und Schlafenszeit ist um neun. Und keine Süßigkeiten nach dem Abendessen", instruierte Esra ihn und er salutierte. 

„Verstanden, Chef!", grinste er, doch dann wurde seine Miene ernst. 

„Wie geht's dir?", fragte er sie, doch sie verschränkte die Arme vor der Brust. 

„Alles in Ordnung", log sie. 

„Willst du reden?", hakte er nach, doch sie schüttelte den Kopf. 

„Du verstehst das nicht. Montag fahre ich mit Rukiye in die Stadt und wir suchen mir ein Brautkleid aus."

Er schluckte. Sie meinte es also tatsächlich ernst. „Hast du dir das gut überlegt? Ich meine... das ist dann alles offiziell."

Sie schwieg, doch dann nickte sie. 

„Ich will es so. Es ist das Beste für uns alle. Es wird alles so sein, wie wir es geplant haben. Aber... mal ein anderes Thema: Du ziehst aus? Wohin? Wann?"

Matthias grinste. 

„Also ab Montag habe ich die Schlüssel. Der Vermieter ist der Bruder meiner Arbeitskollegin, also... hatte ich einen kleinen Bonus. Ich wollte auch ein kleines Zimmer für Duygu einrichten", erklärte er und sah sie unschlüssig an. Er konnte nicht einschätzen, wie sie die Idee von seinem Auszug fand. 

„Das wird sie freuen. Und du denkst, du kommst allein mit ihr klar?", wollte sie wissen und sah ihn skeptisch an. 

„Ich denke schon. Klappt schon alles. Aber... hast du heute schon was vor? Wir könnten Hilfe beim Kinderzimmermöbel shoppen brauchen", fragte er sie aus einem Impuls heraus. Er konnte nicht genau sagen, wieso er sie dabei haben wollte, doch wahrscheinlich hatte er unterbewusst ziemlich Angst, dass er allein mit Duygu überfordert sein würde. Einen Moment lang schien sie zu überlegen. 

„Du bist überfordert", schlussfolgerte sie und stupste ihn an. 

„Wahrscheinlich", gab er verlegen zu, doch dann schritt sie an ihm vorbei und ging ins Wohnzimmer. Erleichtert schloss er die Tür und folgte ihr.

Duygu war begeistert, dass sie zu dritt etwas unternahmen. Sie hatten etliche Stunden im Möbelhaus verbracht, denn sie hatte in jedem einzelnen Bett Probegelegen und jeden Schrank auf seine Tauglichkeit geprüft. Er und Esra waren ihr hinterhergedackelt und hatten sich zwischendurch scheue Blicke zugeworfen. 

„Es ist so verrückt, wie lebensfroh sie ist", sagte er, als sie sich gerade in der Cafeteria des Möbelhauses einen Kakao geholt hatten. 

„Stimmt. Sie steckt alles ziemlich leicht weg", erwiderte Esra und trank einen Schluck. 

„Und seid du und Erdal euch nähergekommen?", fragte er nach und unweigerlich spürte er einen Kloß in seiner Kehle. Er wollte nicht, dass er und sie sich näherkamen. 

„Wieso ist dir das so wichtig?", wollte sie wissen, ohne seine Frage zu beantworten. 

„Ich weiß nicht... Ich denke immer, dass Duygu ihn dann als Vater ansieht. Und da will ich sichergehen, dass er sich gut um sie kümmert", gab er zu, doch Esra lachte. 

„Mach dir keine Sorgen. Für sie bist immer du der Papa gewesen. Selbst als ich mit Max zusammen war – und das waren immerhin vier Jahre – hat sie sich immer geweigert, ihn Papa zu nennen. Sie hat immer gesagt, dass du doch ihr Papa bist", erklärte sie. Matthias musste lächeln. Es schmeichelte ihn, dass Duygu ihn so sehr mochte, obwohl er einiges falsch gemacht hatte. 

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