Kapitel 61

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Dienstag, 18.05.

Es war Abend und Matthias saß bei Jonas auf dem Sofa und wartete, dass er vom Rauchen wieder nach drinnen kam, als sein Handy klingelte. Er nahm es von Tisch und warf einen Blick auf das Display. Es war seine Schwester. Schnell nahm er das Gespräch an. 

„Was gibt's?", fragte er, doch seine Schwester fing augenblicklich an, zu plappern. 

„Ich habe Esra getroffen. Sie meinte, dass sie glaubt, zwischen euch beiden läuft bald wieder was. Ich meinte dann, dass ich mir das nicht vorstellen kann, aber sie meinte..."

„Was?", unterbrach er sie und richtete sich kerzengerade auf. Sheila verstummte, doch dann setzte sie erneut an. 

„Ich habe Esra beim Einkaufen getroffen und sie hat mit erzählt, dass sie dich gestern küssen wollte. Du hast zwar abgeblockt, aber sie meinte, dass sie es weiter versucht und du schon irgendwann einknicken wirst", berichtete sie und schien ganz aufgeregt zu sein. Einen kurzen Moment war er sprachlos. Wie kam Esra nur dazu, solche Geschichten herum zu erzählen? Er stöhnte und kniff die Augen zusammen.

„Das stimmt nicht. Ich werde nicht einknicken. Außerdem wird Jonas mich nicht mehr mit ihr allein lassen", sagte er genervt, doch seine Schwester plapperte wieder weiter. 

„Bist du dir sicher? Sie klang ziemlich überzeugt von sich selbst. Aber was ich eigentlich sagen wollte: Vielleicht solltest du Jonas einweihen, was sie vorhat. Damit er weiß, dass sie einfach nicht aufgibt. Ich weiß ja, wie eifersüchtig er ist."

„Er weiß es schon. Aber ich sage es ihm noch einmal."

Genau so schnell, wie ihr Gespräch begonnen hatten, beendeten sie es. Kopfschüttelnd legte er das Handy wieder auf den Tisch und legte sich in eine bequemere Position. 

„Was willst du mir sagen?", hörte er Jonas fragen und abrupt wandte er sich um. Jonas stand mit verschränkten Armen im Türrahmen und musterte ihn. Er hatte ihn gar nicht gehört, als er hereingekommen war. 

„Meine Schwester meint, dass Esra ihr erzählt hat, dass sie nicht aufhört, mich für sich zu gewinnen", antwortete er seufzend, stand dann aber auf und ging zu Jonas.

„Na großartig", erwiderte er, kam ihm dann aber entgegen. 

„So lange du bei mir bist, wird sie nichts versuchen. Und sollte ich irgendwann noch einmal mit ihr allein sein, werde ich alles von ihr abblocken. Ich glaube, sie verrennt sich da in was. Wenn sie merkt, dass es sinnlos ist, wird sie schneller als gedacht aufgeben", erklärte er ihm und Jonas nickte. 

„Hoffentlich. Langsam nervt es, dass sie sich immer wieder an dich ranschmeißt."

Matthias kam plötzlich eine Idee. 

„Ich rufe sie einfach mal an und stelle sie zur Rede. Du kannst mithören, wenn du willst. Außerdem können wir direkt alles fürs Wochenende besprechen", sagte er und sah Jonas hoffnungsvoll an. Doch der schien nicht allzu sehr begeistert von der Idee. 

„Meinst du nicht, dass es noch zu früh ist, wieder mit ihr zu sprechen?", merkte er an, doch Matthias schüttelte den Kopf und ging wieder zum Sofa. Er setzte sich und winkte ihn zu sich heran. Er hatte auf einmal das dringende Bedürfnis, Klarheit zu schaffen. Gerade als Jonas sich setzte, wählte er Esras Nummer und stellte auf Lautsprecher. Schon nach dem zweiten Klingeln meldete sie sich. 

„Hey!", rief sie freudestrahlend aus, doch Matthias teilte ihre Freude nicht.

„Warum erzählst du herum, ich würde wieder was mit dir anfangen?", fragte er vorwurfsvoll. Vergeblich wartete er auf eine Antwort. 

„Sag schon! Ich habe dir doch gestern schon gesagt, dass zwischen uns nichts mehr passiert. Egal, wie sehr du dich anstrengst, ich werde mich nicht mehr in dich verlieben."

„Ich... weiß nicht, warum ich es Sheila erzählt habe. Vielleicht, weil ein kleiner Teil von mir noch immer darauf hofft, dass wir wieder zusammenkommen", murmelte sie, doch ihre Stimme klang belegt. Ihr war klar, dass sie ihn verärgert hatte. Aus dem Augenwinkel sah er, dass Jonas sich auf seinem Platz wand. Matthias schnaubte. 

„Ich weiß nicht, wie oft ich es dir noch sagen muss. Wir werden nie wieder zusammen kommen. Ich kümmere mich um meine Kinder, aber ich will nichts mehr von dir", sagte er mit fester Stimme, damit sie endlich begriff. Wieder schwieg sie, doch er redete sich in Rage. 

„Du weißt genau so gut wie ich, dass es zwischen uns nicht funktioniert hat. Wieso hältst du noch daran fest? Du bringst mich in eine ziemliche missliche Lage, denn ich muss mich immer wieder vor Jonas rechtfertigen, wieso du immer wieder versuchst, mich zu küssen. Ich will nicht, dass er mich deswegen verlässt, nur weil du nicht weißt, was Nein bedeutet", fuhr er fort und spürte, dass Jonas ihm beschwichtigend die Hand auf den Arm legte. 

„Ich hab's verstanden", sagte sie nach einer Weile mit erstickter Stimme und er konnte hören, dass sie sich bemühte, nicht zu weinen. 

„Gut", setzte er noch nach und am liebsten hätte er aufgelegt, doch er musste noch einiges klären. 

„Wie machen wir das am Wochenende? Bringst du die beiden Samstag vorbei?", fragte er, doch Esra schluchzte. Er verdrehte die Augen und warf einen Blick zu Jonas. Der sah ihn einfach nur an, sagte aber nichts. Es dauerte noch eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte. 

„Ja, ich bringe sie Samstag um zehn zu dir. Aaliyah hole ich um sechs wieder ab, Duygu kann bei dir bleiben. Sie hole ich Sonntag um sieben wieder ab, so wie immer. Aber ich muss dir noch alles erklären, wie du Aaliyah fütterst und wann sie schlafen muss", sagte sie endlich. 

„Okay, besprechen wir alles am Samstag. Jonas Eltern sind dann da, ist es in Ordnung, wenn sie die Kinder kennenlernen?", fragte er nun in etwas ruhigerem Ton, doch wieder dauerte es lange, bis Esra antwortete. 

„Ich denke schon", seufzte sie, dann verabschiedete sie sich und legte auf. Matthias legte sein Handy wieder auf den Tisch vor ihm, dann sah er Jonas an. 

„Das war ziemlich deutlich", bemerkte er, doch dann lächelte er. 

„Ich hoffe, sie begreift es endlich. Und du weißt, dass ich ihr keinerlei Andeutungen oder so etwas mache."

Noch immer fühlte er sich aufgekratzt. Wieso machte sie es ihm nur so schwer? Er spürte, wie Jonas anfing, seine Schultern zu massieren. 

„Entspann dich. Sie wird es schon verstehen, wenn wir immer zusammen sind, wenn sie die beiden bringt und abholt. Und wenn nicht rede ich noch einmal mit ihr und mache ihr klar, dass du mein Freund bist und nicht ihrer", sagte er, doch dann lachte er. 

„Vielleicht hört sie ja auf dich", erwiderte er, dann schloss er die Augen und genoss seine Berührungen. 

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