Kapitel 37 - VERKÜNDUNG

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Am nächsten Morgen sprang Jeanne wieder aus dem Bett, als sei der Leibhaftige selbst zu ihr hinein gestiegen. Doch Vincent hatte vorgesorgt und neben dem Waschtisch im Schlafraum stand ein geeigneter Behälter.
Die Geräusche, die Jeanne produzierte, als sie über diesen gebeugt am Boden hockte, taten Vincent in der Seele weh und er fragte sich, wie lange seine geliebte Frau noch so leiden müsste.
Nach nur wenigen Momenten, richtete sich Jeanne wieder auf, wusch sich und spülte sich den Mund aus, bevor sie an die Kommode trat und sich frische Kleidung für den Tag heraus holte und begann sich anzukleiden.
Vincent war inzwischen auch aufgestanden und dabei sich zu reinigen, als aus dem Wohnraum eine Kinderstimme erklang.
„Vater, Jeanne?", rief der kleine Junge „Seid ihr schon wach?"
Vincent trat an den Vorhang, der beide Räume voneinander trennte und steckte den Kopf hindurch.
„Ja, Jakob.", erwiderte er „Setz dich doch bitte erst einmal hin und warte. Wir müssen uns noch fertig anziehen."
„Gut, Vater.", meinte der Kleine und ließ sich auf den Sessel in der Leseecke sinken.
Vincent kehrte zu seiner Frau zurück und zog sich nun auch an und Jeanne, die bereits in ihre Kleider geschlüpft war, beobachtete jede seiner eleganten Bewegungen.
„Wenn ich dich so sehe ...", begann sie flüsternd, brach aber ab, bevor sie zu deutlich wurde, denn sie wusste, dass der kleine Jakob zwar aussah wie ein normaler Mensch, jedoch ein fast so scharfes Gehör hatte, wie sein Vater.
„Aber das dürfen wir nicht!", raunte Vincent, der sich gerade sein Hemd über den Kopf zog.
„Hast du die Broschüre nicht richtig gelesen?", fragte Jeanne zurück „Wir dürfen schon noch, du musst nur ein wenig vorsichtig sein."
Vincent, der gerade seine Jacke zuknöpfte, trat sehr dicht an seine Frau heran und hauchte: „Traust du mir so viel Selbstkontrolle zu?"
„Ja", erwiderte Jeanne fest „Und es ist besser, als wenn du die ganze Zeit warten musst, besser für dich und auch besser für mich.
Du vergisst, dass auch ich spüre, was du fühlst, nicht nur umgekehrt."
Sanft nahm Vincent darauf das Gesicht seiner Geliebten in die Hände und gab ihr einen zärtlichen Kuss auf die Lippen, bevor sie sich in den Nebenraum begaben, in dem sein Sohn wartete.
„Guten Morgen, Jakob.", grüßte Jeanne den kleinen Jungen und dieser strahlte sie beide an.
„Guten Morgen, Jeanne. Guten Morgen, Vater.", grüßte er zurück.
„Guten Morgen, mein Sohn."
Vincent nahm die Stühle vom Esstisch und stellte sie vor den Sessel hin auf dem der kleine Jakob saß und die Erwachsenen ließen sich darauf nieder und sahen den Jungen ernst an.
„Jakob?", wandte sich nun Vincent an seinen Sohn.
„Ja, Vater?", gab der Kleine zurück „Was wolltest du von mir? Warum sollte ich euch heute hier aufsuchen?"
„Wir wollten mit dir sprechen, allein.", gab sein Vater ernst bekannt.
„Über was?"
Vincent tat sich schwer mit dem, was er nun mit seinem Sohn besprechen wollte und Jeanne spürte es und legte ihm sacht die Hand auf den Arm.
Der Hüne blickte sie an und Jeanne senkte leicht den Kopf und lächelte.
Dann wandte sie sich an Jakob.
„Jakob, es geht um ein Thema, das zunächst" Sie machte eine deutliche Pause vor diesem Wort um es besonders zu betonen. „erst einmal nur uns drei etwas angeht und zu dem wir deine Meinung wissen möchten."
Ernst sah der Junge die zierliche Frau an, sagte aber nichts.
„Ich möchte dir eine Frage stellen.", erklärte Jeanne dann „Eine Frage, an deren Antwort mir viel liegt. Wirst du mir ehrlich antworten?"
„Ja, werde ich.", bekräftigte Jakob und nickte.
„Wie wäre es für dich, wenn dein Vater und ich uns entschließen würden, noch ein Kind zu bekommen?", fragte die Frau behutsam.
Statt Jeanne zu antworten, wandte sich der Junge an Vincent. „Würde es DICH glücklich machen, mit Jeanne ein Kind zu haben?"
„Ja, sehr!", erwiderte Vincent ohne zu zögern und er erinnerte sich, wie glücklich er gewesen war, als er erfahren hatte, dass seine Frau schwanger war.
„Dann würde ich mich auch freuen.", erwiderte nun Jakob auf Jeannes Frage.
„Was hättest du denn lieber?", fragte die Frau weiter „Ein Schwesterchen, oder ein Brüderchen?"
„Das ist mir gleich, Hauptsache Vater ist glücklich."
„Nun, dein Vater ist glücklich, überglücklich.", bemerkte Jeanne „Spürst du es nicht?"
Jakob blickte nun für einen Moment seinem Vater fest in die Augen und plötzlich strahlte er. „Ja, ich spüre es. So glücklich hab ich ihn nicht mal bei eurer Hochzeit erlebt."
„Und was glaubst du, warum dein Vater so glücklich ist?", fragte Jeanne weiter.
„Das ... Warte.", begann der Junge unsicher, doch dann kam ihm die Erkenntnis „Juhuuu!", rief er aus „Ich bekomme ein Geschwisterchen!"
Jeanne grinste nur und nickte leicht.
Jakob war aufgesprungen und hüpfte im Raum umher.
Einen Moment betrachteten die Erwachsenen den Jungen und Jeanne spürte zu Vincent hin. Der Zuspruch seines Sohnes machte ihn noch glücklicher als er ohnehin schon war.
Dann stand er auf und trat zu dem Jungen.
Dieser umarmte ihn so gut er konnte und blickte breit grinsend zu ihm auf.
„Vater, ich freue mich so!"
„Das fühle ich.", erwiderte der Hüne und hielt den Jungen fest im Arm „Aber kannst du uns einen kleinen Gefallen tun?"
„Gerne, Vater. Was soll ich tun?"
„Kannst du es noch geheim halten? Nur bis heute Abend zur Abendmahlzeit?", bat er seinen kleinen Sohn und erklärte: „Wir werden es heute Abend allen mitteilen und wollen von allen sehen, wie sie darauf reagieren."
„Dann werde ich es geheim halten.", gab Jakob ernst bekannt. „Bis heute Abend schaffe ich das bestimmt."
„Danke, mein Sohn."
„Ich bin so froh, dass du glücklich bist.", bemerkte der Kleine und fuhr fort „Gehen wir jetzt frühstücken?"
„Gern.", antwortete Vincent und wandte sich zu seiner Frau um, die gerade aufstand „Jeanne, kommst du mit?"
„Natürlich.", erwiderte diese und trat zu den beiden.
Jakob stellte sich zwischen sie und reichte jedem eine Hand und als sie sie genommen hatten, ging er einfach los und ließ den Erwachsenen nur die Wahl, sich ihm zu entziehen oder sich mitziehen zu lassen.
Vincent und Jeanne folgten der wortlosen Aufforderung und schon bald erreichten sie den großen Speisesaal, an dessen Wand ein appetitliches Buffet aufgebaut war.

Ways of Destiny - Wege des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt