Kapitel 86 - Traumwelten - Tho'rha

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Die Hüterin fühlte, wie Vincents Geist nun langsam in den Schlaf glitt, doch sie selbst fand nicht so die richtige Ruhe, also schuf sie eine Barriere zwischen ihren Geistsphären, die ihm vorgaukelte, dass auch sie schlief und schon kurz darauf spürte sie, dass Vincents Schlaf tiefer wurde und löste sie wieder auf.

Sie selbst dachte noch eine Weile über ihre und seine Situation nach und überlegte, wie sie ihm die unumgängliche Trennung leichter machen könnte und als sie mehrere Ideen gefunden und wieder verworfen hatte und sich schließlich eine heraus kristallisierte, beschloss sie, diese von jemandem überprüfen zu lassen, der mehr Erfahrung hatte als sie selbst.
Bewusst versetzte sie sich in REM-Schlaf, um, nach langer Zeit wieder einmal, jene Wesenheit aufzusuchen.


Kurz darauf tauchte sie in einer anderen Welt auf und bemerkte, dass sie so war, wie sie sich schlafen gelegt hatte, also wünschte sie sich zunächst erst einmal Kleidung und schlüpfte in diese.
Als sie gerade fertig war, öffnete sich das Zelt und die weibliche Hüterin - ihr größeres Ich – betrat den Raum.
„Du hast dich der Vereinigung mit mir widersetzt", begann diese „also gehe ich davon aus, dass du in deiner jetzigen Erscheinungsform Fragen hast, die du dir selbst nicht zu beantworten imstande bist."
„Das stimmt, Hüterin.", erwiderte Tho'rha und neigte leicht den Kopf zu ihr hin.
„Dann sprich", ermunterte Cassandra sie „was bedrückt dich, jetzt wo du doch nach Hause zurückkehren kannst."
Tho'rha formte eine Geste, die sowohl Freude, als auch Schmerz bedeuten konnte und ihre Ausstrahlung machte Cassandra klar, dass diese genau so gemeint war. Ihr kleineres Ich fühlte sich zwischen zwei gegenteiligen Gefühlen wie zerrissen und suchte eine Möglichkeit ihr Gleichgewicht wieder zu finden und als diese zu sprechen begann, ahnte die Hüterin bereits, was ihr kleineres Ich wollte.
Eine kurze Geste der Hüterin hatte ein kleines Tischchen und zwei bequeme Stühle auftauchen lassen, auf die Cassandra nun einladend wies und als sie beide saßen, ließ Cassandra vor ihnen noch zwei Kelche mit Nektar erscheinen. Dankbar nickte Tho'rha und nippte an ihrem Getränk. Dann blickte sie auf und ihrem größeren Ich ins Gesicht.
„Du weißt, dass es mir unmöglich sein wird, bei Vincent zu bleiben, obwohl es kaum etwas gibt, das ich mehr wollte. Also ist er es, der - mal wieder - mit einer endgültigen Trennung leben und überleben muss", erklärte sie „und diese ist es, die ich ihm so gut wie möglich erleichtern möchte. Ich will den Schmerz lindern, den er nun auszuhalten hat, auch weil er sich entschieden hat, uns nicht zu begleiten."
„Woher weißt du das?", fragte nun Cassandra nach.
„Ich hätte es", führte Tho'rha aus „schon seit Langem gewusst, dass ich, sollten meine Gefährten einen Weg zu mir finden, sie zurück begleiten müssen würde, wenn ich mir meiner selbst noch bewusst gewesen wäre, denn die Energie des Universums in dem ich im Moment bin, tut mir nicht gut. Sie hätte mich fast auf die nächste Ebene gezwungen."
Die Kimera machte eine Pause und nippte an ihrem Getränk.
„Wir haben vorhin, als Vincent vom Kreuzer zurück kam, darüber gesprochen und er hat sehr deutlich klar gemacht, dass er die Gemeinschaft, die zu seinem Schutz geschaffen wurde und die er jetzt beschützt, nicht im Stich lassen wird."
„Und alle mitnehmen?"
„Unmöglich, zumindest einfach so. Eine so große Gruppe in der Allianz anzusiedeln, kann nur der Rat der Allianz entscheiden, das übersteigt die Kompetenzen des Kreuzerkommandanten und eine Kommunikation zwischen den Universen ist nicht möglich."
Cassandra schaute eindeutig mehrdeutig und legte schweigend den Kopf ein wenig schief.
Tho'rha brauchte einen Moment, um zu begreifen, was die ältere Hüterin meinte und schüttelte schließlich den Kopf.
„Den gesamten Rat der Allianz hierher zu versetzen, dürfte selbst eure Fähigkeiten übersteigen."
„Wie viele Individuen wären es?"
Tho'rha nannte eine Zahl.
„Hmm, das würde das Fassungsvermögen des Camps weit überschreiten, da hast du Recht."
„Vincent hat sich klar dafür ausgesprochen, dass er bleiben möchte, auch wegen unserer Kinder. Ich weiß nicht, ob es Talara in meinem Universum nicht so ergehen würde, wie mir dort."
„Das glaube ich nicht, wenn sich ihr energetisches Erbe nicht noch weiter entwickelt."
„Ich bin mir nicht sicher, aber ich glaube, ich habe ihr Genom unbewusst so konfiguriert, dass sie ein Mensch bleiben wird, nur wird sie wahrscheinlich viel älter werden als ein durchschnittlicher Vertreter dieser Rasse."
„Gut, dann wäre das also geklärt. Ich spüre, dass du bereits einige Ideen entwickelt hast, wie du Vincent sein selbstgewähltes Los erleichtern kannst.", resümierte die Hüterin „Eine davon habe ich vor einiger Zeit umgesetzt, indem ich ihm den Weg hierher bereitet habe."
„Ja, Hüterin", erwiderte Tho'rha „doch diese Möglichkeit allein, kann den Schmerz in seinem Herzen kaum lindern, den ich schon jetzt von ihm empfange und von dem ich denke, dass er sich noch verschlimmern wird, wenn ich erst einmal nach Hause zurückgekehrt bin und diese Verbindung abreißt. Und deshalb habe ich noch einige Ideen entwickelt und eine schließlich als für mich machbar erkannt, doch weiß ich nicht, ob diese auch die Wirkung haben wird, die ich mir von ihr erhoffe."
„Erzähl.", forderte Cassandra und trank aus ihrem Pokal.
Tho'rha tat es ihr gleich, bevor sie fortfuhr.
„Wir beide kennen die Wirkung jener kristallinen Tränen, die wir nur unter gewissen Umständen zu produzieren in der Lage sind."
Cassandra nickte kurz und gab mit einer Geste zu verstehen, dass Tho'rha weitersprechen sollte und diese tat es dann auch, nach einem weiteren Schluck aus ihrem Gefäß.
„Ich habe daran gedacht, sie nicht, wie bei Kharak ihm nur zu geben, so dass er sie in jenem Beutelchen, das er stets um den Hals trägt und das ein Geschenk von Catherine enthält, unterbringen und bei sich tragen kann, sondern ich wollte sie ihm unter die Haut implantieren, so dass niemand, der ihn nicht seziert an sie heran kommt. Doch ich weiß nicht, ob sie dort auch die gewünschte Wirkung entfalten können."
„Was sollen sie denn bewirken?", fragte Cassandra nach.
„Sie sollen seinen Schmerz lindern, sein Herz beruhigen und ihn wieder offen für eine neue Beziehung machen, damit er auch in der nächsten Fieberphase sicher ist und sie sollen das Reißen des Ehebandes für ihn zu einem langsamen Verblassen machen.", erklärte Tho'rha und nippte wieder an ihrem Getränk. Was würde Cassandra zu ihrer Idee sagen? War sie das, was sie sich davon erhoffte?
„Und wie wird es dir gehen, wenn euer Band zerreißt?", fragte Cassandra nun.
„Ich werde Kharak haben, Jedakar und Da'an, die mich stützen und auffangen können, doch Vincent hat niemanden und er muss sich auch noch um Jakob und Talara kümmern."
„Du willst deine Tochter bei ihm zurück lassen?"
„Es muss sein.", bekräftigte Tho'rha „Sie ist ein Kind des Universums, in dem sie entstanden ist und geboren wurde. Sie und Jakob werden dereinst Vincents Erbe antreten und die Gemeinschaft beschützen, bis es eines Tages nicht mehr nötig sein wird und alle an die Oberfläche zurück kehren können."
„Und was ist mit deinem Wissen?"
„Ich denke, sie hat mein vollständiges genetisches Gedächtnis und wird mit der Zeit unter der Führung ihres Vaters lernen, es zum Wohle der Gemeinschaft einzusetzen.", erklärte Tho'rha.
„Da bist du dir sicher?"
„Absolut."
„Gut, dann bin ich beruhigt.", meinte Cassandra und wandte sich nun wieder der Frage ihres kleineren Ichs zu. „Was deine Frage betrifft, so ist diese Art des Vorgehens durchaus möglich und dürfte nach meinen Erfahrungen auch die gewünschte Wirkung entfalten, doch trotzdem rate ich dir, ihm noch etwas mitzugeben, was er so bei sich tragen kann, denn offenbar liegt ihm an dieser Art Erinnerung etwas."
„So etwas hat er bereits.", tat Tho'rha kund „Denn ich habe ihm zum ersten Jahrestag unseres Kennenlernens einen jener wunderschönen violetten Kristalle aus der Höhle in der Ja'a'nira im Moment noch liegt als Anhänger an einer Kette geschenkt und diese trägt er seither ständig um den Hals."
„Und er hat dir den Aquamarin geschenkt, den du seit einiger Zeit um den Hals trägst?"
Tho'rha griff nach dem wunderschönen Anhänger, lächelte verträumt und nickte.
„Ach ja, noch etwas."
„Ja?"
„Wenn du ihm die Tränen implantierst werden sie sich mit der Zeit auflösen und ihre Energie wird sich in sein System integrieren.", warnte Cassandra Tho'rha.
„Wird es ihm schaden?"
„Nein, aber unwiderruflich verändern, auch wenn wahrscheinlich nur er diese Veränderung spüren wird."
„Danke Hüterin.", erwiderte Tho'rha leise und trank ihren Pokal leer. „Ich werde nun zurückkehren."
„Ich wünsche dir noch eine schöne Zeit."
Beide reichten sich die Hände und dann ehe Tho'rha verblasste und verschwand, hielt sie die Wächterin noch einmal kurz auf.
„Ja?", fragte Tho'rha interessiert.
„Wenn du größtmögliche Wirkung in Bezug auf deine Intensionen erreichen willst, dann implantiere sie ihm genau über sein viertes Zentrum.", erklärte Cassandra lächelnd.
„Danke Cassandra.", erwiderte Tho'rha und begann zu verblassen und Cassandra fühlte, wie sie in ihren realen Körper zurückkehrte.

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Ways of Destiny - Wege des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt