Kapitel 75 - Hilfstruppen (1)

1 0 0
                                    


Vincent wanderte weiter durch den Gang und als er kurz davor war, die Oberfläche zu erreichen, kam ihm eine Gruppe von drei Menschen entgegen, von denen sich zwei leicht anders als die Menschen hier unten sonst bewegten.
Vincent trat an das Trio heran und streckte ihnen die Hände entgegen, so wie er es bei Niyan gesehen hatte.
Sofort ergriff die einzige Frau, eine kleine, kompakt wirkende, Südamerikanerin seine Pranke und er spürte deutliche Unterschiede zu dem was er sah.
Dann erfolgte der Kontakt und auch die beiden anderen ergriffen die noch freien Hände Vincents und der Weiblichen.
Nun zeigte sich Vincent vor seinem inneren Auge, wie die drei sich selbst sahen und gleichzeitig sah er die Gestalten, die auch jeder andere sah und die Unterschiede waren so gravierend, dass Vincent, hätte er nicht schon die Erfahrung mit Niyan gemacht, wahrscheinlich den Kontakt sofort erschrocken unterbrochen hätte.
Der schlanke Mann, der vorgab ein Tuch um den Hals und weit übers Gesicht gezogen zu haben, trug in Wirklichkeit eine Art Atemmaske über selbigem, die er mit dem Begriff „Sauerstoffkonzentrator" verband und die ihm offenbar das Atmen in der Atmosphäre der Erde erleichterte. Außerdem hatte er, statt der Arme, dreieckige Flossen, mit offensichtlich sehr flexiblen Spitzen und seine Haut wirkte blaugrün, wie ein Türkis.
Der andere Männliche trug, im Gegensatz zu seinen Begleitern, die beide unbekleidet wirkten, einen Einteiler wie Vincent ihn auch schon von den beiden Jaridian und dem Vereinten gesehen hatte. Seine Haut hatte die Farbe von Obsidian und ein Gesicht, dessen Struktur ihn, Vincent, an die Jaridian erinnerte, nur wirkte diese noch gröber.
Die rotbraune Hautfarbe der kleinen Frau erinnerte Vincent an ein Gestein, das sie hier unten manchmal beim Ausgraben neuer Kammern fanden, dessen Name ihm jedoch unbekannt war. Ihre Hände waren kräftig und die Finger kurz, eher wie die Grabklauen eines Maulwurfs und auch ihre Beine und Arme waren kurz und sahen sehr kräftig aus.
~"Seid ihr die Helfer, die Jedakar von dem Raumschiff angefordert hat, mit dem ihr alle hierher kamt und die versuchen sollen, Jeannes Erinnerungen zurück zu bringen?"~, fragte er.
~Ja, die sind wir.~, bestätigte der Dunkelhäutige.
~"Mein Name ist Vincent und Jedakar bat mich, euch dorthin zu führen, wo sich Ja'a'nira jetzt befindet."~, stellte sich der Hüne vor.
Dann taten es ihm die Mitglieder der Gruppe gleich.
Der Dunkelhäutige, der offenbar der Anführer der Gruppe war, hieß Yanack und gehörte einem Volk an, bei dem sofort zwei Namen im Kontakt waren.
Er selbst sah sich als einer derer auf dem Weg, doch die beiden anderen nannten sein Volk Feuervolk, was er auch zu akzeptieren schien.
Die braunhäutige Weibliche wurde Saklara gerufen und gehörte zu denen, die sich Erdvolk nannten und der blauhäutige, dessen Erscheinungsbild Vincent an eine Kreuzung zwischen Mensch und Rochen erinnerte, nannte sich Lilianian und war Wasservolk.
~"Gehe ich richtig in der Annahme, dass ihr von der gleichen Welt stammt, wie Niyan vom Windvolk?"~, fragte Vincent und aus der Gruppe kam Zustimmung.
Gleichzeitig bekam Vincent immer mehr den Eindruck, dass der Blauhäutige sich in seiner Haut nicht mehr wirklich wohl fühlte, da diese bereits begann auszutrocknen und erste kleine Risse aufwies und so fragte er nach.
~"Ist meine Annahme richtig, dass Deinesgleichen normalerweise das Wasser nicht für längere Zeit verlässt, Lilianian?"~
~Ja, du vermutest richtig.~, bestätigte Lilianian leicht betreten ~Vergib mir, wenn ich dir unangenehm bin.~
~"Keine Ursache."~, wehrte Vincent freundlich ab und bot dann an ~"Dann werde ich unsere Route ein wenig abändern, auch wenn wir uns durch die bewohnten Bereiche bewegen werden, zumindest am Rand. Aber auf diesem Wege kann ich dir zumindest eine Pause ermöglichen, in der du dich in dein Element begeben kannst."~
Dabei erinnerte er sich bewusst an die Stelle, an der er viel Zeit mit Jeanne verbracht hatte.
~Deine Rücksichtnahme ehrt dich.~, bemerkte Der auf dem Weg ~Doch nun lasst uns den Kontakt beenden und uns auf den Weg machen.~
Von Erd- und Wasservolk kam ein einstimmiges ~Gehört und verstanden.~, bevor sie Vincents Pranken los ließen.
Vincent formte darauf eine einladende Geste und sagte: „Bitte folgt mir. Der Weg wird einige Stunden in Anspruch nehmen, doch ich fühle, dass es Jeanne im Moment so gut wie möglich geht, also besteht kein Grund zu übertriebener Eile."
„Ich fühle dennoch", wandte sich nun Saklara an den Einheimischen „dass es dich zu ihr zieht. Warum?"
Vincent blickte zu Boden, bevor er antwortete.
„Sie ist meine Frau und sie war dem Tode nahe. Ich mache mir trotz allem Sorgen um sie."
„Und trotzdem ermöglichst du mir ein Bad, damit ich mich wohler fühlen kann?", stellte Lilianian mit seiner sanften Stimme fest „Das ehrt dich sehr."
Vincents Wangen bekamen einen rosigen Schimmer und er senkte den Kopf.
Als er wieder aufsah, zeigten seine Augen das Lächeln, das sein katzenartiges Antlitz nicht zu zeigen imstande war.
„Ihr alle habt große Anstrengungen und Risiken auf euch genommen, um meine Frau zu finden und ohne Jedakar und den Rest ihrer Gruppe hätte sie diese Nacht vielleicht nicht mehr überlebt. Also ist es doch das Mindeste für mich, dafür Sorge zu tragen, dass ihr alle euch so wohl wie irgend möglich fühlen könnt, solange ihr hier seid."
Inzwischen hatte die Gruppe den Weg fortgesetzt und erreichte gerade den Zugang zu der Höhle, in der der Große See mit seinem beeindruckenden Wasserfall lag.
Vorsichtig schaute Vincent um die Ecke, obwohl er zu dieser Zeit hier niemanden mehr erwartete, und erst, als er sich versichert hatte, dass dem auch so war, führte er die Gruppe um den Felsen, aus dem eine kleine Quelle entsprang, herum auf das kleine Plateau und zeigte dem Wasservolkangehörigen den Weg hinunter zum Ufer. Dieser legte seinen Sauerstoffkonzentrator ab und stieg hinab, um einen Moment später in sein Element einzutauchen.
Vincent blickte dem davon Schwimmenden noch einen Moment nach, bevor er sich Feuer- und Erdvolk zuwandte.
Diese hatten sich inzwischen auf dem Fels niedergelassen und Vincent setzte sich zu ihnen und schlug vor: „Während Lilianian sein Element genießt, könnten wir ja weiter reden. Ich habe noch so viele Fragen und ihr sicher auch."
„Ja, das ist wahr.", erwiderte Yanack „Und ich würde vorschlagen, dass wir uns im Kontakt unterhalten."
„Damit bin ich einverstanden.", gab Vincent zurück und als Saklara ihre Hände ausstreckte, ergriffen beide sie und der Kontakt erfolgte.
~Was möchtet ihr ...~
~Was möchtest du ... - Oh, vergib!~
Vincent spürte deutlich, dass die beiden Allianzangehörigen ihm den Vortritt ließen.
Dankbar formulierte er seine erste Frage.
~Zuerst einmal wüsste ich gerne, wie eine einzige Welt, vier so unterschiedliche intelligente Rassen hervorbringen konnte.~
~Das Lied der Welt der drei Völker zu singen, fällt dir leichter.~, gab Yanack das Wort an die Erdvolkangehörige und von dieser kam Zustimmung.
Dann folgten Bilder, begleitet von Gedanken und Geräuschen. ~Die, die uns trägt~, berichtete Saklara~brachte drei Völker hervor. Die, die in strömenden Tiefen leben, Wasservolk, sind das älteste, ihnen folgten wir, die wir die Höhlen und Tunnel im Inneren des Leibes unserer Welt bewohnen und uns folgten die, die in den Kronen und Wipfeln der Ph'taal leben, Windvolk.
Jedes der drei Völker hat seine eigenen, besonderen Fähigkeiten und Eigenschaften, angepasst an seinen Lebensraum. So hat Wasservolk neben den, Beinen und Lungen, die es ihm ermöglichen, sich an Land zu bewegen, auch Kiemen und Flossen, für das Leben unter Wasser. Die Meinen haben besonders stabile Knochen und die von Windvolk sind leicht und hohl, für den Tanz hoch in den Wolken. Und alle Völker leben miteinander und mit der die uns trägt, in Harmonie, denn nur so können wir uns wohl fühlen.~
~Wie meinst du das?~, kam es von Vincent und Saklara erklärte ~Die drei Völker eint eine Eigenschaft, von der wir, bis zur Ankunft der ersten Wesen von jenseits der Großen Leere, nicht wussten, dass diese nicht allen Lebewesen inne wohnt.~
Vincent hörte, spürte und sah vor seinem inneren Auge, was Saklara berichtete, doch etwas lenkte ihn zunehmend ab. Ganz leise, wie aus weiter Ferne, hörte er Töne und der Boden auf dem sie saßen, schien die ganze Zeit schon leicht zu vibrieren.
Plötzlich ebbte der Strom der Bilder und Gedanken ab und Vincent spürte, dass seine beiden Kontaktpartner sich auf ihn fokussiert hatten.
~Ich spüre deutlich, dass dich etwas beschäftigt.~, merkte Saklara an ~Was ist es und wie kann ich dir behilflich sein, dass du dich wieder wohl fühlst?~
Erst jetzt wurde sich Vincent bewusst, dass er von der Erzählung der Erdvolkangehörigen seit geraumer Zeit nichts mehr mitbekommen hatte und er wurde verlegen.
Leicht schüttelte er seinen Kopf, um seine Gedanken ein wenig zu ordnen, bevor er erwiderte ~Vergib mir, doch ich wurde von deinem Bericht von Tönen, deren Ursprung ich nicht feststellen kann und leichten Vibrationen im Boden abgelenkt.~
Dann atmete er einmal tief durch und fügte erklärend an ~Als oft die letzte Bastion gegen Angriffe auf die hier lebenden Menschen, ist es für mich unerlässlich, stets auf alles Ungewöhnliche zu achten.~
Saklara lächelte.
~Du musst dir keine Sorgen machen. Das was du hörst und das, was du als Vibrationen im Boden wahr nimmst, stammt von mir und Lilianian.~
~Mit was aber erzeugt ihr so komplexe Klangmuster? Ihr seid doch nur zwei. Habt ihr irgendwelche Geräte bei euch, die euch das erlauben?~
Yanack erzeugte ein Signal, das sich wie ein Grinsen und ein Nicken für Vincent anfühlte.
~Dies ist eine Fähigkeit, über die unter den uns bekannten Rassen nur die Drei Völker verfügen. Eine Besonderheit ihrer Anatomie, sozusagen.~
~Und welche ist das?~
~Jedes Individuum der Drei Völker verfügt nicht nur über eine, sondern über sieben Stimmen, deren jede sie einzeln einsetzen können.~
Vor Überraschung hätte Vincent fast die Hände seiner Kontaktpartner los gelassen, doch es gelang ihm, diesen Impuls zu unterdrücken. Statt dessen fragte er verblüfft nach. ~SIEBEN Stimmen?~
~Ja.~, bestätigte nun Saklara und zeigte ihm, was gemeint war, angefangen bei den vier übereinander liegenden Stimmbandpaaren in ihrem, für ihre Größe fast schon riesig anmutenden Kehlkopf, bis hinunter zu der Knochenplatte in ihrem Bauch, die ihre tiefste Stimme bildete.
~Und jede könnt ihr einzeln ansteuern?~
~Ja, das können wir.~, erwiderte Saklara und zeigte es ihm, indem sie mit jeder Stimme einzeln einen Ton erzeugte, vom höchsten, den Vincent kaum noch hören konnte, bis hin zum tiefsten, den er praktisch nur noch fühlte.
~Was fängt man mit so vielen Stimmen an?~
Wieder kam ein Lächeln von Yanack, als er erwiderte. ~Das, was andere Wesen mit Werkzeugen tun.~
Gleichzeitig strömten Bilder und Erinnerungen von Klängen in den Kontakt.
Wind- und Wasservolk, die singend ihre Behausungen in die Kronen der Ph'taal und in riesige Konglomerate aus sehr festen Algen flochten und Erdvolk, das singend und tanzend seine Wohnhöhle erweiterte, die für den Stamm zu klein geworden war. Dann blickte er auf die Hände eines Erdvolkwesens, dessen Fingerspitzen auf einem unscheinbar grauen, großen und flachen Stein lagen und hörte Töne, die für ihn wie sphärisch klangen und er sah, wie sich Splitter um Splitter von dem Stein löste und schließlich eine riesige steinerne Schale entstand.
Vincent war überwältigt,doch dann wandte er sich Yanack zu und fragte: ~Ich habe in all den Bildern gerade keinen von deinem Volk gesehen. Was fangt ihr mit euren Stimmen an?~
Der Dunkelhäutige grinste leicht. ~Nichts. Denn wir haben, wie du, nur eine Stimme. Wir sind das einzige dauerhaft dort lebende Volk, auf der Welt der Vier Völker, das Werkzeuge benutzt.~
~Stammt ihr denn nicht von dieser Welt?~

******************************************************************

(1873 Wörter)

Ways of Destiny - Wege des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt