Kapitel 41 - URLAUB

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Vincent wanderte hinauf zu Narcissas Wohnkammer und wurde freundlich von der alten Frau begrüßt.
„Na, mein Junge, wo hast du denn deine Frau gelassen?", fragte sie ihn lächelnd, als er die Räumlichkeit betrat.
„Guten Morgen, Narcissa.", erwiderte er „Sie ist unten in ihrem Schiff, bei unserer Tochter."
„Oh!", meinte Narcissa verwundert „Wann ist sie denn gekommen?"
„Gestern Nachmittag.", gab Vincent Auskunft.
„Ich gratuliere euch.", antwortete Narcissa.
„Danke, Narcissa.", erwiderte Vincent und ging zu einer Ecke des großen Raumes, wo auf einem Sims unter einem Rohr, das dort aus der Wand kam, um in einer anderen wieder zu verschwinden, ein kleines Rohrstück lag.
„Und nun würde ich gerne mal deine Rohrpost benutzen, damit ich nach oben melden kann, dass ich die nächsten Tage nicht da bin und warum.", erklärte er.
„Tu dir keinen Zwang an.", lächelte die Alte und wanderte zu ihrem großen Herd und hantierte dort mit einigen Gefäßen.
Vincent ging zur bezeichneten Wand und begann eine Nachricht zu klopfen.
Die Alte trat nach einem Moment mit einem großen Becher in dem eine heiße Flüssigkeit dampfte zu ihm und horchte. Plötzlich grinste sie.
„Da wird sich Jakob sicher freuen, wenn er erfährt, dass er ein Schwesterchen bekommen hat.", bemerkte sie und reichte dem Hünen das Gefäß.
Vincent, der seine Nachricht beendet hatte, ließ sich auf die nahe Bank sinken, um auf die Bestätigung von oben zu warten, nahm es entgegen und schnupperte dran.
„Ja, das glaube ich auch.", vermutete er „Und wenn er, wie so oft, bei Pascal in der Rohrkammer ist, weiß er es jetzt schon."
Dann kostete er einen kleinen Schluck des heißen Getränkes. Es schmeckte ungewohnt, aber nicht unangenehm.
„Was ist da drin?", fragte er die alte Frau.
„Ein paar Kräuter gegen düstere Gedanken.", grinste Narcissa.
Vincent fragte nicht danach, woher Narcissa wusste, dass ihn Unangenehmes umtrieb, die alte Priesterin hatte Quellen, die für ihn nicht zugänglich waren.

Wie sein Vater richtig eingeschätzt hatte, war Jakob Junior wieder einmal bei Pascal in der Rohrkammer.
Sein überragendes Gehör prädestinierte ihn regelrecht dafür, dem kleinen segelohrigen Mann, dessen Gehör inzwischen nicht mehr ganz so gut war, bei seiner Arbeit zu helfen.
Als die ersten Töne aus dem Rohr kamen, das hinunter in Narcissas Kammer führte, horchte Jakob auf und schließlich sprang er mit einem Aufschrei der Freude hoch.
„Hurraaaa!", rief er „Ich hab ein Schwesterchen!"
„Hast du alles auch richtig verstanden?", fragte Pascal nach und als Jakob nickte, wies er ihn an: „Dann bestätige den Empfang, so wie ich es dich gelehrt habe und danach geh zu Vater und überbringe die Nachricht, damit dieser alles Nötige veranlassen kann."
„Gut, mach ich.", erwiderte der Junge und begann eine kurze Bestätigung an das Rohr zu klopfen.

„Geht es deiner Frau und eurem Töchterchen gut?", fragte inzwischen Narcissa ihren Gast.
Vincent hielt das Gefäß zwischen seinen Händen und nippte vorsichtig daran, bevor er nickte.
„Ja, beide sind gesund und munter.", bestätigte er.
„Und habt ihr schon einen Namen für die Kleine?", wollte Narcissa weiter wissen.
„Ja, haben wir.", erwiderte Vincent und nippte wieder an dem Heißgetränk, das ihm gut tat.
Gerade als Narcissa ihre nächste Frage stellen wollte, begann das Rohr in der Wand zu vibrieren und es erklang die Antwort auf Vincents Nachricht.
Die Augen des Hünen begannen zu strahlen.
„Jakob hat die Nachricht als erster bekommen, wie schön.", freute er sich.
Er hatte am Rhythmus der Bestätigung erkannt, dass diese von seinem kleinen Sohn abgesetzt worden war.
„Dann trink deinen Tee noch aus, bevor du dich auf den Rückweg machst.", wies ihn die alte Frau an.
„Ja, gern.", meinte Vincent und trank weiter in kleinen Schlucken, den Inhalt des Bechers.

Jakob hatte inzwischen die große Bibliothek erreicht und stürmte in den Raum.
Ungeachtet der Tatsache, dass sein Großvater gerade eine Unterrichtsstunde mit einer Gruppe der älteren Kinder abhielt, sprang er zu dem alten Mann und umarmte ihn stürmisch.
„Großvater, Großvater!", rief er überglücklich „Ich hab ein Schwesterchen bekommen!"
Der alte Mann wandte sich dem Jungen zu und lächelte ihn an.
„Hast du das gerade durch die Rohre erfahren?", fragte er nach und als Jakob nickte, fügte er an: „Und hat dein Vater noch mehr gesagt?"
„Ja", bestätigte der Kleine und erklärte: „Er und Jeanne werden die nächste Zeit an Bord von Ja'a'nira bleiben, bis Jeanne wieder kräftig genug ist, die Wanderung hier nach oben zu machen und sie möchten, dass ihre Lerngruppen übernommen werden."
„Danke Jakob.", meinte der Alte und wies ihn dann an, seinen Vater zu benachrichtigen, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte und sie alles entsprechend organisieren würden und ihre Glückwünsche an die jungen Eltern zu übermitteln.
Jakob nickte und verließ den Raum.

Noch ehe Vincent seinen Tee ganz ausgetrunken hatte, erreichte Narcissas Kammer eine weitere Nachricht von oben, die die Informationen enthielt, die Jakob Senior seinen Enkel zu übermitteln gebeten hatte.
Vincent stand auf, bestätigte und bedankte sich.
Dann nahm er noch den letzten Schluck Tee aus dem Becher, reichte das Gefäß mit einem „Dankeschön, das hat gut getan." zurück an Narcissa, verabschiedete sich und machte sich auf den Rückweg zu seiner Frau.

Wieder im Schiff, fand er Jeanne sitzend und das kleine Mädchen stillend im Bett vor.
„Hallo ihr Lieben.", grüßte er seine Familie und küsste das Kind auf die Stirn und seine Frau auf die Lippen.
Im nächsten Moment nahm Jeanne die Kleine schon hoch und diese entließ die mitgeschluckte Luft hörbar aus ihrem Magen.
Behutsam nahm Vincent nun seiner Frau das Kind ab und reichte ihr, das was sie nun brauchte, während er an den Wickeltisch trat und seine kleine Tochter entkleidete.
„Ja'a'nira, ich würde die Kleine jetzt gern baden.", sagte er laut in den Raum.
„Kein Problem.", erwiderte das Schiffswesen „Nimm mal kurz die Kleine hoch und ihre Sachen von der Wickelfläche."
Behutsam legte sich der Hüne das Kind so an die Schulter, dass er es mit einer Hand stützen konnte und räumte mit der anderen die Wickelfläche frei, die sich bereits zu einer Vertiefung umformte.
Als nichts mehr im Weg lag, füllte sich selbige mit Wasser und nachdem Vincent kurz mit der Hand geprüft hatte, dass das Wasser auch die richtige Temperatur hatte, legte er sein Kind hinein und hielt es mit einer Hand so, dass es nicht mit dem Köpfchen unter Wasser kommen konnte und begoss es mit der anderen Hand behutsam.
Die Kleine zeigte deutlich, dass ihr das Bad gefiel und so ließ sich Vincent Zeit, während seine Frau inzwischen fertig damit war, die überschüssige Milch abzupumpen und aus dem Bett stieg.
Jeanne stellte die Flasche mit der Milch und die gebrauchte Pumpe in ein Wandfach, das sich darauf schloss und verschwand im Bad.

Als sie frisch bekleidet zurück kam, hatte Vincent inzwischen das Baby gewickelt und zog es gerade an.
Jeanne bückte sich nach dem Rucksack, den sie mitgebracht hatten, und zog ein langes und breites Tuch, das ihr während der Schwangerschaft eine der Frauen oben geschenkt hatte, hervor.
„So", meinte sie „wollen wir doch mal schauen, wie das funktioniert."
Konzentriert schlang sie sich das Stück Stoff in einem bestimmten Muster um den Oberkörper und als Vincent ihr ihr Kind reichte, steckte sie es unter das Tuch, so dass es geschützt und sicher an ihrem Körper lag.
„Wollen wir eine Runde spazieren gehen?", fragte sie dann ihren Mann „Ich brauche ein bisschen Bewegung."
„Wo willst du hingehen?", fragte Vincent und Jeanne grinste.
„Wie wäre ein Strand an einer tropischen Insel?", bot sie an und als Vincent nach einem kurzen Moment des Überlegens nickte, sagte sie laut in den Raum: „Würdest du bitte alles vorbereiten, Ja'a'nira?"
„Aber gern doch.", gab das Schiffswesen zurück „In zehn Minuten ist alles bereit."
„Wunderbar. Danke.", erwiderte Jeanne und ließ sich auf einen der Stühle am Tisch sinken und griff in den Korb nach einem Riegel und goss sich aus dem bereit stehenden Krug ein Glas Saft ein.
Mit wenigen Bissen verschlang sie den Riegel und griff schon nach dem nächsten, während sie ebenso gierig das Getränk hinunterstürzte.
„Bist du so hungrig?", fragte Vincent alarmiert.
Jeanne nickte und goss sich ihr Glas mit Wasser voll, während sie mit einer Hand und ihren Zähnen den nächsten Riegel öffnete.
Darauf griff Vincent in das Körbchen und steckte sich eine Hand voll der Riegelchen in die Tasche.
„Dann sollten wir einen ausreichenden Vorrat mit nach oben nehmen, wenn wir uns auf den Weg machen", bemerkte er „oder ich muss darauf vorbereitet sein, alle paar Tage hier herunter zu wandern und den Vorrat aufzustocken."
„Nun, zumindest wenn wir das erste Mal hoch gehen, wird das wohl nötig werden, dass du schon nach kurzer Zeit wieder hier herunter kommst und Nachschub holst.", erkannte Jeanne „Danach kannst du ja den Rucksack voll machen, in dem wir ja diesmal noch unsere Sachen transportieren müssen."
Gerade als Vincent sich besorgt über den vorhandenen Vorrat an Riegelchen äußern wollte, erklang im Raum ein leises Signal, das sie darauf hinwies, dass nun die Illusion im Frachtraum vollständig war.
Jeanne stand auf, und legte Vincent sacht die Hand auf den Arm.
„Über den Vorrat an Energieriegeln mache ich mir Gedanken, wenn mir Ja'a'nira signalisiert, dass dieser zu Ende geht.", bemerkte sie lächelnd.
Dann öffnete sie noch einen der Riegel und verschlang ihn im Hinausgehen mit wenigen Bissen.

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(1523 Wörter)

Ways of Destiny - Wege des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt