Kapitel 73 - Erwachen

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Ein riesiger Baum unter einem wolkenverhangenen, dunklen Himmel und unter ihm, nahe der Wurzeln lag eine winzige Gestalt zusammengerollt und schlief scheinbar.
Plötzlich öffneten sich die Wolken und ein weiß-violett-blauer Lichtstrahl fiel auf das Gewächs und das Licht ergoss sich auf kahle Äste und Zweige. Es sammelte sich in kleinen Rinnsalen am Stamm und floss an ihm herunter, wie Wasser bei Regen.
Schließlich erreichte es den Boden und ergoss sich in die Landschaft. Die Gestalt unter dem Baum regte sich, streckte sich ein wenig und schmiegte sich an die dicke Wurzel, die hier teilweise aus dem Boden ragte und an der sie lag. Das Licht floss weiter ergoss sich auch über diese.
Immer breiter wurde die Lücke in den Wolken und immer mehr Licht ergoss sich in die Landschaft und bald sprießte erstes Grün aus dem ausgetrockneten, grauen Boden und auch der Baum zeigte erste Knospen, die sich bald öffneten und leuchtend grüne Blätter trieben.
Die Gestalt am Boden war nun ganz eingehüllt in das Leuchten, wie in einen Kokon und rührte sich einmal mehr, wachte jedoch nicht auf, noch nicht.

Die beiden Jaridian und der Taelon bemerkten, dass half was sie gaben, doch sie spürten auch, dass es mehr brauchte, viel mehr und anderes als das, was sie drei zu geben hatten.
„Überanstreng' dich nicht.", bemerkte Jedakar zu ihrem Gefährten und grinste eindeutig zweideutig „Ich denke, sie wird mal wieder deine Hilfe brauchen in den kommenden Nächten."
„Meine, oder seine?", grinste dieser zurück und die Weibliche wusste, wen er meinte.
„Vielleicht euch beide?", schlug sie vor. „Dich hat sie ja nicht nur einmal platt gekriegt, seit damals."
Weiter floss ihrer beider Energie in breitest-möglichem Strom der Verwandelten zu und nach geraumer Zeit betrat Vincent wieder den Raum, gefolgt vom fünften Mitglied der Gruppe der Fremden.
Ein kurzer Blickwechsel zwischen ihm und der enttarnten Jaridian-Weiblichen und diese wies mit dem Kopf auf Jeannes Füße und schon bald floss neben weiß-violetter und violett-blauer auch weiß-grüne mit Gold durchsetzte Energie für die Frau und der Baum, der ihre Lebensenergie war, begann zu blühen.

Ein leises Rascheln erklang, als Jeanne sich rührte und einen Augenblick später öffnete sie ihre Augen, genau in dem Moment, als ein schillernder Farbschauer über die Wände des Raumes zog.
Plötzlich erklang ein Aufschrei von der Liege und alle Helfer wichen gleichzeitig einen Schritt zurück, worauf der Kontakt zu der Frau abbrach.
Vincent sprang herzu und umarmte seine Frau schützend und sichernd.
„Ruhig", raunte er, kaum hörbar „ganz ruhig. Sie tun dir nichts. Ich denke, sie haben dich gerettet."
„Wer sind diese Leute?", fragte Jeanne leise in die dicke Kleidung Vincents hinein und klammerte sich an seinem massiven Leib fest.
„Schau sie dir genau an.", forderte der Hüne ebenso leise seine Frau auf und wandte sich dann an die Gruppe: „Bitte legt eure Tarnung ab."
Red und Tarek warfen Jedakar einen Blick zu und erst als diese nickte, hoben beide eine Hand und legten sie sich an die Brust, während Niyan an die Liege heran trat und dem Paar die Flügelhände hin streckte.
„Bitte.", meinte die Windvolkangehörige mit ihrer singenden Stimme „Im Kontakt könnt ihr spüren, dass wahr ist, was wir sagen."
Nun traten die Fremdwesen alle zu Niyan hin und legten ihr jeweils eine Hand auf Schultern und Armen ab.
„Bitte kommt in den Kontakt.", meinte nun der Vereinte, der an den Füßen Jeannes gestanden hatte „Es hilft wirklich ungemein bei Verständigungsschwierigkeiten."
Jeanne hatte inzwischen zu Jedakar geschaut und betrachtete deren Gesicht genauer.
Dann griff sie nach vorn und berührte die drei-fingrige Hand Niyans und zog damit auch Vincent in den Kontakt mit hinein.
Deutlich spürten nun beide die Gefühle der Gruppe und staunten über deren Intensität. Sie konnten aber auch genau erkennen, welche Emotionen von wem abgestrahlt wurden.
Da war der riesigen Jaridian-Männliche, der nur noch von der seines Stammes überragt wurde und der sowohl mit dieser, als auch mit Jeanne einen Begriff verband, mit dem sie beide nicht viel anzufangen wussten, bis sie die dazugehörenden Gefühle erkannten.
Kharak empfand eine so tiefe und heiße Liebe, sowohl für die, die seines Stammes war, als auch für die Frau auf der Liege, dass es sich anfühlte, wie das Feuer eines nahen Sterns und er verband es mit dem Begriff Gefährtin. Jedoch schien er von Jeanne ein gänzlich anderes Bild zu haben, als das, welches sie im Moment bot.
Dann war da Jedakar, die die Gefühle ihres Gefährten auf ihn bezogen spiegelte und die auf die Frau auf der Liege bezogen, einen starken Beschützerinstinkt zu haben schien.
Der Vereinte, Tarlam, wie er sich selbst sah, spürte eine tiefe Freundschaft und Verbundenheit gegenüber allen anderen Mitgliedern der Gruppe und zu Jeanne gewandt verspürte er etwas, das sich für Vincent wie Familie anfühlte und das er mit dem Wort Schwester verband.
Und dann war da noch der Taelon, Da'an, dessen Gefühle für Jeanne denen Kharaks glichen, jedoch waren sie weicher und kühler, als würden sie von etwas gedämpft, so als bestünde ihre Verbindung schon seit so langer Zeit, dass seine Gefühle zwar nicht an Intensität, jedoch an Schärfe verloren hatten, wie ein Stein, der schon lange am Grunde eines Flusses liegt und dessen Ecken und Kanten vom Wasser bereits rund geschliffen worden waren.
Ganz am Rande des Kreises erspürte Vincent die Windvolkangehörige, Niyan, die nur den Wunsch hegte, es möge allen hier so gut wie nur möglich gehen.
Das alles hatten sowohl er, als auch Jeanne in dem Moment wahr genommen, in dem der Kontakt erfolgt war und nun blickte Vincent auf und den riesigen Jaridian-Männlichen an.
~Du liebst sie.~, bemerkte Kharak.
~Ebenso sehr wie du.~, erwiderte Vincent ruhig.
Dann wandte sich der Hüne der Windvolkangehörigen zu.
~Und du ...?~
Im Kontakt war plötzlich ein Lächeln, welches das Gesicht der Geflügelten nicht zu zeigen imstande war.
~Ich tue alles, was ich für alle hier tue aus rein egoistischen Motiven.~, erklärte sie ~Denn solange sich ein Wesen in meiner Umgebung nicht wohl fühlt, fühle auch ich mich nicht wohl, also sorge ich dafür, dass es ihm wieder so gut wie möglich geht, damit auch ich mich wieder wohl fühlen kann.~
Vincent erkannte, dass es ihm ähnlich erging, jedoch, glücklicherweise, wie er fand, nur bezogen auf seine Frau und seine Kinder. Dann wandte er sich dem Vereinten zu.
~Das, was ich von dir wahrnehme, fühlt sich für mich an wie Familie. Warum?~
~Das liegt vielleicht daran~, erwiderte Tarlam ~dass ein Teil von mir mit ihr blutsverwandt ist. Sie ist meine ältere Schwester, sozusagen.~
Jetzt blickte auch Jeanne auf und in die Runde.
~Dann habt ihr alle~, stellte sie fest ~mir eindeutig etwas voraus. Ihr wisst, wer ich bin.~
~Ja, das wissen wir.~, bestätigte Jedakar ~Und bald wirst auch du es hoffentlich wieder wissen.~
~Aber wie?~, fragte Jeanne verblüfft über die feste Überzeugung, die diese Aussage der Jaridian begleitete.
~Ich habe bereits~, erklärte nun Jedakar weiter ~eine Gruppe von Mitgliedern der Vier Völker gebeten her zu kommen. Diese sind aufgrund ihrer besonderen Sensibilität und Fähigkeiten, die du ja gerade hier erlebst, in der Lage, einen verloren gegangenen Geist wieder zu finden und in seinen Körper zurück zu führen.~
Jeannes Blick wanderte auf die Liege und sie schwieg, doch alle im Kontakt spürten ihr profundes Unbehagen.
~Was beunruhigt dich bei dem Gedanken, dein Gedächtnis wieder zu erlangen?~, fragte Kharak vorsichtig.
~Ich fürchte~, erklärte Jeanne zögerlich ~dass das Wissen über meine Vergangenheit das verdrängt, was mir hier lieb und teuer geworden ist.~
Im Kontakt waren plötzlich Bilder von ihr mit Vincent und Jakob und von einem Mädchen mit weißem, lockigem Haar, genau wie das ihre.
~Da brauchst du dich nicht zu fürchten.~, schaltete sich nun Niyan ein ~So etwas ist noch nie geschehen, seit die Vier Völker die Allianz darin unterstützen, Personen wieder ganz werden zu lassen.~
Erleichterung strömte in den Kontakt, die nun Da'an dazu brachte, die Frage los zu werden, die ihm seit geraumer Zeit im Geist herumspukte.
~Über Erinnerungen aus welchen Zeiträumen reden wir hier eigentlich? Wie lange bist du schon hier?~
Wie von einer Person kam nun von Vincent und Jeanne gleichzeitig ~Drei Jahre.~
Und sofort reagierte die Gruppe mit Unglauben und Erstaunen, denn alle hatten sofort gespürt, dass wahr war, was sie kaum glauben konnten.
~Wie ist das möglich?~, staunte Kharak ~So lange bist du doch noch gar nicht weg.~
Doch von Da'an kam nur mildes Amüsement.
~Das erklärt so einiges, das ich während des Überganges gespürt und gesehen habe.~, meinte der Taelon.
~Sagst du uns, was die Erklärung ist?~, fragte nun Jedakar nach.
~Gern.~, erwiderte Da'an ~Du erinnerst dich doch noch an meine Reaktion, als ich während des Überganges auf der Brücke des Kreuzers einen Blick auf den Hyperraum werfen konnte.~
~Ja.~
~Nun weiß ich, warum dieser so ungewöhnlich auf mich wirkte.~
~Ja?~
~Unsere Reise hat uns nicht nur in ein Paralleluniversum, sondern auch in eine andere Zeit geführt.~
~Eine Zeitreise?~, fragte Tarlam nach und als von Da'an Zustimmung signalisiert wurde, kam vom Vereinten Verstehen.
Ehe sich die Diskussion ausweiten konnte, signalisierte Jedakar, dass es im Moment Wichtigeres gab und wandte sich an Vincent.
~Du hast bereits mitbekommen, dass wir bereits eine Gruppe der Vier Völker angefordert haben, um Jeannes Geist zu bergen und in ihren Körper zurück zu führen.~, setzte sie erklärend an und als Vincent ihr seine volle Aufmerksamkeit zuwandte, zeigte sie im Kontakt den wahrscheinlichsten Weg, den diese Gruppe nehmen würde und bat den Hünen ~Wärest du bereit, diese Gruppe abzuholen und hierher zu führen, damit sie sich unnötige Umwege erspart?~
Vincent wandte sich, bevor er auf die Bitte der Jaridian antwortete seiner Frau zu.
~Kommst du hier eine Weile allein zurecht?~
Jeanne lächelte und signalisierte Zustimmung.
~Wie es aussieht, bin ich ja hier unter Freunden, auch wenn ich mir im Moment dieser Tatsache nicht bewusst bin. Geh nur und mach dir keine Sorgen.~
~Gut.~ Dann wandte sich Vincent wieder Jedakar zu. ~Ich werde die Gruppe abholen und hierher führen.~
~Ich danke dir.~, erwiderte die Jaridian lächelnd.
Noch einmal umarmte Vincent Jeanne fest und löste sich dann aus dem Kontakt, um sich auf den Weg zu machen.

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(1669 Wörter) 

Ways of Destiny - Wege des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt