Kurz vor dem Fest der Lichter spürte Jeanne immer stärker, dass auch Vincents Unterstützung nicht mehr wirklich half.
Immer häufiger fühlte sie sich müde und abgeschlagen und beschloss, ihre Aktivitäten auf das Nötigste, ihrer beider Kinder, Vincent und ihre Verpflichtungen gegenüber der Gemeinschaft, zu reduzieren.An einem Morgen, nach einer weiteren für Vincent sehr anstrengenden Nacht, hatten sie gerade Jakob zu seiner Lesegruppe geschickt und Mary hatte Talara abgeholt, um mit dem kleinen Mädchen Zeit zu verbringen.
Vincent und Jeanne saßen am kleinen Tisch und besprachen die Planung der nächsten Tage, als plötzlich ein für Vincent unbekannter Ton im Raum war.
Erschrocken blickte Vincent sich um.
Was war das und vor allem, was bedeutete es?
Jeanne lächelte, erhob sich und trat an den kleinen Schreibtisch heran, auf dem, neben Vincents Tagebuch, auch ihr kleines Aufzeichnungs- und Kommunikationsgerät lag, welches nun in einem intensiven purpurnen Ton leuchtete.
Sie nahm das Gerät auf und berührte den Sensor, der ihr einen Kontakt mit ihrem Schiff ermöglichte.
„Ja'a'nira?", fragte sie verwundert.
Noch nie hatte ihr Schiff sie von sich aus kontaktiert.
„Tho ... äh Jeanne.", ertönte eine müde Stimme aus dem kleinen Lautsprecher „Kannst du zu mir kommen? Ich hätte da ein Problem, das ich nicht allein zu lösen imstande bin."
Das Schiffswesen hatte sich bewusst sehr vorsichtig ausgedrückt, denn es wusste ja nicht, wer eventuell in Hörweite war.
Die Frau überlegte kurz und meinte dann: „Das muss ich erst einmal überprüfen. Eigentlich hätte ich in einer Stunde eine Lesegruppe und für die muss ich Ersatz finden. Ich kontaktiere dich gleich noch mal."
„Okay.", erwiderte das Schiffswesen und schloss den Kanal.
Jeanne legte das Gerät nachdenklich wieder auf den Schreibtisch und sah dann zu Vincent auf, der neben sie getreten war.
„Wie sieht es mit deinen Plänen aus?", fragte Jeanne den Hünen „Ist es möglich, dass du meine Lesegruppe übernimmst?"
„Ich vertrete dich gerne, wenn Ja'a'nira deiner Hilfe bedarf.", erwiderte der Hüne.
„Danke dir.", gab Jeanne zurück und lächelte
„Gut, ich werde dich dann bei den Kindern entschuldigen.", erwiderte Vincent und legte Jeanne die Pranken auf die Schultern.
„Ich danke dir und mache mich gleich auf den Weg, denn je eher ich los gehe, umso früher bin ich wieder bei dir.", gab diese bekannt, steckte sich noch das Kommunikationsgerät in ihre Gürteltasche und verließ den Raum und Vincent ließ sich nachdenklich in der Leseecke auf den dort stehenden Sessel sinken.
Was mochte ihr Schiff wohl für ein Problem haben, dass es nicht hatte warten können, bis Jeanne zu ihm kam, was ohnehin in wenigen Tagen wieder anstand?Jeanne wanderte durch die Tunnel und hatte bald den gemauerten Schacht erreicht.
Im Hinuntersteigen griff sie in ihre Gürteltasche, zog das kleine Kommunikationsgerät hervor und setzte sich mit ihrem Schiff in Verbindung.
„Ich bin auf dem Weg, doch es wird noch ein paar Stunden dauern.", meldete sie sich an.
„Gut.", kam es von Ja'a'nira „Ich werde nicht weglaufen."
Jeanne lachte leise und spürte, wie ein Teil der Anspannung, die ihr bis jetzt noch nicht einmal bewusst gewesen war, von ihr abfiel. Wenn ihr Schiff noch Witze machen konnte, war das Problem vielleicht gar nicht so groß, wie es für Jeanne zuerst den Anschein gehabt hatte.
Sie ahnte nicht, wie sehr sie sich diesbezüglich irrte.Inzwischen hatte sie die Kammer der Winde durchquert und ging durch den Gang, der in weitem Bogen, an Narcissas Kammer vorbei, hinunter zur Kristallhöhle führte.
An der Kammer der alten Hawaiianerin blieb sie stehen und steckte den Kopf durch den Durchgang.
„Narcissa?", fragte sie in den Raum „Bist du da? Ist alles okay bei dir?"
„Aber ja doch, Kind.", lächelte die Alte hinter einer breiten steinernen Säule hervor „Komm doch herein. Möchtest du einen Tee?"
Jeanne betrat den weitläufigen und doch verwinkelten Raum.
„Ja, gerne.", erwiderte sie, ebenfalls lächelnd.
Narcissa wies zu dem Tisch in der Ecke, in der sich auch das Rohr befand, welches sie zur Kommunikation mit der Gemeinschaft nutzte und meinte: „Setz dich doch schon mal. Ich komme gleich zu dir."
„Danke Narcissa.", gab Jeanne zurück und ließ sich auf die Bank in der Ecke sinken.
Narcissa hantierte inzwischen an dem großen Herd im Zentrum ihrer Kammer und nach einem Weilchen kam sie zum Tisch mit zwei dampfenden Bechern in den Händen.
Jeanne erhob sich und nahm der alten Frau die Gefäße ab, stellte sie auf dem Tisch ab und half dann Narcissa sich zu setzen.
„Danke.", meinte die Alte und schob einen der Becher zu Jeanne hin, während sie nach dem anderen griff.
Die jüngere schnupperte an ihrem Getränk und nahm dann einen vorsichtigen Schluck, denn das Getränk war sehr heiß.
Wie ihr Ehemann, so wollte auch Jeanne nicht allzu genau wissen, was Narcissa in die Getränke mischte, die sie ihnen auftischte. Sie wusste aus Erfahrung, dass sie ihr stets gut getan hatten und vertraute darauf, dass die alte Priesterin genau wusste, was sie tat.
„Nun, was führt dich nach hier unten?", fragte die alte Frau „Ich spüre, dass du beunruhigt bist."
„Ja.", gab Jeanne zu „Ich bin beunruhigt, denn mein Schiff hat mich heute Morgen kontaktiert und gebeten her zu kommen."
„Und das tut es sonst nicht?"
„Nein, das hat sie noch nie getan."
Langsam, Schluck für Schluck tranken die Frauen von ihrem Tee, während sie sich unterhielten.
„Dann solltest du nachsehen, was dieses ungewöhnliche Verhalten ausgelöst hat."
„Das habe ich vor.", bemerkte Jeanne und fragte dann nach „Warst du vielleicht in den letzten Tagen unten und hast du eventuell etwas bemerkt?"
„Nein.", erwiderte Narcissa „Ich bin schon eine ganze Weile nicht mehr unten gewesen, denn der Weg ist mir in letzter Zeit immer mühsamer geworden."
„Dann werde ich, sobald ich wieder oben bin, veranlassen, dass öfters mal jemand hier herunter kommt und nach dir sieht, falls du doch Hilfe brauchen oder wünschen solltest."
„Keine Umstände.", lächelte die Alte „Wenn ich Hilfe brauche hab ich doch das Rohr."
„Es ist doch kein Umstand. Es ist das, was die Gemeinschaft für jeden von uns tut.", bekräftigte Jeanne, stellte ihren Becher auf den Tisch und meinte noch: „Ich werde mich aber nun langsam wieder auf den Weg machen, denn unten wartet Ja'a'nira und oben Vincent auf mich. Danke für den Tee."
„Bitte, gern gescheh'n.", gab Narcissa zurück „Hab einen guten und sicheren Weg."
„Hab einen guten Tag, Narcissa.", antwortete Jeanne und machte sich wieder auf den Weg.Narcissas Tee hatte ihr neue Energie geschenkt und so brachte Jeanne den Rest des Weges flink hinter sich und erreichte bald die zweite Kristallhöhle in der ihr Schiff lag.
Schon beim Betreten der Höhle bemerkte sie, dass sich etwas verändert hatte. Die Wände schimmerten nicht mehr so hell, so als hätte das Licht nachgelassen, das sie bisher angestrahlt hatte.
Langsam trat Jeanne um die riesige knollige Gesteinsformation herum, die den direkten Blick auf ihr Schiff verwehrte und blieb wie angewurzelt stehen, als sie es sah.
Das einst ätherisch anmutende Wesen hatte sich fast vollständig mit einer undurchsichtigen, materiell aussehenden Hülle umgeben und dort wo noch das schimmernde Innere zu sehen war, hatten sich die Schwärme winziger weißer Funken, die stets den Leib der Bergenden Wesenheit durchzogen merklich verringert.
„Ja'a'nira!", rief Jeanne erschrocken „Was ist geschehen?"
„Komm erst einmal an Bord.", forderte das Wesen „Dann reden wir."
„Okay, wie du wünschst.", bestätigte die Frau und wanderte die Rampe hinauf.
Auch im Inneren wirkte es dunkler und Jeanne hob die Hand und berührte eine der Wände, als sie den Gang entlang zur Brücke lief.
„Was hast du? Was ist mit dir geschehen?", fragte sie leise, als sie den Raum am Bug des Schiffes betrat.
„Mir geht die Energie aus.", erwiderte Ja'a'nira schlicht.
„Dann musst du zurück in deine gewohnte Umgebung, ins All.", war Jeanne überzeugt.
„Das würde nichts helfen.", erklärte das Schiffswesen.
„Warum nicht?", wunderte sich die Frau „Du hast mir doch erzählt, dass Wesen wie du von der Strahlung und dem Licht der Sterne leben."
„Das stimmt auch.", gab Ja'a'nira zu „Doch die Strahlung und das Licht hier haben die falschen Frequenzen."
Das Schiffswesen tat sich schwer damit, der Frau, deren Wissen noch immer nicht zurück gekehrt war, zu erklären, dass es nicht das Fehlen der Strahlung selbst war, sondern die Andersartigkeit selbiger.
Die riesige Geode hätte ihr in ihrem Universum durch die Bündelung der Strahlungsarten, die Planeten und Sterne durchquerten mehr als genug Energie zur Verfügung gestellt. Außerdem waren da ja auch noch die zwei großen Tachyonenkonverter in ihrem Maschinenraum, die ebenfalls dazu in der Lage wären, aber eben nicht in diesem Universum. Denn hier waren ihre Matrizen schon nach wenigen Wochen geborsten, was für die Bergende der letzte Beweis gewesen war, dass sie nicht nur ihre Zeit, sondern vielmehr ihr Universum verlassen hatten.
„Was kann ich tun für dich?", fragte Jeanne, der klar wurde, dass es nun in Bereiche ging, die ihr momentanes Wissen überstiegen.
„Ich habe dich gerufen, weil ich nicht allein in der Lage bin, die nötigen Umbauten im Maschinenraum und anderswo vorzunehmen, um alle nicht unbedingt lebensnotwendigen Anlagen abzuschalten.", gab das Schiffswesen bekannt „Und du musst auch selbst darauf achten, dass du dich dabei nicht überanstrengst. Auch du müsstest ihn doch langsam spüren, den Mangel."
„J ... ja ... ich hab ständig Hunger.", bestätigte Jeanne „Aber ich dachte, es liegt daran, dass ich im Moment versuche, möglichst ohne die Riegel auszukommen, die ja fast alle sind."
Jeanne hatte sich inzwischen auf den Weg gemacht und wanderte durch das Innere des riesigen Wesens, während sie weiter mit ihm sprach.
„Nun, das tut sicher noch sein Übriges.", bemerkte Ja'a'nira „Doch der Vorrat hätte eigentlich selbst bei dir Jahrzehnte reichen müssen, trotz dem Mehrverbrauch durch deine Schwangerschaft."
„Warum hast du nicht schon eher etwas gesagt?", wollte Jeanne nun mit leisem Vorwurf in der Stimme wissen „Es wäre doch möglich gewesen, unsere energieintensiven Aktivitäten hier einzuschränken."
„Weil ich genau wusste", erwiderte Ja'a'nira „dass ihr jede Einheit davon auch wirklich gebraucht habt."
„Aber es hätte doch andere Möglichkeiten gegeben ..."
Ein freudloses Lachen erklang und Jeanne brach ab.
„Wie lange, glaubst du, hätte Vincent zum Beispiel nach den Tagen bei dem Mann namens Frost gebraucht, um nur einigermaßen wieder fit zu sein, wenn er es denn überhaupt wieder geworden wäre?", fragte das Schiffswesen.
Jeanne überlegte eine Weile und meinte schließlich: „Ich verstehe. Und ich danke dir, dass du so viel für uns geopfert hast."
„Ich habe es gern getan.", bekräftigte das Schiffswesen „Es tat mir so gut, zu sehen, wie du und er miteinander agiert habt."
Jeanne wurde rot, senkte den Blick und nickte.
„Ich weiß nicht, ob ich ohne ihn bis jetzt überlebt hätte.", bemerkte sie.
„Überlebt, denke ich, hättest du auch ohne ihn.", gab das Schiffswesen bekannt „Doch sicher wäre vieles für dich schwieriger gewesen."
„Ja, da hast du sicher Recht.", bestätigte Jeanne.*****************************************************
(1762 Wörter)
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Sorry, ihr Lieben. Ich hab's gestern echt verpennt, dass schon Mittwoch ist. 🙃
Ich bin im Moment so verpeilt, dass ich froh sein kann, dass ich noch weiß, wann ich Dienst hab und wann frei. 😵Viel Spaß beim Lesen. 👋

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Ways of Destiny - Wege des Schicksals
FantasyIn einem Tunnelsystem unter einer Großstadt an einer Küste lebt eine kleine Gemeinschaft, die für sich einen anderen Weg des Zusammenlebens geht, als die Gesellschaft an der Oberfläche. Vincent, Beschützer und einer der Führer dieser Gemeinschaft...