Eine Weile später stand Jeanne im Schlafbereich der Kammer, die sie mit Vincent bewohnte, hatte den Rucksack auf dem Bett abgelegt und legte gerade ein frisches Hemd und Unterhosen für Vincent hinein, als aus dem Wohnbereich die Stimme Jakobs erklang.
„Jeanne? Bist du zu Hause?", fragte der Junge in den Raum.
„Ja, ich bin hier.", rief Jeanne aus dem Schlafraum „Komm ruhig herein."
Kurz darauf stand der blonde Junge neben ihr und schaute in den Rucksack.
„Wo ist Vater?", wollte er wissen „Und wohin willst du mit seinen Kleidern?"
„Dein Vater", erwiderte Jeanne „ist an Bord von Ja'a'nira und erholt sich."
Wieder rollte ihr eine Träne übers Gesicht und der Junge bemerkte sie und fragte:
„Warum weinst du? Ist Vater krank und wenn ja, was hat er?"
„Du weißt ja schon, dass dein Vater vor drei Tagen nicht nach Hause gekommen ist von seinem Gang in die Stadt oben.", erklärte Jeanne und Jakob nickte.
„Nun, er wurde an dem Tag von sehr bösen Menschen entführt und diese Menschen haben ihm sehr weh getan. Und deshalb muss er sich nun erholen."
„Warum ist er dann nicht in der Krankenkammer?", fragte der Junge weiter, doch bevor Jeanne dazu kam, ihm zu antworten, erklang erneut eine Stimme im Wohnbereich, die Stimme einer alten Frau.
„Jeanne? Bist du schon da?", fragte Mary.
„Ja, Mary." rief Jeanne aus dem Schlafraum „Ich bin hier, mit Jakob."
Im nächsten Moment öffnete sich der Vorhang zum Wohnbereich und die alte Mary schob den Wagen mit der kleinen Talara in den Raum.
„Mama!", freute sich das kleine Mädchen und Jeanne, legte die Sachen, die sie gerade in der Hand hielt schnell in den Rucksack und trat an den Wagen heran.
„Hallooo, mein Schatz!", sagte sie und hob das Mädchen lächelnd aus dem Gefährt „War es schön bei Oma Mary?"
Talara nickte nachdrücklich und lächelte breit.
Dann wandte sich die junge Mutter lächelnd an die alte Frau: „Ich danke dir, Mary, dass du so schnell und so lange auf Talara aufpassen konntest."
„Das habe ich gern gemacht, Jeanne.", bemerkte Mary und lächelte ebenfalls „Eure Kleine ist so ein Sonnenschein, da ist es eine Freude, sie um sich zu haben."
Doch dann wurden beide Frauen wieder ernst und Mary warf einen Blick auf den Rucksack, der noch immer offen war.
„Wie geht es Vincent und wie geht es dir?", fragte die alte Frau behutsam.
Jeanne sah für einen Moment zu Boden und setzte dann erst einmal ihre kleine Tochter in deren Bettchen ab, bevor sie sich wieder Mary zuwandte. Über ihr Gesicht liefen wieder Tränen und die alte Frau erschrak. Sie rechnete mit dem Schlimmsten.
„Vincent", erklärte Jeanne gepresst „erholt sich gerade an Bord meines Schiffes von seinen schweren physischen Verletzungen. Die seelischen Wunden zu heilen, wird sicher eine geraume Zeit in Anspruch nehmen. Ich hole ihm nur was zum Anziehen und unsere Kinder."
„Darf ich wirklich mit?", fragte nun Jakob dazwischen und Jeanne nickte und ergänzte: „Wenn du es willst und wenn du dich selbst darum kümmerst, dass du alles beisammen hast."
„Ich gehe sofort und packe mir eine Tasche.", erwiderte der Junge.
„Gut.", bestätigte Jeanne „Nimm Kleidung für einige Tage und deine Zahnbürste mit und trödle nicht herum, ich möchte zur Zeit der Abendmahlzeit wieder an Bord von Ja'a'nira sein und mich um deinen Vater kümmern können."
„Ich bin gleich wieder da!", rief Jakob und flitzte wie der sprichwörtliche geölte Blitz hinaus.
„Wird dir das nicht zu viel, dich neben deinem Mann auch noch um beide Kinder kümmern zu müssen?", sorgte sich Mary, doch Jeanne schüttelte den Kopf.
„Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird bis wir wieder nach oben kommen.", erklärte sie „Und ich möchte es weder Vincent noch den Kindern zumuten, so lange aufeinander verzichten zu müssen. Es wäre für uns alle nicht gut.
Im Gegenteil, ich hoffe, dass die Anwesenheit der Kinder Vincents psychische Rekonvaleszenz beschleunigt."
„Was wurde ihm angetan?", wollte nun Mary erschrocken wissen.
„Er wurde seiner Würde beraubt und gefoltert.", erklärte Jeanne und kämpfte wieder mit den Tränen „Offenbar wollte man ihm möglichst viele Qualen bereiten, bevor er sterben sollte."
Jeanne zog nun noch eine andere Schublade der Kommode, aus der sie schon Kleidung für Vincent geholt hatte, heraus und legte oben auf den Rucksack noch einiges für ihre kleine Tochter, bevor sie das Gepäckstück verschloss, sich das breite Tragetuch um den Leib schlang und ihre kleine Tochter darin unterbrachte.
Dann bat sie Mary in den anderen Raum und stellte dort den Rucksack in eine Ecke, bevor sie die alte Frau einlud, sich am Tisch niederzulassen und sich auch setzte.
Leise berichtete Jeanne nun Mary davon, wie sie ihren Ehemann vorgefunden hatte und warum es gut gewesen war, schnell aufzubrechen und nicht auf die Aktion von Polizei und Staatsanwaltschaft zu warten.
„Nach seinem Verletzungsmuster zu urteilen, hätte Vincent vielleicht nicht einmal mehr die Nacht überlebt, von mehreren Tagen gar nicht zu reden.", erklärte Jeanne gerade, als Jakob mit einem etwas kleineren Exemplar dessen, was sie selbst zu tragen beabsichtigte wieder erschien.
Beide Frauen standen auf und Jeanne griff nach dem großen Rucksack, um ihn sich auf den Rücken zu schnallen, doch Jakob trat heran und griff nach dem Riemen.
„Lass mich bitte den tragen.", bat er die Frau „Du hast doch auch noch Talara."
„Wirst du es denn schaffen?", fragte Jeanne besorgt „Der Weg ist weit und nicht immer einfach."
„Ich werde mir alle Mühe geben.", versprach der Junge und schließlich nickte Jeanne, nahm ihm seinen Rucksack ab und half ihm in die Riemen des großen, während sie nun den kleineren auf dem Rücken trug.
Noch einmal trat sie an die alte Frau heran und nahm diese sacht in die Arme.
„Ich danke dir noch mal für deine Unterstützung, Mary. Es hat mir unendlich geholfen, dass ich sicher sein konnte, dass die Kinder gut versorgt sind.", meinte sie leise.
„Das haben wir alle doch gern gemacht.", erwiderte Mary „Wir werden alle für Vincents und deine baldige und gesunde Rückkehr beten."
„Danke Mary und auf ein baldiges Wiedersehen."
„Habt einen guten Weg."
Jakob reichte der alten Frau auch noch einmal die Hand und verabschiedete sich strahlend von ihr.
Für ihn war das Ganze ein großes Abenteuer und Jeanne war froh, dass er mit Sicherheit nicht sehen müsste, welch schlimme Verletzungen seinem Vater zugefügt worden waren.Vincent derweil schlief nicht mehr so fest wie kurz nach seiner Behandlung und begann zu träumen.
Immer heftiger warf er sich auf seiner Liege hin und her und das Schiffswesen sah sich genötigt, ihn in ein Kraftfeld einzuhüllen, um zu verhindern, dass er sich erneut Verletzungen zuzog.
Im Halbbewusstsein des Traumes spürte Vincent die Beschränkung, die Ja'a'nira ihm auferlegt hatte und begann instinktiv dagegen anzukämpfen, was die Kraftfeldstärke nur noch erhöhte und so schaukelte sich die Situation so weit auf, dass sich das Feld letztendlich fest um seinen Körper schloss und ihm keinen Bewegungsspielraum mehr ließ.Jeanne, die gerade mit Jakob den Weg zur Kristallhöhle herunter lief, spürte Vincents Not und wandte sich dem Jungen zu.
Dieser hatte offensichtlich schwer an seinem Gepäck zu tragen und so wies sie ihn an, den Rucksack abzunehmen.
„Deinem Vater geht es nicht gut und wir müssen uns beeilen.", erklärte sie „Gib mir also den großen Rucksack und du nimmst deinen wieder, dann können wir schneller laufen."
Jakob erschrak und nickte. Dann nahm er sein Gepäck von seinem Rücken und Jeannes entgegen. Jeanne derweil legte sich schnell den großen Rucksack an und beschleunigte dann ihre Schritte.*****************************************************************
(1230 Wörter)~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Guten Morgen. ☕☕
Seid ihr auch so gespannt wie ich, wie Jakob auf Ja'a'nira reagieren wird? 😇
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Ways of Destiny - Wege des Schicksals
FantasíaIn einem Tunnelsystem unter einer Großstadt an einer Küste lebt eine kleine Gemeinschaft, die für sich einen anderen Weg des Zusammenlebens geht, als die Gesellschaft an der Oberfläche. Vincent, Beschützer und einer der Führer dieser Gemeinschaft...