Kapitel 76 - Hilfstruppen (2)

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~Nein. Mein Volk entstand nicht auf der Welt der Vier Völker.~
~Wie seid ihr dann auf diese Welt gekommen?~
~Wir sind die Opfer unserer eigenen Überheblichkeit geworden.~, erwiderte Yanack und berichtete dann ~Einst waren meine Vorfahren Taelon ...~ Erinnerungen an einen Krieg zwischen zwei Brudervölkern, der beide an den Rand der Ausrottung gebracht hatte und an eine Strategie, die immer mehr Rassen in den Krieg mit hineinzog, strömten in den Kontakt.
Vincent spürte, wie sich in ihm eine immense Abneigung gegen Yanack zu entwickeln begann, bis ihm klar wurde, dass dieser an all dem keine Schuld trug. Augenblicklich fiel das Feuer seines Zorns in sich zusammen.
Yanack, der gestoppt hatte, um Vincent Zeit zu geben, sich zu äußern, sandte diesem nun eine Art fragendes Signal.
~Entschuldige, dass ich dich unterbrochen hab. Bitte, berichte weiter.~
~Gern.~, erwiderte der Feuervolkangehörige und fuhr fort zu erzählen.
Er berichtete davon, wie das Mutterschiff der Synode die Welt der drei Völker gefunden hatte und wie sie auf diese getroffen waren.
~Als die Synode den Planeten verließ, wurde beschlossen, dass dieser sterilisiert werden sollte, um es den nachrückenden Jaridian zu verunmöglichen, dort einen Stützpunkt zu errichten. Doch keiner hatte damit gerechnet, dass es den drei Völkern, die nicht einmal Werkzeuge benutzten und die nicht einmal fähig schienen, jemandem absichtlich weh zu tun, gelingen könnte, das zu vereiteln ...~
Er wiederholte nun was seit Generationen in seinem Volk weiter gegeben wurde, wie sich scheinbar der Planet selbst gegen den Angriff gewehrt hatte und das was bei den Drei Völkern über jene Ereignisse gesungen wurde.
~Die Taelon hatten keine Ahnung, wie tief die Drei Völker miteinander und mit ihrer Welt verbunden sind und so überraschte sie, was geschah, als die erste Angriffswelle startete ...~
Tausende und Abertausende Windvolkangehörige waren singend aufgestiegen, lange bevor die ersten Shuttles das Mutterschiff verließen und als diese in die Atmosphäre eintauchten, schien diese bereits zu kochen. Die singenden Geflügelten flogen in riesigen, ineinander greifenden Kreisen und hatten bereits Stürme entfacht, deren Ausmaß und Stärke schier unvorstellbar war und in den Höhlen und Tiefen sangen und tanzten Erd- und Wasservolk und brachten den Boden zum Beben und das Meer zum Kochen.
Die anfliegenden Shuttles wurden, kaum dass sie in die Atmosphäre eingetaucht waren, von den Winden erfasst und in die Tiefe geschleudert, wo sich die Oberfläche öffnete und Fluggeräte und Piloten ins magmatische Innere des Planeten trug und dort diese samt ihrer tödlichen Fracht auflöste. Über den Meeren wurden die Fluggeräte von plötzlich gebirgshohen Wellen und Strudeln erfasst und in die Tiefe gerissen, wo Druck und Kälte sie einschlossen und versiegelten bis sie irgendwann mit dem sich bewegenden Meeresboden ebenfalls im magmatischen Inneren des Planeten verschwinden würden.
Doch trotz dieses Desasters befahl der oberste Kriegsherr T'Than die Fortsetzung des Angriffs, jedoch fanden sich kaum noch Piloten, die bereit waren, mit ihren Shuttles in diese brodelnden Hölle zu fliegen und die, die es dennoch wagten, wurden von den Stürmen erfasst und nur einige wenige, die ins Geäst einiger der größten Ph'taal geschleudert worden waren, überlebten den Absturz ihrer Shuttles.
Doch statt den Versuch zu unternehmen, die Überlebenden zu bergen, stufte die Synode sie als fremdkontaminiert ein und stieß sie aus dem Verbund, der sie zu Taelon machte, aus, was sie für immer veränderte.
~Zunächst kehrten wir nur physisch in die Urform beider Rassen zurück, doch für die vollständige Verwandlung fehlte noch etwas Entscheidendes, etwas, das uns die Drei Völker nicht zu geben imstande waren. Doch was dann geschah und wie wir zu denen wurden, die wir heute sind, das können die Drei Völker viel besser singen.~, endete Yanack seinen Bericht.
Vincent wusste nicht mehr zu sagen, wie lange sie hier nun schon beisammen saßen, als er plötzlich eine weitere Präsenz im Kontakt spürte. Erschrocken blickte er auf, erkannte Lilanian und entspannte sich wieder.
Der Wasservolkangehörige fühlte sich, nun da er ein ausgedehntes Bad genossen hatte, eindeutig besser und ließ die Freude darüber alle im Kontakt spüren.
Vincent ließ seine Freude über diesen Umstand ungehindert in den Kontakt strömen und schlug dann vor, den Kontakt zu beenden und den Weg fortzusetzen.
Von allen kam Zustimmung und so war die Gruppe nach wenigen Momenten wieder unterwegs.
„Wie kam es eigentlich", wandte sich Saklara nun an Vincent „dass diese Bergende derart tief in den Leib eurer Welt geriet?"
Vincent hob abwehrend die Hand. „Das musst du Ja'a'nira wohl selbst fragen.", erwiderte er „Ich weiß es nicht und meines Wissens Jeanne auch nicht."
„Jeanne?"
„Ja Jeanne, meine Frau. Diejenige zu deren Behandlung ihr hierher gerufen wurdet."
„Hmm?", machte Yanack fragend „Uns wurde ein anderer Name genannt."
„Das habe ich im Kontakt mit Jedakar und ihrer Gruppe auch schon bemerkt", erwiderte Vincent „dass ihr mit meiner Frau auch noch einen anderen Namen verbindet. Doch ich selbst kenne sie nur als Jeanne D'Arc."
„Was bedeutet es, wenn du sie als deine Frau bezeichnest?", fragte Yanack.
Vincent dachte einen Moment nach.
Schon die Frage des Dunkelhäutigen ließ ihn ahnen, dass es in Bezug auf das partnerschaftliche Zusammenleben in dessen Welt womöglich völlig andere Konzepte gab, als die, welche er kennen gelernt hatte.
„Wir sind verheiratet.", erklärte er schließlich und als er den fragenden Blick sah, den der neben ihm gehende Yanack ihm zuwarf, fügte er an: „Wenn zwei Menschen heiraten, versprechen sie sich vor Zeugen, sich zu lieben, zu respektieren und sich einander treu zu sein, bis zum Tod."
„Eine exklusive Verbindung bis ans Lebensende?"
„Ja, normalerweise schon."
„Das ist eine lange Zeit, zumindest für die meisten Wesen. Was ist, wenn später bei einem oder auch beiden der Partner die Liebe erlischt, oder wenn für einen anderen Feuer entbrennt?"
„Dann muss eine Lösung gefunden werden, die beiden Partnern gerecht wird, doch hier in der Gemeinschaft ist so etwas noch nie passiert."
„Warum?", fragte Saklara.
„Die Gemeinschaft ist klein, nur etwa 100 Personen, einschließlich der Kinder und Jugendlichen."
„Also fehlt es an Gelegenheiten?"
„Ja. Außerdem denken Paare auch in der Regel längere Zeit über den Schritt nach, den Rest ihres Lebens miteinander zu verbringen."
„Aus deinen Worten schließe ich, dass es bei dir und Jeanne anders war.", vermutete Yanack.
„Ja", bestätigte Vincent „Ich wusste es praktisch vom ersten Moment an. Ich habe in ihre Augen geblickt und ..." Vincent brach ab und formte eine hilflose Geste und ergänzte dann „Und Jeanne hat auch nur wenige Wochen gebraucht."
„Magst du uns mehr von dem erzählen, wie ihr euch gefunden habt?", fragte Saklara nach, denn sie spürte, wie gut dem Hünen die Erinnerungen an jene Zeit taten.
„Ich hatte keinen Grund, meine Gefühle zu hinterfragen, als ich Jeanne kennen lernte, denn mein Instinkt hat mich noch nie in die Irre geführt, nicht bei Catherine und jetzt bei Jeanne auch nicht.", berichtete Vincent „Ich bin dann nur dem gefolgt und fand bei ihr, was ich, nach Catherines Tod, nicht noch einmal zu finden geglaubt hatte."
„Wie meinst du das?", fragte nun Yanack nach.
Vincent erinnerte sich und seine Augen begannen zu strahlen.
„Als ich Jeanne zum ersten Mal ins Gesicht sah, spürte ich es tief in meinem Herzen und einige Wochen später, als das Fieber mich erfasste, trieb mich mein Bindungsinstinkt – so nannte Ja'a'nira es – zu Jeanne, ohne dass ich wusste, welche Bitte ich an sie richten musste.
Doch Jeanne und ihr Schiff fanden schnell heraus, was mir fehlte und wie das Problem zu lösen war und Jeanne war bereit, mir zu geben, was ich brauchte. Und als wir an Bord Ja'a'niras zum ersten Mal zusammen kamen, stellte mein Geist, ohne mein bewusstes Zutun, eine dauerhafte Verbindung zu ihrem her, die seit dem immer stärker und intensiver wurde, je mehr Schwierigkeiten wir überwanden."
„Eine dauerhafte, geistige Verbindung?", fragte Lilianian mit seiner sanften Stimme nach und als Vincent nickte, vertiefte er „Kannst du uns beschreiben, welcher Art diese ist?"
Vincent wiegte leicht den Kopf hin und her. „Ich kann es versuchen.", gab er zurück „Seit jener Nacht wissen wir beide jederzeit, wie sich der jeweils andere gerade fühlt und wo er sich befindet. Im Augenblick zum Beispiel, spüre ich, dass Jeanne tief unter uns ist und schläft."
„Dann ist die Behandlung durch die Jaridian, die Niyan erwähnte, wohl bereits abgeschlossen.", bemerkte Yanack.
„Ja, das denke ich auch.", erwiderte Vincent nickend. „Sie fühlt sich jetzt auch für mich völlig anders an, als in den letzten Tagen."
„Wie anders?"
„Sie erscheint mir stärker. Sie fühlt sich wieder so an, wie in den letzten Jahren und nicht, wie in den letzten Wochen."
Vincent erkannte, dass sie sich nun einer Passage näherten, die ihnen allen einiges abverlangen würde und so hielt er nach einer bestimmten Stelle Ausschau, an der mehrere kleine, oben leicht abgeflachte Felsbrocken eine Art Kreis um einen ebensolchen etwas größeren Stein bildeten. Dort könnten sie noch einmal eine Rast einlegen und ihre Kräfte regenerieren.
Bald hatte er entdeckt, was er suchte und lud seine Reisebegleiter ein, sich nieder zu lassen.
Als alle auf den leicht feuchten Steinen Platz genommen hatten, nahm Saklara ihren Packsack vom Rücken und entnahm ihm einen Beutel mit kleinen, hellgrünen Kugeln, aus dem es appetitanregend duftete und ein Wasserbehältnis.
Sie legte beides auf den etwas größeren Stein und meinte: „Bitte nehmt, was ihr braucht."
Und so griff auch Vincent in den Beutel und nahm sich eine der Kugeln. Unschlüssig betrachtete und beschnupperte er das grüne Etwas, doch als er sah, dass alle einfach hinein bissen, tat er es ihnen gleich und bemerkte schnell, dass sie dieselbe Wirkung auf ihn hatten, wie Jeannes Riegelchen.
„Aus was stellt ihr diese Kugeln her?", wunderte er sich „Es hat auf mich dieselbe Wirkung, wie Jeannes Riegel, aber im Gegensatz zu diesen hat es Geschmack und einen guten noch dazu."
„Was meinst du mit Jeannes Riegelchen?", fragte Saklara nach.
„Jeanne hat an Bord ihres Schiffes einen riesigen Vorrat an kleinen, weißlichen, in eine helle Folie eingeschweißten Riegeln gehabt, die nach absolut nichts schmeckten, aber unwahrscheinlich viel Energie lieferten."
Yanack griff in eine der zahlreichen Taschen an seinem Anzug, förderte einen solchen Riegel hervor und fragte: „Solche?"
Vincent nickte. „Ja, genau solche."
„Die sind auch der Hauptbestandteil dieser Kugeln. Nur haben die Drei Völker schon vor langer Zeit Ideen entwickelt, ihnen Geschmack zu verleihen und verwenden sie seit dem fast ausschließlich in dieser Form im Einsatz."
„Aber du hast auch noch einige der ursprünglichen Riegel bei dir. Warum?"
„Nur für den Notfall, falls uns die Kugeln ausgehen und wir keine Gelegenheit finden, neue herzustellen und weil die Meinen einen höheren Energieumsatz haben, als die drei Völker."
„Und woher stammen diese Riegel ursprünglich?"
„Sie sind die Hauptenergiequelle der Jaridian, leicht und schnell zu verspeisen und sehr energiereich. Die ideale Versorgung für eine Armee im Krieg.", erklärte Yanack.
„Aber ihr esst auf eurer Welt anderes?"
„Ja, die Welt der vier Völker bietet den vier Völkern und allen unseren Gästen alles was diese zum leben brauchen, Essen, die Möglichkeit sich Behausungen zu schaffen und Schutz."
„Doch warum habt ihr dann überhaupt eure Welt verlassen?"
„Wir unterstützen die Jaridian, seit diese, nach dem Kontakt mit uns, die neuen Strategien entwickelt haben."
„Neue Strategien?"
„Ja, die die letztendlich den Krieg beendeten."
„Den Krieg, der euch auf die Welt der vier Völker brachte?"
„Ja.", bestätigte Yanack schlicht.
„Doch warum ist der Energieumsatz der Deinen höher, als der der anderen Völker auf eurer Welt? Habt ihr auch Shaqarava, so wie Jeanne?"
„Nein. Nur die Jaridian und deren Gemischtstämmige und Vereinte verfügen noch über Shaqarava."
„Aber Jeanne ist weder eine Jaridian, noch eine Vereinte, wenn ich das richtig sehe. Gibt es denn noch mehr Völker mit Shaqarava in eurer Allianz?"
Yanacks Lächeln sah traurig aus, als er erwiderte: „Ursprünglich verfügte nur ein Volk über Shqarava und dieses trug es in den Genpool der Ersten die waren, der Ursprungsrasse, aus der sowohl Taelon, als auch Jaridan entstanden."
„Und dieses Volk war ...?"
„Die Kimera, das Volk zu dem der größte Teil der Gene deiner Frau gehört, soweit ich weiß."
„Und wo sind die Kimera jetzt?"
„Das zu erklären", bemerkte Yanack mit bedauernder Stimme „bleibt uns jetzt und hier nicht genügend Zeit."
Hmm, ich verstehe. Es ist wohl eine zu lange Geschichte."
„Sie beginnt lange vor dem Krieg und der dauerte Jahrtausende."
„Dann sollten wir das wirklich verschieben und uns erst mal wieder auf den Weg machen.", bestätigte Vincent und Saklara packte wieder zusammen, was übrig war und ließ alles in ihrem Sack verschwinden, bevor sie ihn wieder auf den Rücken nahm und die Gruppe den Weg fortsetzte.

(2048 Wörter)

Ways of Destiny - Wege des SchicksalsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt