,,Es ist mir ein wenig unangenehm, wenn du mich so lange anschaust, Master. Habe ich etwas falsches gesagt oder getan?"
Luana sieht leicht beunruhigt zu dem Balladeer herüber, welcher ihr lediglich ein unbekümmertes Lächeln schenkt. Es scheint ihn nicht einmal zu verunsichern, dass sie ihn so direkt darauf ansprach. Dabei hatte der Dunkelhaarige sie zuvor eine gute Minute lang wortlos beobachtet, während Luana neben ihm herlief.
,,Nein nein, du hast nichts falsch gemacht," schüttelt er nun mit dem Kopf, ,,ich habe über etwas anderes nachgedacht."
Der Tag neigt sich so langsam dem Ende zu. Doch auch ihr Ziel rückt langsam in greifbare Nähe. Eine letzte Erhebung auf ihrem Weg verbirgt die prächtige Hafenstadt von ihren Augen. Die Sonne steht bereits tief am Horizont. Sie spiegelt sich goldorange auf den seichten Wellen des Meeres. Luana kann nicht anders, als bei diesem Anblick erneut an ihre Schwester denken zu müssen. Die wenigen Male, welche sie die Stadt besucht hatte, waren alle mit ihr gewesen. Am Imbissstand von Frau Su aßen sie das Mora-Medaillon. Dongsheng verkaufte ihnen Reis und Tofu. Und manchmal durfte Luana sich sogar bei Shitou, dem Inhaber des Jademyteriums, einen Kristall aussuchen.
Leider musste sie diese alle wieder verkaufen, als sie ohne einen einzigen Mora in der Tasche aufbrach, um sich den Fatui anzuschließen.
,,Hallo? Jemand zu Hause?"
Der Harbinger wedelt genervt mit der Hand vor ihrem Gesicht herum und lässt Luana vor Schreck zusammen zucken.
,,Ich- ah... tut mir wirklich Leid, Master," stottert sie geradezu panisch, weshalb Scaramouche jedoch bloß lachend den Kopf schüttelt.
,,So sehr hast du dich also bereits an meine Anwesenheit gewöhnt," grinst er schief zu ihr herüber. Scheinbar war Luana in Gedanken stehen geblieben und hatte überhaupt nicht bemerkt, dass der Dunkelhaarige sich an sie wandte. Ein Fehler, der eigentlich nicht einfach so hätte passieren dürfen. Mag er mit seiner Aussage womöglich recht haben?
Ehe Luana diese Überlegung weiter ausführen kann, hebt ihr Gegenüber plötzlich drohend die Hand. Das zuvor spielerische Lächeln des Balladeers ist einem boshaften Grinsen gewichen.
,,Denkst du etwa, du könntest es dir erlauben in meiner Nähe unaufmerksam zu sein?"
Wenn dies ihre Strafe sein soll, müsste sie es wohl akzeptieren. Luana senkt nachgiebig ihren Kopf, bereit jede Form der Schmerzen zu akzeptieren, welche er ihr gewillt ist anzutun. Ihr Atem flach und der gesamte Körper vor Angst verkrampft, wartet sie auf das Eintreffen seines Schlages.
,,Entspann dich," erklingt nun die Stimme des Harbingers entgegen all ihrer Erwartungen, ,,das war doch bloß ein Scherz."
Ihr Blick wandert zurück nach oben und trifft ungläubig auf die Augen Scaramouches. Dieser öffnet provokant seine Arme und streckt ihr anschließend lachend die Zunge heraus. Das kann doch wohl unmöglich sein ernst sein. Was denkt er sich bloß dabei? Letztlich stößt Luana resigniert die angestaute Luft aus ihren Lungen und wendet sich von ihm ab, um weiterzugehen.
,,Deine Art zu Scherzen bringt wohl nur dich selbst zum Lachen, Master," lässt sie den Balladeer daraufhin mit trockener Stimme wissen. Der Dunkelhaarige gesellt sich lediglich mit einem Grinsen auf den Lippen an ihre Seite.
,,Aber ist es denn nicht das worauf es ankommt?"
Luana sieht verwirrt zu ihm herüber. Betrachtet seine nahezu unschuldig wirkenden Gesichtszüge und das Funkeln seiner Augen in dem Licht der Abendsonne, welches sie vermutlich immer wieder zum Staunen bringen würde. Sonderbar. Und gleichermaßen einzigartig. Genauso wie seine Persönlichkeit.
,,Naja ähm... kann schon sein," gibt Luana schließlich von sich. Ein leichtes Schmunzeln ziert ihr Gesicht, als sie wieder nach vorne blickt.
Man könnte fast behaupten, dass dies die erste normale Unterhaltung war, welche sie jemals miteinander geführt hatten. Unabhängig ihrer Stellung bei den Fatui. Unabhängig der Vergangenheit. Ohne Hintergedanken. Ein Gespräch unter Kameraden. Oder möglicherweise gar unter Freunden?
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To Be Hated By Her
FanfictionDer Grad zwischen Liebe und Hass ist sehr schmal, so sagt man... Doch in Luanas Fall kann davon nicht die Rede sein. Sie hasst den Mörder ihrer großen Schwester mit jeder Faser ihres Körpers. Dies könnte ihr allerdings früher oder später zum Verhäng...